Sehnsucht Süden

Themenflyer

 

Die Erstausgabe seiner „Italienischen Reise“ (1816/17) hat Goethe mit dem Motto „Auch ich in Arkadien!“ eingeleitet. Die hier zugrundeliegende, bis ins 17. Jahrhundert zurückreichende, lateinische Phrase „Et in Arcadia ego“ hat nun eine Besonderheit – es mangelt ihr an einer Form des Verbes „sein“. Ganz konkret bedeutet dies nun, dass sich sowohl „Auch ich bin in Arkadien“, als auch „Auch ich war in Arkadien“ als Übersetzung anbietet. Dies ist nun freilich keine Spiegelfechterei, denn es geht hier um nichts anderes als um die Frage der Zeit, also ob Vergangenheit oder aber Gegenwart zu wählen ist. Und vielleicht ist diese linguistische Option einer ‚offenen Zeit‘ geradezu treffend, wenn es um solch Sehnsuchtsorte wie Arkadien oder, ganz allgemein: den Süden, geht?

Ungebrochen war auch im 20. Jahrhundert die Schar an Künstlern, die es in südliche, mediterrane Gegenden zog. Manche wurden von Stipendien angelockt oder konnten ihre Reise dank eines Rom-Preises antreten, nicht wenige erhofften sich ein authentisches Leben unter einfachen Menschen in wenig besuchten Dörfern, und viele waren auf der Suche nach dem viel beschworenen, besonderen Licht. Die tatsächlichen Gründe mögen jeweils ganz individueller Natur gewesen sein, doch bleiben solche, oftmals wiederholten, Aufenthalte nicht folgenlos für das künstlerische Schaffen.

 

 

Der bekannte Grafiker und Illustrator Michel Fingesten kehrte unter dem Eindruck einer Spanienreise (1927/28) wieder zur Malerei zurück. Es entstanden beeindruckende Gemälde und Aquarelle in einem verträumten, lockeren Kolorit, wobei die vorliegende weite Küstenszene beispielhaft dafür ist. Auf Hanns Hagenauer übte vor allem die Insel Ischia ihre Anziehung aus. Dort fand er „was er mit seinen Augen und seiner Seele suchte, nämlich die Einheit von Naturformen und Menschenwerk“ (Rudolf Härtl). Der Däne Frode Kierulf war ab 1920 immer wieder in Italien. Der allzeit spürbare Wunsch, die „Sehnsucht nach rauschenden, glühenden, schillernden und lebendigen Farben“ (Walter Ophey) künstlerisch umzusetzen, zeigt sich hier in einem mehr impressionistischen Ausdruck, während die Landschaften bei Becker-Carus, Fingesten, Hagenauer und Siegfried einen mehr expressiv-realistischen Zugang haben.

Auffällig ist bei den hier ausgewählten Werken, dass es keine reinen Naturlandschaften sind, sondern sich immer auch Gebäude darin befinden. Der Mensch ist hier demnach nur indirekt durch seine Bauten präsent, was sich bei Becker-Carus ganz signifikant dadurch zeigt, dass erst durch die innerbildlich rahmenden Bäume der Blick auf Florenz fällt. Ausnahmen davon sind die Werke von A. Siegfried und J.P. Schmitz. Beide Arbeiten vermitteln, trotz der deutlichen Differenz zwischen Dynamik und Ruhe, dem Betrachter einen unmittelbaren Eindruck des Erlebten.

 

 

Eine beachtliche Sonderstellung nimmt nun die nächtliche „Hafenlaterne (Chioggia)“ von Mühler ein. Der durchdacht konstruktive Bildaufbau verweist auf den Architekten, während das Kolorit „etwas Traumhaftes und Lyrisches“ (Fritz Löffler) in sich trägt, was gerade Mühlers Nachtstücke charakterisiert. Der fast 60jährige Künstler hat hier das „Licht des Südens“ nochmal auf eine ganz eigene Manier in sein Schaffen integriert.

Alle hier gezeigten Werk sind deutlich unter dem Einfluss des Mediterranen entstanden. Und obgleich der künstlerische Ausdruck immer ein ganz eigener ist, so liegt in diesen Werken doch eine Zeitlosigkeit, wie sie sich auch im einleitenden Zitat zeigt. Die Motive und deren Umsetzung belassen es jeweils ganz beim Betrachter, ob er – je nach Gemütslage – mehr zu einem sehnsuchtsvoll verträumten „ich war“ oder einem freudig hoffnungsfrohen „ich bin“ tendieren mag.

 
 

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