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„Hafenlaterne (Chioggia)“ (1957)

Öl auf Leinwand, Keilrahmen, gerahmt [Originalrahmen];
verso auf der Leinwand unten rechts datiert „1957″
verso auf der Leinwand unten rechts Signaturstempel & Nachlassstempel, sowie nochmals auf Keilrahmen unten rechts ebenso Signatur- und Nachlassstempel
Größe: 80,4 x 60,5cm (ohne Rahmen) bzw. 94,5 x 74,5cm (mit Rahmen) [Im Werkverzeichnis angegeben mit: 80 x 60cm]

€ 3.300,-

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Titel
„Hafenlaterne“; so verso auf der Leinwand unten rechts betitelt, sowie auf Keilrahmen unten rechts (unter dem Nachlassstempel) mit der handschriftlichen Werkverzeichnisnummer „202“; im Werkverzeichnis (1971) noch genauer betitelt mit „Hafenlaterne (Chioggia)“ – eine Abb. der relevanten Seite aus dem Werkverzeichnis findet sich weiter unten [Marianne Mühler (1971): Vorläufiges Werkverzeichnis für die Techniken Öl, Tempera, Gouache und Mischtechniken, in: Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): Ernst Alfred Mühler [Katalog zur Ausstellung vom Okt. 1971 – Jan. 1972]; Dresden; unpaginiert [S. 48]]

Zustand
in den Randbereichen rahmungsbedingt partiell sehr leicht berieben und mitunter kleinere Verluste der Farbschicht; im Eckbereich oben links etwas größere Stelle mit Verlust der Farbschicht (etwa 0,4x1cm); Leinwand in den oberen beiden Eckbereichen aufgrund der Spannung auf Keilrahmen sehr leicht wellig; im mittleren Bildbereich rechts (etwa 11 cm links vom rechten Rand und etwa 11cm oberhalb des Schiffrumpfes) schwache Druckstelle in der Leinwand
Originalrahmen mit wenigen, leichten Gebrauchsspuren (partiell leicht berieben, sowie sehr leicht fleckig)

 

 

Ernst Alfred Mühler war mindestens eine Doppelbegabung. – Neben seinem künstlerischen Schaffen, entstand bereits früh ein umfangreiches Werk als Architekt, welches nicht zuletzt 1953 durch die Professur für Raum-Gestaltung und Formgebung an der Technischen Universität Dresden gekrönt und gewürdigt wurde.

Nach seinem Studienabschluss an der Kunstakademie Dresden (1916-23) arbeitete der Meisterschüler Ludwig von Hofmanns sowohl als freischaffender Künstler, als auch als Bühnenbildner an der Sächsischen Landesbühne Dresden. Er wurde Mitglied der „Dresdner Künstlervereinigung“ (1924) und des „Deutschen Künstlerbundes“ (1926), war in der Folge auf zahlreichen Ausstellungen überregionalen Ausstellungen vertreten und galt als großes Talent unter den Dresdner Künstlern. Mit dem Jahr 1933 trat jedoch eine Zäsur in seinem Schaffen ein. Anfangs versuchte er sich noch gegen die neu einsetzende Kunstpolitik in Dresden zu wehren, siedelte aber schließlich 1934 nach Berlin über, da er dort auf eine freiere Kunst- und Kulturpolitik hoffte. Einen solchen, durchaus politisch bedingten Umzug nach Berlin gab es zu dieser Zeit auch bei beispielweise Jean Paul Schmitz, Ludwig Schwerin und Rudolf W. Heinisch. Rainer Zimmermann schreibt dazu:

„E.A. Mühler (1898) weicht in die Reichshauptstadt aus, nachdem er den Versuch unternommen hatte, die Dresdner Künstlervereinigung zu retten, dann aber alle Vereinigungen aufgelöst wurden; er konzentrierte sich von nun an auf die Innenarchitektur.“[Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 142]

Bei einem Bombenangriff auf Berlin 1943 ging ein Großteil seines jungen und mittleren Schaffens unwiederbringlich verloren. Und in dem folgenden Jahr kehrte er in seine Geburtsstadt zurück. Er beteiligte sich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg am künstlerischen Wiederaufbau und ist mit seinem Schaffen bei den maßgeblichen „Deutschen Kunstausstellungen“ vertreten. Dennoch bleibt sein Fokus vorerst auf seinem Wirken als Innenarchitekt, was mit zahlreichen Aufträgen und Verpflichtungen verbunden war. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1964 widmete er sich „nur“ in seiner Freizeit immer wieder der Kunst, auf die er im Späteren seine volle Aufmerksamkeit richten konnte.

Im Gegensatz zu dem früheren Schaffen, tritt in dieser eher späteren Phase die Figur gegenüber der Landschaft und der Umgebung zurück. Eine spezielle Vorliebe Mühlers liegt dabei auf Hafen- und Seestücken, wobei er diese oftmals in eine nächtliche Szenerie versetzte.
„In seinen Nachtstücken leuchten die Farben juwelenhaft auf. Ein sattes Blau gehört zu den charakteristischen Tönen seiner reichen Skala. Alle diese Seestücke haben etwas Traumhaftes und Lyrisches in ihrem Gesamttenor bei einem festen Bildgerüst.“ [Kunstausstellung Kühl (1968): Prof. E. A. Mühler. Kunstausstellung Kühl zeigt anlässlich seines 70. Geburtstages in der Zeit vom 24. Nov. – 30. Dez. 1968 Arbeiten aus den Jahren 1920 – 1968 [Katalog zur Ausstellung, mit einem Text von Fritz Löffler]; Dresden: EMZ-Druck]

Und weiter schreibt der Kunsthistoriker Fritz Löffler (1899 Dresden – 1988 ebd.) zu dieser Phase:
„Mehrere Landschaftserlebnisse halten ihn außer der Ostsee durch den letzten Lebensabschnitt gefangen. Es sind einmal die Erlebnisse, die ihm Reisen nach Italien, an das Schwarze Meer, nach Jugoslawien und in den Tessin vermittelten, zum anderen ist es die Sächsische Schweiz, in die er immer wieder zurückkehrte.“ [Ebd]

Das hier vorliegende Gemälde „Hafenlaterne“ ist in diese beschriebene, spätere Schaffensphase einzuordnen und explizit wird es dem Titelzusatz „Chioggia“ nach bei einer der von Löffler genannten Italienreisen entstanden sein. Mühler stand kurz vor seinem 60. Geburtstag, als Künstler und Innenarchitekt bereits voll etabliert, hat er hier vollends zu seinem eigenen Stil gefunden.

Die klare, durchdachte Formgebung und Konturensetzung verweisen dabei deutlich auf den Architekten. Links eine braune Vertikale, am unteren Rand eine dunklere Horizontale, an deren Winkel sich ein gräuliches Dreieck anschließt. Das ruhige, dunkelgrüne Wasser bildet eine weitere, wenn auch zurückgesetzte Fläche. Allein dies wirkt wie eine minimalistisch kühle Komposition des Konstruktivismus.
Erst das Schiff und die titelgebende Hafenlaterne entheben das Motiv der reinen Abstraktion. Neben der reduzierten Formensprache, ist hier auch die Reduktion des Kolorits offensichtlich. Mühler führt niemals im Detail aus, er deutet an und legt den Fokus viel stärker auf das Zusammenspiel der Farben. Wunderschön zeigt sich dies bei dem Hellrosa des Schiffes, vor dem schwarzen Hintergrund – zweifelsohne ein Kontrast, der aber durch die ruhige, menschenleere Stimmung abgeschwächt und ins Kontemplative, ja ins: ‚Lyrische‘ (Löffler), übertragen wird.

Bedenkt man, dass in dem 1971 von Marianne Mühler erstellten Werkverzeichnis das früheste Werk auf 1919 und das letzte Werk auf 1967 datieren, so ist die geringe Anzahl von gerade einmal 321 Objekten erstaunlich. Würde man hier nun noch allein die Ölgemälde betrachten, so sänke die Gesamtzahl nochmals deutlich [Marianne Mühler listet hier Ölgemälde, Mischtechniken, sowie Arbeiten in Tempera und Gouache gemeinsam auf]. Sicherlich ist dieser geringe Umfang auf zwei Aspekte zurückzuführen. Zum einen bildet der kriegsbedingte Verlust eine arge Fehlstelle innerhalb des Schaffens und zum anderen, ist es die Doppelbegabung als Künstler und Architekt, welche es nolens volens mit sich brachte, dass sich Mühler nicht immer voll der Kunst widmen konnte. Als Mühler dann 1964 seine Professur an der TU Dresden beendete und damit begann sich voll der Kunst zu widmen, blieben ihm nur noch wenige Jahre des intensiven Arbeitens vergönnt.

Diese „Hafenlaterne“ aus Chioggia ist ein wunderbares, bedauerlicherweise viel zu seltenes, Beispiel für den überaus eigenständigen, wie auch im besten Sinne: zeitlosen, künstlerischen Ausdruck Ernst Alfred Mühlers.

 

 

Zu Ernst Alfred Mühler (10.11.1898 Dresden – 12.01.1968 ebd.):
Maler, Bühnenbildner, Zeichner, Kunstpädagoge; er wuchs in einem Elternhaus auf, das besonders der Musik zugetan war; anfangs besuchte er Abendkurse an der Kunstgewerbeschule; 1916-23 Studium an der Kunstakademie Dresden (bei Richard Müller, Ferdinand Dorsch); zuletzt Meisterschüler bei Ludwig von Hofmann; das Studium wurde durch Kriegsdienst zeitweise unterbrochen, wobei er in dieser Zeit aber als Bühnenbildner in Valencienne arbeiten kann; neben dem Kunststudium besucht Mühler auch Vorlesungen zur Architektur und wird dabei v.a. von Heinrich Tessenow geprägt; 1924 erhält er eine Anstellung als Bühnenbildner an der Sächsischen Landesbühne Dresden; daneben ist er freischaffend tätig und gestaltet in den 1920er Jahren u.a. verschiedene Ausstellungen im Hygiene-Museum in Dresden; zu dieser Zeit u.a. Freundschaft mit Willy Jahn (1898-1973); 1930 illustriert er das Kinderbuch „…topp und schlacks, die beiden Pärchen“ von Herbert Roth (Dresden); 1934 Übersiedlung nach Berlin (Lützowufer 22), da er hier noch auf ein möglichst freies Kunst- und Kulturleben hofft; das malerische Werk wird in dieser Zeit aus wirtschaftlichen Gründen fast ganz zurückgestellt, stattdessen befasst sich Mühler mit innenarchitektonischen Arbeiten und gestaltet zahlreiche mitunter große Ausstellungen; 1937 beteiligt er sich an der Gestaltung der Abteilung des Staatlichen Museums zur Weltausstellung in Paris; 1943 wird durch einen Bombenangriff fast das gesamte bisherige Schaffen vernichtet; 1944 Rückkehr nach Dresden; 1953-64 Professor für Raum-Gestaltung und Formgebung an der TU Dresden; nach seiner Emeritierung widmet er sich erneut verstärkt der Malerei, die er aber nie ganz aufgegeben hatte; ab 1953 bis zu seinem Tod wohnte er in der Sonnenleite 7 (Weißer Hirsch) in Dresden; 1958 schuf er in seinem Wohngebiet in der Collenbuschstraße 4 die Inneneinrichtung der Martin-Andersen-Nexö-Gedenkstätte (seit 1990 nicht mehr zu besichtigen)

Ernst Alfred Mühler verstarb unerwartet mitten in der Vorbereitungszeit zu seiner großen Ausstellung in der Dresdner Galerie Kühl.

Mühler malte v.a. Landschaften, Badeszenen, (nächtliche) See- und Hafenansichten.

Er unternimmt zahlreiche Reisen in die Sächsische Schweiz, an die Ostsee, sowie auch ans Schwarze Meer, ins Tessin, nach Tirol, Jugoslawien, Schweden und Italien.

Mitgliedschaften: ab 1924 bis zu deren Auflösung 1934 Mitglied der „Dresdner Künstlervereinigung“ [ab 1929 Teil der Ausstellungsjury]; ab 1926 Deutscher Künstlerbund

Werke Mühlers befinden sich u.a. in der Galerie Neue Meister (Dresden), im Kupferstichkabinett in Dresden, im Dresdner Stadtmuseum, in den Städtischen Kunstsammlungen Freital, in den Stadtmuseen von Bautzen, Gera, Görlitz, Stralsund, Zwickau, sowie in der Ungarischen Nationalgalerie (Budapest).

Ausstellungen (Auswahl)
1926, Internationale Kunstausstellung, Dresden [Beteiligung]; 1930, Deutsche Kunstausstellung im Münchner Glaspalast [Beteiligung]; 1933, „Gemeinsame Ausstellung: 3 Künstlergruppen Dresden 1933“, Schloss, Dresden [Beteiligungen]; 1946-58, Allgemeine Deutsche Kunstausstellungen, Dresden [Beteiligungen]; 1968, Galerie Kühl, Dresden [Einzelausstellung]; Okt. 1971 – Jan. 1972, Galerie Neue Meister, Dresden [Einzelausstellung]; 1973 Städtisches Museum Zwickau [Einzelausstellung]

Literatur (Auswahl)
Kunstausstellung Kühl (1968): Prof. E. A. Mühler. Kunstausstellung Kühl zeigt anlässlich seines 70. Geburtstages in der Zeit vom 24. Nov. – 30. Dez. 1968 Arbeiten aus den Jahren 1920 – 1968 [Katalog zur Ausstellung, mit einem Text von Fritz Löffler]; Dresden: EMZ-Druck
Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.) (1971): Ernst Alfred Mühler [Katalog zur Ausstellung vom Okt. 1971 – Jan. 1972]; Dresden [mit einem von Marianne Mühler erstellten vorläufigen Werkverzeichnis auf den S. 39-55] Schölzel, Christoph (2002): Der vielseitige Künstler Ernst Alfred Mühler, in: Der Elbhang-Kurier, Ausgabe Juli 2002, Dresden: Friebel, S. 20, 22
Staps, Sven-Wieland: Ernst Alfred Mühler, in: „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Online-Version, Künstler-ID: 00064535
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 419

 

 

Auszug aus dem Werkverzeichnis (1971):