Erdsegen

Themenflyer

 

In Zeiten der Hektik und des Getriebenseins mag der eigene Blick immer mal wieder von der Gegen-wart und dem eigenen Umfeld abschweifen. Auf der Suche nach Ruhe, Beständigkeit und Natürlichkeit übt gerade das Landleben als Gegenpol zum modernen Stadtleben eine besondere Anziehung aus. Vor allem für bildende Künstler zeigt sich das dörflich bäuerliche Dasein wie ein Fixpunkt. Gründe hierfür mögen die Sehnsucht nach einer Tätigkeit in der Natur sein, vielleicht auch die Ausübung von ansonsten ungewohnter körperlicher Arbeit, oder das Eintreten ins ländliche Traditionsbewusstsein.

Ohne Zweifel war und ist das Landleben aber kein irdisches Elysium. Eine rege, oftmals den Tag voll ausfüllende Tätigkeit, sowie der Verzicht auf gewisse Annehmlichkeiten prägen das Leben in und mit der Natur. Blicken wir auf die bildenden Künstler, so lassen sich grob gesprochen zwei Pole ausmachen: zum einen die idealisierte, romantisch anmutende Darstellung und zum anderen die realistische, mitunter sozialkritische Sicht.

Erbe, Gutbrod und Hempfing sind in ihrem vornehmlich warmen Kolorit mehr dem idealisierenden Part zuzuordnen. Alle drei zeigen uns einen tiefen und breiten Landschaftsausschnitt über dem jeweils ein von Wolken bewegter Himmel liegt. Das Gold-gelb des Korns, das Blau des Himmels und das jeweils mittig eingefügte Grün der Bäume vermitteln unweigerlich die sommerliche Atmosphäre auf der (Schwäbischen) Alb (Erbe) bzw. bei Hiddensee (Hempfing). Der Mensch ist hier zu sehen als Teil der ihn umgebenden Natur, ist damit quasi eingefügt in einen größeren, das Leben bestimmenden Zusammenhang.

 

 

Bei den Arbeiten von Hillern-Flinsch, Ludwigs und Wagner, zeigen zumindest die beiden Letzteren eine ebenso schöne Bildtiefe, doch fehlt es an dem harmonisch sommerlichen Klang. Es mag besonders durch die sehr individuelle (Wagner) bzw. gedämpfte (Ludwigs) Farbgebung keine dementsprechende ländliche Idylle aufkommen. Dieser farblichen Brechung der Normalitätserwartung folgt auch die Darstellung des Menschen. Jener ist zwar ebenso wie bei der vorherigen Trias (Erbe, Gutbrod, Hempfing) auch in die Natur gesetzt, doch wird der Einzelne stärker fokussiert. Die individuelle Gestik und Mimik (Hillern-Flinsch) wird ebenso gezeigt, wie die Arbeit, besser: die harte Arbeit, der gebückt auf dem Feld stehenden und gehenden Menschen (Ludwigs, Wagner). Anstelle einer größeren, idyllischen Erzählung, werden wir konfrontiert mit Menschen, die ‚im Schweiße ihres Angesichts‘ für ihr tägliches Brot hart arbeiten müssen. Der Mensch lebt mehr von als mit der Natur; er muss der Natur seine Nahrung abringen.

Als gänzlich ohne Menschen und einzig bedacht auf das Darstellen bearbeiteter Felder und Äcker, zeigen sich die Werke von Fraaß und Heymann, die hier quasi eine Mittelrolle einnehmen. Das sommerliche Wetter und die Weite der Flächen lassen an eine anfangs beschriebene idealisierte Ländlichkeit denken, welche aber durch die Menschenleere einen zarten melancholischen Zug erfährt.

 

 

Unterschiedliche Auffassungen und unter-schiedliche Wahrnehmungen führten zu diesen beispielhaft ausgewählten Darstellungen. Begreift man in diesem Sinne die Kunst als ein Stück Natur, gesehen durch ein Temperament (Emile Zola), dann mag sich unser Verstehen wollender Blick auch auf den Künstler als Individuum richten. Nicht zuletzt mag dieser Blick ebenso einen Dialog zwischen Betrachter und Objekt zu entfalten und damit zu uns selbst zurückführen. Ob wir das Ländliche dann als ‚Erdsegen‘, als ‚frommes Elend‘ oder als etwas anderes empfinden, möge ein jeder bei sich selbst erspüren.

 

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