J O H A N N G E O R G S T R O B E L
„Lud. Wilhl. Christ. / v. Woellwarth Laubach“
Öl auf Leinwand; doubliert; gerahmt
Rahmengrösse: 99,5×80,5cm
Leinwandgrösse: 85x66cm
nicht signiert; verso u.r. (wohl) von fremder Hand bez. „J.G. Strobel pinxit 1780“
verso mittig (wohl) von fremder Hand bez. „Lud. Wilhl. Christ. / v. Woellwarth Laubach“; sowie nochmals verso u.r. auf aufgeklebtem Papier in schwarzer Tinte alt bez. „Ludwig Wilhelm Christoph Frhr. von Woellwarth-Laubach +19. Juni 1789 zu Laubach unverheiratet“
€ 3.100,-
Zustand
Leinwand doubliert; zahlreiche Retuschen/Ausbesserungen; durchgehend Craquelé-Bildung; im Bereich o.r. (auf Nasenhöhe, etwa 15cm von Nase entfernt) leichte, ausgebesserte Druckstelle; verso Leinwand fleckig/beschmutzt
Provenienz
28.10.2006, Kaupp, Sulzburg, Auktion [Herbstauktion], Los 2192
Das vorliegende Gemälde entstand der rückseitigen Datierung entsprechend 1780, und damit zu einer Zeit als Johann Georg Strobel bereits gut 20 Jahre in Schwäbisch Gmünd ansässig war und sich dort bereits als Portrait- und Kirchenmaler, sowie als Zeichenlehrer etablierte. In Schwäbisch Gmünd hatte Strobel einen großen Kunden- und Interessentenkreis aus Adel und Bürgertum, welcher den Wunsch nach einem Portrait und damit den Wunsch nach einer ideal in Szene gesetzten Selbstdarstellung hatte. So portraitierte Strobel u.a. den Kaufmann Franziskus Dominikus Bommas (1719-1802), den Bürgermeister (Amtszeit von 1753 bis 1785) von Gmünd Joseph Ferdinand Anton Sorr v. Ostrach (1715-1785), den Handelsmann und Goldschmied Johannes Debler (1681-1761).
Auf unserem Gemälde von 1780 zeigt Strobel das Bildnis von Ludwig Wilhelm Christoph Freiherr von Woellwarth-Laubach (1719 – 19.06.1789 Laubach). Die für Strobel typische, den Wünschen seiner Kunden entsprechende Malweise zeigt sich hier exemplarisch. „In aller Regel als Dreiviertelfigur und in Frontalansicht positioniert, verzichtete Strobel in seiner stereotypen Aufteilung des Bildfeldes nahezu gänzlich auf Raum- und Tiefenwirkung, Plastizität, Hintergrundkulisse und individualisierte Körperlichkeit. Stattdessen bediente er sich aus stets demselben Repertoir [sic] an Requisiten für Kleidung, Frisur, Farben, Stoffe, Accessoires, Blumen, Fächer, Schmuck und anderen Utensilien und drapierte diese um das wichtigste und für seinen Auftraggeber informativste Formelement – das Gesicht. Nach diesem Verfahren schuf Strobel eine Montage aus erstarrten ‚Anziehpuppen‘, deren leblose und hölzerne Körper zu Trägern wertvoller Informationen gerieten; mit feinem Pinselstrich und Freude am Detail gemalt, erteilen diese sog. ‚Beigaben‘ Auskunft über den Wohlstand, die berufliche Karriere, die Kultur und die bedeutende Position der Porträtierten im hierarchischen Gefüge der reichsstädtischen Gmünder Gesellschaft“ (Monika Boosen / Gabriele Holthuis (2001): Das Porträt im Barock. Johann Georg Strobel. Malerei und Grafik [Museumskatalog Nr. 12, Reihe Museum im Prediger]; Schwäbisch Gmünd; S. 7).
Bei Ludwig Wilhelm Christoph v. Woellwarth ist es gerade das Gesicht des damals 61jährigen, das die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht. Daneben ist die durchaus kostbare und elegante Kleidung bezeichnet für die beschriebene Vorgehensweise Strobels.
Herausragende spätbarocke Portraitmalerei!
Ludwig Wilhelm Christoph Freiherr von Woellwarth-Laubach (1719 – 19.06.[?]1789 Laubach)
Ältester Sohn des Christoph Sigmund II. von Woellwarth (29.08.1691 Laubach – 25.02.1725) und der Kunigunde Margarete Schilling von Canstatt (18.01.1698 – 25.06.1733). Seine Geschwister waren Johann Wolfgang Friedrich (1721-1788; 1772 verh. mit Christiane Friderike Ernestine von Hanstein (?-1798)), Maximilian Philipp Ernst (1722-1751; verh. mit Dorothea Felicitas von Bernerdin) und Henriette Elisabeth Charletta (1724-1795; 1740 verh. mit Philipp Adolph von Wechmar (1704-?)).
Nach dem frühen Tod des Vaters übernahm Carl Ludwig von Woellwarth-Lauterburg (1682-1753) die Vormundschaft für die Geschwister.
Nachdem sein jüngerer Bruder Maximilian während einer Jagd durch einen Sturz vom Pferd starb, übernahm Ludwig Wilhelm Christoph die Vormundschaft für dessen Sohn Ludwig Christian (21.02.1749-16.09.1802).
In der Zeit zwischen 1760 und 1790 beliefen sich die aufgelaufenen Verbindlichkeiten von Ludwig Wilhelm Christoph auf zusammen 33.500,- Gulden.
Ludwig Wilhelm Christoph blieb unvermählt. Er hinterließ keine Nachkommen.
Literatur
Königlich statistisch-topographisches Bureau (Hrsg.) (1854): Beschreibung des Oberamts Aalen; S. 165
HOFMANN, Norbert (Bearb.) (1991): Archiv der Freiherren von Woellwarth. Urkundenregesten 1359-1840; Stuttgart: Kohlhammer; Regesten-Nr. 10-12, 19-21, 82-86
KOLLMER, Gert (1979: Die schwäbische Reichsritterschaft zwischen Westfälischem Frieden und Reichsdeputationshauptschluß. Untersuchung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Reichsritterschaft in den Ritterkantonen Neckar – Schwarzwald und Kocher; Stuttgart: Müller & Gräff; S. 366
SCHILLING VON CANSTATT, Carl Friedrich (1807):Geschlechts-Beschreibung derer Familien von Schilling; Karlsruhe: Müllerische Hofdruckerei; S. 174 (Tab. XXXV)
Zu Johann Georg Strobel (17.04.1735 Wallerstein (bei Nördlingen) – 24.05.1792 Schwäbisch Gmünd):
Maler, Zeichenlehrer; Sohn eines Handelsvertreters; anfänglich wohl künstlerische Ausbildung bei Anton Joseph von Brenner; 1760 Übersiedlung nach Schwäbisch Gmünd; am 1.9.1763 erhält er das Bürgerrecht; 1768 Heirat mit der Malerin Juliane Seyboldt, die Ehe bleibt kinderlos; 1776 Berufung an die Zeichenschule (heute: Gewerbeschule Schwäbisch Gmünd in der Heidenheimer Str. 1) als ‚Zeichnungsmeister und Instruktor‘, am 01.06.1776 nahm Strobel mit sechs bis acht Bürgersöhnen und zwei Schülern aus dem Waisenhaus den Unterricht auf (in Kürze wuchs die Schülerzahl an); Strobel war in Schwäbisch Gmünd vor allem als Portrait- und Kirchenmaler tätig; nach Strobels Tod heiratet seine Witwe am 8.7.1797 Franz Anton Krabacher, der vormals Strobels Schüler war und nach dessen Tod seine Werkstatt übernahm
Strobel schuf wohl etwa 100 Bildnisse auf private Aufträge hin; ein Großteil des Schaffens (über 60 Portraits und mehr als 50 Zeichnungen) befindet sich im Museum im Prediger (Schwäbisch Gmünd)
1914 große Strobel-Ausstellung mit etwa 100 Gemälden, Schwäbisch Gmünd; Februar-Juni 2001 Ausstellung „Das Porträt im Barock. Johann Georg Strobel (1735 – 1792)“, Museum im Prediger, Schwäbisch Gmünd
Strobel führte mehrere öffentliche Aufträge aus, darunter u.a. 1764 zwei Altarbilder für die Seitenaltäre der Franziskanerkirche in Schwäbisch Gmünd (hierfür erhielt er 100 Gulden); um 1770 einen 14teiligen Kreuzweg für die Jakobuskirche in Bargau; 1773 eine Darstellung des Hl. Franziskus für den Hochaltar der Unterböbinger Kirche; 1784 ein Kongregationsbild für den nördlichen Seitenaltar in der Johanniskirche in Schwäbisch Gmünd; 1785 die Vergoldung der Uhrtafel am Rathaus in Schwäbisch Gmünd (hierfür erhielt er 100 Gulden)
Literatur
BOOSEN, Monika / HOLTHUIS, Gabriele (2001): Das Porträt im Barock. Johann Georg Strobel. Malerei und Grafik [Museumskatalog Nr. 12, Reihe Museum im Prediger]; Schwäbisch Gmünd
KLEIN, Walter (1923): Johann Michael Keller. Sein Werk und seine Mitarbeiter [Gmünder Kunst Band III]; Stuttgart: Greiner & Pfeiffer; S. 129-136
KOSKULL, Maximilian Baron von: Johann Georg Strobel, in: „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion
MÜLLER, Hartmut (1984): Frömmigkeit, Fresken und Filigran. Kulturelles Leben im 17. und 18. Jahrhundert, in: Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd (Hrsg.): Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd; Stuttgart: Konrad Theiss; S. 245-264 [hier: 262]
NAGEL, Gert K. (1986): Schwäbisches Künstlerlexikon; Kunst & Antiquitäten; S. 118