T R Ü G E R I S C H E   I D Y L L E N

Themenflyer

 

Die Landschaft ist eines der zentralen Themen der Kunst. Oftmals sind es ruhige, stimmungsvolle Ansichten, die persönliche Erinnerungen, Fernweh oder die Sehnsucht nach Harmonie hervorrufen können. Daneben gibt es aber auch Darstellungen, die dem Betrachter ein ganz anderes, eher mulmiges Gefühl vermitteln. Ein nur vordergründiger Gegensatz, der zu wirkmächtigen Motiven führen kann. Derart „trügerische Idyllen“ sind der Form nach angehalten uns ein ruhiges Bild vorzuführen, doch sind Ausführung und auch Bildinhalt so gewendet, dass sich keine Ruhe, keine Harmonie einstellen mag.

Bei Berndt, Kallmann und Weilhammer sehen wir jeweils dörflich ländliche Szenerien. Alle drei Motive sind – warum auch immer – menschenleer. Es zeigen sich nur die Gebäude, was unweigerlich zu der Frage führt, ob diese überhaupt noch bewohnt sind. Es ist eine merkwürdige Einsamkeit des Betrachters, die nicht zu vergleichen ist mit der Einsamkeit in einem Wald oder auf einer Wiese, denn hier gibt es durch die Gebäude Anzeichen auf Menschen, ohne, dass wir diese sehen können. Demnach muss etwas Außeralltägliches vorliegen, was diese Motive so verwaist. – Ist unser Erscheinen zu spät am Abend wie bei Kallmann, gar in der Nacht wie es Weilhammer vermuten lässt oder halten andere Gründe die Menschen in den Häusern? Einen Schritt weiter geht Berndt, der eine infauste Uniformität der Gebäude in die alpine Gebirgslandschaft einfügt. Ob die dortigen Bewohner ebenso uniform sind? Glücklicherweise befinden wir uns in einem Auto und sehen diese dystopische Ansicht nur im Vorbeifahren.

 

 

Zu einer gewissen Belebung kommt es bei Dreher und auch bei der Dorfszene eines unbekannten, belgischen Künstlers. Bei Letzterem stehen die kleinen Häuser eng beieinander, ein Mann redet mit einer Frau und über allem liegt ein blauer Himmel. Aber da ist doch ein Unbehagen in der Luft dieser merkwürdig naiven Malerei, das uns als Beobachter beschleicht. Konkret ausgedrückt wird dies durch das Tier unten rechts, welches uns zweifelsohne bemerkt hat. Bei Dreher öffnet sich die Landschaft weit und der Mensch wird klein. Der einzelne Reiter zieht samt Hund dem Gebäude links entgegen, wo die ländliche Idylle aus sanften Hügeln und Feldern liegt. Doch was sich da hinter dem Mann auftürmt, ist kein bloßes Gewitter, sondern vielmehr ein existenzieller Wolkenbruch, der mit den rötlich-schwarzen Wolken unweigerlich an den verheerenden Weltkrieg denken lässt.

 

Richard Dreher (1875-1932)
„Sturmlandschaft“, 1918, Öl/Lw., 74 x 100 cm, signiert, 6.800€

 

Etwas nochmals Anderes zeigen Bergquist und Diekmann. Hier sind wir nicht mehr bloße Beobachter, sondern miteinbezogen ins Geschehen. Mehr noch: wir sind die Beobachteten. Bei Bergquist befinden wir uns in häuslicher Sicherheit. Doch beim Blick aus dem Fenster treffen sich unsere Augen mit jenen des Künstlers, der uns fixiert und zu uns hereinblickt. Steht er dort nur zufällig oder wartete er womöglich davor? Ganz ähnlich ist es bei Diekmann, wenn uns ein Mann mit Schnauzbart über die Mauer hinweg anblickt. Links und rechts kleine Pflanzenstücke, die einen Garten andeuten, aber die Zurückgezogenheit des heimischen Gartens ist hier gänzlich auf den Kopf gestellt. Es herrscht ein unangenehmes Gefühl der Beklemmung.

 

 

All diese Werke gehören vordergründig einem ruhig harmonischen Sujet an, werden aber von den Künstlern so gedreht, dass es für uns Betrachter zu einer Brechung der Normalitätserwartung kommt, was zu einem eigentümlich reizvollen Ergründen voller Bangnis und Neugier führt. Sicherlich sind solch trügerische Idyllen eine „schwerere Kost“ als manch andere Motive, aber zugleich werfen sie uns doch zurück auf uns selbst und können vielleicht gerade dadurch etwas anrühren.

Mit ganz herzlichen Grüßen
Ihr Maximilian v. Koskull
 
 

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