H A N S J Ü R G E N K A L L M A N N (20.05.1908 Wollstein (Posen) – 06.03.1991 Pullach)
„Abendröte über den Dächern“ (wohl 1940)
Pastellkreiden auf Velinpapier, komplett aufgezogen auf Karton, ungerahmt
€ 2.200,-
Titel
„Abendröte über den Dächern“ [so verso am Karton oben etwas farbschwach in Blei betitelt]
Technik
Pastellkreiden auf Velinpapier, komplett aufgezogen auf Karton, ungerahmt
Signatur
unten rechts signiert „Kallmann“
Jahr
undatiert [wohl 1940]
Größe
Größe: 88 x 66,5 cm (Blatt) bzw. 100,2 x 80,1 cm (Passepartout) bzw. 86,8 x 65,3 cm (Passepartoutauschnitt)
Zustand
Blatt komplett aufgezogen auf Karton; leicht fleckig; unterlegter Karton verso fleckig und berieben; Passepartoutmaske an Ecken / Kanten etwas bestoßen
Werkbeschreibung
Hans Jürgen Kallmann war Sohn des Arztes Georg Samuel Gotthold Kallmann (1865-1950) und dessen Ehefrau Ferdinande Wilhelmine Martha, geb. Hoegg (1874-1950). Nach dem Ersten Weltkrieg muss die Familie ihren Heimatort verlassen und kommt nach Halle (Saale). Dort legt Hans Jürgen Kallmann 1925 das Abitur ab und beginnt ein Medizinstudium. Um diese Zeit erscheinen in den „Halleschen Nachrichten“ und der „Saale Zeitung“ erste Abbildungen von Schauspieler-Portraits Kallmanns.
1930 bricht er das Studium ab und zieht nach Berlin, wo er zunächst die Meisterklasse Emil Orliks an den „Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst“ besucht, dies aber nach einem Semester abbricht. Er bildet sich autodidaktisch weiter und erhält dabei Förderung durch Max Slevogt mit dem er bis zu dessen Tod 1932 eng verbunden bleibt. Er erhält erste Portraitaufträge. Bei einer Juryfreien-Ausstellung 1931 kann er das erste Mal seine Werke (Portraits) der Öffentlichkeit zeigen.
Am 30. Dezember 1933 heiratet er die deutlich ältere, geschiedene Paula Emma Engel, geb. Schödl (1898 Karlsbad – 1989).
Es stellen sich für Kallmann erste wichtige Erfolge ein. 1934 wird ihm der Rompreis zuerkannt, 1935 erhält er den Preis der Abraham-Lincoln-Stiftung und 1936 den Hessischen Staatspreis.
Ein signifikanter Einschnitt ist 1937 die Beschlagnahme von insgesamt sechs Werken als „entartet“. Das in Köln beschlagnahmte Gemälde „Hyäne in der Nacht“ wird zudem 1937 bei der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ vorgeführt. Hans Jürgen Kallmann gilt als „jüngster ‚Entarteter‘“. In der Folge kann er vornehmlich nur noch an private Sammlerfreunde verkaufen und aus dem öffentlichen Kunstbetrieb zieht er sich, abgesehen von wenigen nachweisbaren Ausstellungsbeteiligungen, zurück.
Im Januar 1939 kann Kallmann in der Pariser Galerie Charpentier ausstellen, lernt dabei Picasso und Chagall kennen, die er auch porträtiert.
In Berlin ist Kallmann Ateliernachbar (Klosterstraße) von Käthe Kollwitz, die er ebenso porträtiert. Neben zahlreichen Schauspielerporträts, die er am Berliner Theater malt, entstehen in dieser Zeit vor allem großformatige Tierbilder und (naturmythische) Landschaften.
Ab 1940 hat er immer wieder Aufenthalte in Tarranz (Tirol) und von 1944 bis 1946 ist dort sein ständiger Wohnsitz.
Durch Kriegseinwirkung verliert Kallmann einen Großteil seines damaligen Schaffens – allein bei den Ölbildern verzeichnet er 364 Verluste.
Nach dem Krieg kann Kallmann an zahlreichen Ausstellungen teilnehmen und auch Einzelausstellungen vorweisen. Die Presse lobt ihn und 1948 erscheint die erste Publikation über sein Werk von Carl Linfert („Hans Jürgen Kallmann. Pastelle und Zeichnungen“, Dietmannsried – Heidelberg).
Zwischen 1949 und 1952 leitet er eine Meisterklasse für Akt und Porträt in Caracas. Zugleich erhält er einen Staatsauftrag für ein neues Wappen Venezuelas und für ein Bildnis des Staatsgründers Bolivar.
1952 kehrt er nach München zurück und bezieht eine Wohnung in Pullach.
Ab Mitte der 1950er Jahre wird Kallmann als Porträtmaler bekannt und es entstehen Bildnisse von u. a. Bertolt Brecht, Theodor Heuss, Tilla Durieux, Hans Knappertsbusch, Konrad Adenauer, Otto Hahn, Papst Johannes XXIII.
1973 wird ihm der Bayerische Verdienstorden verliehen, 1977 erhält er die Goldene Medaille der Humboldt-Gesellschaft und 1990 das Große Bundesverdienstkreuz.
Die vorliegende, großformatige Zeichnung zeigt einen Blick auf einen menschenleeren Dorfrand im Abendlicht. Der Vordergrund ist schon beinahe ganz verdunkelt und die Fassaden der Häuser heben sich düster von dem verglühenden Schein der untergehenden Sonne ab. Darüber liegt ein tiefer, grau dunkler Himmel.
Kallmann hat seine Werke vornehmlich nicht datiert, so dass eine zeitliche Einordnung oftmals diffizil ist. Bezogen auf die Technik, die sich hier noch nicht als eine Mischung aus Tempera und Pastell zeigt, und auf das Motiv ist ein Kontext um 1940 plausibel, als Kallmann jene „naturmythischen Landschaften“ schuf. [1] Landschaften, „in denen ein einsamer Weg ins Unendliche führt, sich knorrige Weiden gegen einen zerfetzte Himmel recken.“ [2] Bedenkt man, dass Kallmann einen Großteil seines früheren Schaffens kriegsbedingt verlor, so liegt auch hierin eine Besonderheit dieser eindrucksvollen „Abendröte“.
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[1] Weiterhin gibt es exakt im Jahr 1940 mit der Pastellzeichnung „Schlafendes Dorf“ eine der wenigen datierten Arbeiten, welche zudem im Motiv und der Ausführung deutliche Bezüge zu der vorliegenden „Abendröte“ erlaubt. Das „schlafende Dorf“ kam am 2.12.2000 bei Ketterer (München) zur Versteigerung (Los 201).
[2] Gerda Haddenhorst (1989): Natur und Phantasie in den Bildern von Hans Jürgen Kallmann, München, S. 59.
Zu Hans Jürgen Kallmann (20.05.1908 Wollstein (Posen) – 06.03.1991 Pullach):
Maler, Zeichner.
Sohn des Arztes Georg Samuel Gotthold Kallmann (1865-1950) und dessen Ehefrau Ferdinande Wilhelmine Martha, geb. Hoegg (1874-1950).
Nach dem Ersten Weltkrieg muss die Familie ihren Heimatort verlassen und kommt nach Halle (Saale). 1925 Abitur und Beginn des Medizinstudiums. Um diese Zeit erscheinen in den „Halleschen Nachrichten“ und der „Saale Zeitung“ erste Abbildungen von Schauspieler-Portraits Kallmanns.
1930 Studienabbruch, Umzug nach Berlin. Dort Besuch der Meisterklasse Emil Orliks an den „Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst“, was er aber nach einem Semester abbricht. Autodidaktische Weiterbildung, sowie Förderung durch Max Slevogt mit dem er bis zu dessen Tod 1932 eng verbunden bleibt. Er erhält erste Portraitaufträge.
30. Dezember 1933 Heirat mit Paula Emma Engel, geb. Schödl (1898 Karlsbad – 1989).
1937 Beschlagnahme von insgesamt sechs Werken als „entartet“. Das in Köln beschlagnahmte Gemälde „Hyäne in der Nacht“ wird zudem 1937 bei der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ vorgeführt. Hans Jürgen Kallmann gilt als „jüngster ‚Entarteter‘“. In der Folge kann er vornehmlich nur noch an private Sammlerfreunde verkaufen und aus dem öffentlichen Kunstbetrieb zieht er sich, abgesehen von wenigen nachweisbaren Ausstellungsbeteiligungen, zurück.
In Berlin ist Kallmann Ateliernachbar (Klosterstraße) von Käthe Kollwitz, die er ebenso porträtiert. Neben zahlreichen Schauspielerporträts, die er am Berliner Theater malt, entstehen in dieser Zeit vor allem großformatige Tierbilder und (naturmythische) Landschaften.
Ab 1940 hat er immer wieder Aufenthalte in Tarranz (Tirol) und von 1944 bis 1946 ist dort sein ständiger Wohnsitz.
Durch Kriegseinwirkung verliert Kallmann einen Großteil seines damaligen Schaffens.
Nach dem Krieg kann Kallmann an zahlreichen Ausstellungen teilnehmen und auch Einzelausstellungen vorweisen.
Zwischen 1949 und 1952 leitet er eine Meisterklasse für Akt und Porträt in Caracas. Zugleich erhält er einen Staatsauftrag für ein neues Wappen Venezuelas und für ein Bildnis des Staatsgründers Bolivar.
1952 kehrt er nach München zurück und bezieht eine Wohnung in Pullach.
Ab Mitte der 1950er Jahre wird Kallmann als Porträtmaler bekannt und es entstehen Bildnisse von u. a. Bertolt Brecht, Theodor Heuss, Tilla Durieux, Hans Knappertsbusch, Konrad Adenauer, Otto Hahn, Papst Johannes XXIII.
Preise / Ehrungen:
1934 Rompreis
1935 Preis der Abraham-Lincoln-Stiftung
1936 Hessischer Staatspreis
1973 Bayerischer Verdienstorden
1977 Goldene Medaille der Humboldt-Gesellschaft
1990 das Große Bundesverdienstkreuz
Sammlungen
Stadtmuseum Berlin
Städel Museum (Frankfurt a. M.)
Kallmann-Museum (Ismaning)
Museum Ludwig (Köln), Lenbachhaus (München)
Theater-Museum (München)
Bayerische Staatsgemäldesammlungen (München)
Museo Nazionale (Rom)
Märkisches Museum (Witten)
Literatur (Auswahl)
— Haddenhorst, Gerda (1989): Natur und Phantasie in den Bildern von Hans Jürgen Kallmann, München
— Haddenhorst, Gerda (1978): Hans Jürgen Kallmann. Was ist aus ihm geworden? München: Bruckmann
— Kallmann, Hans Jürgen (1983): Menschengesichter, München: Bruckmann
— Kallmann-Stiftung (Hrsg.) (1992): Hans Jürgen Kallmann, Reutlingen: Harwalik GmbH
— Kallmann-Museum Ismaning (Hrsg.) (2002): Hans Jürgen Kallmann, Malerei, Zeichnung, Pastell. 10 Jahre Kallmann-Museum, München: Rehmbrand GmbH
— Kallmann-Museum Ismaning (Hrsg.) (1998): „Zeitgeschichte im Porträt“. Malerei, Zeichnung, Fotografie
— Staps, Sven-Wieland: Hans Jürgen Kallmann, in: „Allgemeines Künstlerlexikon / Artists of the World“, Onlineversion