“  E i n t a u c h e n   i n   d i e   a r c h a i s c h e   S t i l l e . . .“

Themenflyer

Buch und Schrift in der Kunst

Bild und Buch scheinen auf den ersten Blick zwei ganz verschiedene Medien zu sein und doch zeigen sich bei näherer Betrachtung wesentliche Verbindungen und Gemeinsamkeiten. Sowohl das Lesen in einem Buch als auch das Betrachten eines Bildes sind primär individuelle, geistige Leistungen. Dieses „Eintauchen in die archaische Stille des Buches“ (Walter Benjamin) hat dabei Künstler immer wieder zu Motiven gereizt. – Sei es in der Darstellung von Lesenden (R. Dreher) oder schlicht von, zu einem Stillleben arrangierten, Büchern oder Schriften (L. Kornsand, M. Gaisser).
Der individuellen Abgeschlossenheit und Ruhe, welche Lesende und Bücher an sich vermitteln, haben Künstler dabei auf ganz unterschiedliche Weise Ausdruck verliehen. Mal ganz flüchtig, beinahe intim wie in Richard Drehers Zeichnung, in der der Lesende unter einem Baum sitzend so in die Lektüre vertieft ist, dass sich ihm selbst ein Eichhörnchen unmittelbar nähern kann. Das Selbstbildnis von Hans Busse ist dagegen weitaus dunkler und der uns anblickende Künstler macht hier eher den Eindruck, als ob er nur äußerst ungern sich vom Buch abwendet, wir ihn quasi in seinem „Eintauchen“ stören.

 

 

Neben dieses stets beliebte Sujet trat ab dem 20. Jahrhundert eine Neuerung im Verhältnis von Bild und Buch auf. Wurde bislang das Bild durch die Darstellung des Subjektes (Leser) bzw. des Objektes (Buch) bestimmt, so blieb es dadurch doch weiterhin Bild und wollte betrachtet werden. Nun aber kam die Schrift in das Bild, ja man kann sagen: wurde zum Bild. Und mit Else Lasker-Schüler gesprochen: „Die Schrift ist ein Bild für sich und hat nichts mit dem Inhalt zu tun.“ Man denke hier an die „Schriftbil-der“ Paul Klees sowie später an die melancholisch emotionalen, „linkischen“ Werke Cy Twomblys, die mit oftmals wiederholten Linienstrukturen Wörter und Schrift andeuten, ohne aber dass der Betrachter einen eindeutigen Sinn hieraus rekonstruieren kann.
Derartige Chiffren finden sich auch immer wieder im Schaffen Klaus Neupers als ein „Ort der Reflexion und Selbsterfahrung“ (Dirk Martin). Exemplarisch zu sehen ist dies in dem eindrucksvoll großformatigen Porta-Diptychon.
Während bei Neuper die Intuition gegenüber der Ratio obwiegt, das (scheinbar) zufällige, emotionale Element das Entscheidende ist, so dreht sich dieses Verhältnis bei Sabine Ebel um. Ihre künstlerische Interpretation des Gedichtes „Geh weiter“ (Walter Helmut Fritz) ist ein wunderbares Beispiel für eigenwillige Kalligraphie – die Buchstaben sind eng aneinandergereiht, was anfangs keinen Text, sondern vielmehr ein (Text-)Bild ergibt. Erst durch das Einlassen auf dieses „Bild“ eröffnet sich dessen lesbarer Inhalt, der zudem eindrücklich mit dem Schriftbild korrespondiert.

 

 

Nicht mehr „lesbar“ ist dagegen die feine Federzeichnung, die aus vielen kleinen (Schrift-)Elementen auf wundersame Weise ein nicht näher bestimmbares Ganzes bildet – es wirkt geordnet, harmonisch, beinahe lyrisch.
Bild und Zeichnung, Buch und Schrift sprechen stets den Einzelnen an, der sich, unter dem Preis des notwendigen Rückzugs aus dem Alltag, hierauf einlassen muss, daraus aber ungeahnt bereichert wieder auftauchen kann. In Rilkes „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ ist dies in einer Bibliotheksszene fast schon sehnsuchtsvoll beschrieben: „Ich sitze und lese einen Dichter. Es sind viele Leute im Saal, aber man spürt sie nicht. Sie sind in den Büchern. Manchmal bewegen sie sich in den Blättern, wie Menschen, die schlafen und sich umwenden zwischen zwei Träumen. Ach, wie gut es doch ist, unter lesenden Menschen zu sein.“

Und damit wünsche ich Ihnen von Herzen ein frohes Betrachten und neugieriges „Lesen“
Ihr Maximilian v. Koskull
 
 

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