H E L M U T    M E Y E R – W E I N G A R T E N    (26.09.1911 Weingarten – 28.02.1994 Karlsruhe)

 

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„Stilleben m. weisser Kanne“ (1950)

Öl auf festem Karton, gerahmt
unten rechts datiert „[19]50“, sowie verso nochmals ebenso datiert

€ 1.500,-

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Titel
verso vom Künstler betitelt „Stilleben m. weisser Kanne“

Signatur
unten rechts monogrammiert „M“, sowie verso vom Künstler mit damaliger Adresse bezeichnet „H. Meyer-Weingarten / Karlsruhe / Akademiestr. 26“, sowie verso unten mittig auf Sammlungsetikett der KLV mit Künstlernamen bezeichnet

Größe
Größe: 53 x 63 cm (ohne Rahmen) bzw. 60,1 x 70,5 cm (mit Rahmen)

Zustand
partiell leicht fleckig; etwas staubig; Karton leicht gewölbt; an Kanten etwas berieben; im Eckbereich unten rechts (bei Monogramm & Datierung) sehr kleiner Verlust der Farbschicht (etwa 3x2mm); im Bereich oben rechts (im blauen Farbfeld) leichte oberflächliche Kratzspur
Verso etwas fleckig, sowie mitunter etwas berieben, sowie oben rechts in blauem Kugelschreiber mit Maßen bez. „65x54cm“ (wohl von Rahmenmacher)

Provenienz
Vormals Teil der Kunstsammlung der „Karlsruher Lebensversicherung AG“ (Friedrich-Scholl-Platz, Karlsruhe).
Hierzu verso unten mittig Sammlungsetikett mit handschriftlichen Angaben (Künstlername und Inv.Nr.), sowie rechts daneben auf dem Karton nochmals groß die Inv.Nr. („KLV0296B“)

 

 

„Nach der erzwungenen Unterbrechung von nahezu anderthalb Jahrzehnten und dem Verlust fast seines gesamten Frühwerks wendet sich Meyer-Weingarten neben seinem kulturpolitischen und kunstpädagogischen Engagement nun auch wieder der eigenen künstlerischen Arbeit zu. Ausgangspunkt seiner Bildfindungen, die sich bis Ende der 1950er Jahre ausschließlich im traditionellen Themenkreis von Landschaft, Porträt, Akt und Stillleben bewegen, sind visuelle Eindrücke aus dem alltäglichen Lebensumfeld. Betrachtet man sein Schaffen im hier vorgestellten Zeitraum im Überblick, so lassen die verschiedenen Werkphasen keine Brüche oder radikalen Wandlungen erkennen. Unterschiedliche stilistische Akzente ergeben sich jedoch durch die Auseinandersetzung mit wechselnden Protagonisten der Klassischen Moderne, insbesondere Paul Cézanne, Georges Braque, Henri Matisse und Pablo Picasso bzw. später mit Künstlern der abstrakten Richtungen. Insgesamt verläuft die Entwicklung von einer flüssigen, eher atmosphärischen, zuweilen kleinteilig aufgelösten Malweise hin zu einem zunehmend verfestigten Bildgefüge mit Betonung des Flächencharakters, breitpinseligem Auftrag und summarischer Behandlung der Details, während sich die Farbigkeit von der zunächst gedämpften Palette zu expressiver, leuchtender Intensität wandelt.“ [1]

Das hier vorliegende „Stillleben mit weißer Kanne“ entstand 1950 und damit in den frühen Jahren der Nachkriegszeit.
Helmut Meyer-Weingarten ist zu dieser Zeit stark engagiert im Kunst- und Kulturleben und, dass dieses Engagement sich nicht nur auf seine badische Heimat beschränkte, belegt nicht zuletzt seine Tätigkeit im „Koordinierungsausschuss Bildender Künstler Deutschlands“, der den Austausch und die Annäherung von ost- und westdeutschen Künstlern zum Ziel hatte [2].
Zum Lebensunterhalt war er zu der Zeit Mal- und Zeichenlehrer bei den in Karlsruhe stationierten US-Streitkräften. Erst ein paar Jahre später (1954) übernahm er die Leitung der Mal- und Zeichenklasse an der Volkshochschule Karlsruhe und behielt diese Stelle dann bis zum Jahr 1983.

Man mag bei diesem Stillleben, dem Aufbau und den ausgewählten Objekten an sich unweigerlich an Werke von Georges Braque denken, obgleich hier Meyer-Weingarten nicht dieselbe starke kubistische Zerlegung vornahm, wie der Franzose. Über einem hellbraunen Holztisch liegt eine markant grüne Decke und auf dieser Decke bereitet der Künstler nun sein Arrangement aus. – Links vorne eine große schwarze Schale bzw. ein Tablett mit der titelgebenden weißen Kanne, einer kleinen Schale mit grünen Äpfeln und einer roten Schachtel. Rechts auf dem Tisch, teilweise von dem Tablett verdeckt, liegt ein aufgeschlagenes Heft und an der hinteren Tischkante sieht man noch einen weiteren Apfel.
Das gesamte Arrangement wirkt nun durch den blauen Teilhintergrund wie eingerahmt und der Künstler erreicht durch dieses umgebende kräftige Blau eine beruhigende Wirkung, denn innerhalb des Stilllebens gibt es gerade durch das Rot der Schachtel und das Dunkelgrün des Tisches kräftige Kontrastierung von Komplementärfarben.
Formal gesehen erscheint die weiße Kanne wie ein zentraler Ruhepol, während links das viele Falten werfende Tuch der Obstschale sich ausbreitet und rechts das aufgeschlagene Heft mit seinem Bogen eine weitere Spannung andeutet.

Ein sehr schön ausgeführtes, farblich und formal durchdachtes Werk aus einer für den Künstler wichtigen Schaffensphase.

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[1] Merkel, Ursula (2011): Helmut Meyer-Weingarten. Gedanken zu Leben und Werk, in: Helmut Meyer-Weingarten zum 100. Geburtstag“, EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Karlsruhe (Ausstellungskatalog), S. 9-12 [hier: 10].
[2] Siehe dazu: Zimmer, Andreas (2019): Der Kulturbund in der SBZ und in der DDR. Eine ostdeutsche Kulturvereinigung im Wandel der Zeit zwischen 1945 und 1990, Wiesbaden: Springer, S. 319.

 

 

Zu Helmut Meyer-Weingarten (26.09.1911 Weingarten – 28.02.1994 Karlsruhe):
Maler, Zeichner, Kunsterzieher; Sohn des Hauptlehrer Friedrich Johann Meyer (1877-1946); 1926-30 Lehre als Kunstglaser mit Gesellenprüfung; 1930-33 Bühnenbild-Studium an der Theater-Akademie des Badischen Staatstheaters Karlsruhe (bei Axel Torsten Hecht), sowie Studium (Bühnenbild, Malerei, Zeichnung) an der Badischen Landeskunstschule Karlsruhe (bei August Babberger und Karl Hubbuch); 1933 protestierte er öffentlich gegen die Entlassung seiner Lehrer Babberger und Hubbuch aus dem Lehramt und entwarf zudem noch diesbezügliche Karikaturen, so dass er wenig später auch aus der Badischen Landeskunstschule ausgeschlossen wurde; es folgten Hausdurchsuchungen durch die Gestapo; anfangs emigrierte er ins Saarland und war dort als Bühnenbildner und Schauspieler bei einer Passionsspieltruppe tätig; weiterhin arbeitete er zeitweise als Karikaturist unter den Pseudonymen Kurt Raden und Helm Frinson; 1935 nach der Saar-Abstimmung emigriert er nach Frankreich; 1935-36 in Paris ansässig und dort reger Umgang mit anderen Künstlern, was sich prägend auf sein Schaffen auswirkte; 1936 kehrte er, aufgrund einer allgemeinen Amnestie und auf Drängen der Eltern, nach Deutschland zurück; ab 1937 militärische Ausbildung in Wuppertal und währenddessen mehrere Verhöre durch die Gestapo; 1940-45 Kriegsdienst; 1943 wird bei einem Fliegerangriff der Großteil seines damaligen Schaffens zerstört; 1946 Rückkehr nach Karlsruhe (sein Atelier hat er in der Amalienstr. 67) und sofort beteiligt er sich am Wiederaufbau des kulturellen Lebens; um seinen Lebensunterhalt zu verdienen arbeitete er zuerst als Mal- und Zeichenlehrer bei den US-Streitkräften; 1947 Heirat mit der Tänzerin Lolo Dahlinger und in demselben Jahr Geburt des Sohnes Joachim; 1951 ist Meyer-Weingarten (neben u.a. Eugen Kühlewein, Max Haenger, Theo Moser und Emil Kritzky) Teil des gegründeten „Koordinierungsausschusses Bildender Künstler Deutschlands“, diesem gehörten sowohl west- als auch ostdeutsche Künstler an und die Intention bestand darin den Kontakt zwischen Künstlern aus West- und Ostdeutschland trotz der Teilung des Landes nicht abreißen zu lassen; 1954 übernimmt er in Nachfolge von August Kutterer die Leitung der Mal- und Zeichenklasse an der Volkshochschule Karlsruhe (diese Stellung hat er bis 1983); daneben ist Meyer-Weingarten als freischaffender Künstler tätig

Helmut Meyer-Weingarten malte vornehmlich Landschaften, Porträts, figürliche Kompositionen, Akte und Stillleben in expressiv realistischer Ausführung. In seinem späten Schaffen finden sich zudem abstrakte Tendenzen.

Mitgliedschaften
ab 1946 2. Vorsitzender des Verbands Bildender Künstler
1946 Gründungsmitglied des Bundesverbands Bildender Künstler
1948 Gründungsmitglied der „Jungen Gruppe Baden“

Preise
1981 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für sein künstlerisches und pädagogisches Wirken

Ausstellungen (Auswahl)
1950 „Badische Kunst der Gegenwart“, Badischer Kunstverein Karlsruhe
1981 „Kunst in Karlsruhe 1900-1950“, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
1981 „Helmut Meyer-Weingarten zum 70. Geburtstag“, Städtische Galerie Karlsruhe
2011 „Helmut Meyer-Weingarten zum 100. Geburtstag“, EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Karlsruhe

Literatur
Merkel, Ursula (Text) (2011): Helmut Meyer-Weingarten zum 100. Geburtstag“, EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Karlsruhe (Ausstellungskatalog)
Mülfarth, Leo (1987): Kleines Lexikon Karlsruher Maler, Karlsruhe: Badenia, S. 213
Papenbrock, Martin (1996): „Entartete Kunst“ – Exilkunst – Widerstandskunst in westdeutschen Ausstellungen nach 1945. Eine kommentierte Bibliographie, Weimar: VDG, S. 498
Wirth, Günther (1987): Verbotene Kunst 1933-1945. Verfolgte Künstler im deutschen Südwesten, Stuttgart: Hatje, S. 317
„Allgemeines Künstlerlexikon“, Onlineversion