H A N S   G E R S O N   (19.07.1882 Berlin – 27.02.1941 ebd.)

 

Weitere Werke von Hans Gerson

 

Bußprozession in Veurne (um 1908)

Öl auf Leinwand, Keilrahmen, gerahmt

€ 5.500,-

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Titel
ohne Titel [Bußprozession in Veurne]

Technik
Öl auf Leinwand, Keilrahmen, gerahmt

Signatur
unten links signiert „H. Gerson“

Jahr
undatiert [um 1908]

Größe
Größe: 132,8 x 157,5 cm (mit Rahmen) bzw. 115,5 x 140,5 cm (ohne Rahmen)

Zustand
partiell leicht fleckig; im oberen Bereich rechts (etwa rechts oberhalb des Turmes) kleine Retuschen, sowie hinterlegter Leinwandschaden; in der Bildmitte rechts (etwas unterhalb des Turmes) kleiner hinterlegter, dezent retuschierter Leinwandschaden; im unteren Bildbereich (bei den Menschen und dem Vordergrund) leichte Craquelé-Bildung); ganz im Eckbereich unten rechts sehr kleiner Leinwandschaden

 

 

Hans Gerson studierte in München (bei Carl von Marr), an der Kunstakademie Berlin (bei Arthur Kampf), an der Académie Julian in Paris, sowie in Berlin bei Lovis Corinth. Gerson schuf vor allem Landschaften, doch entstanden daneben auch figürliche Kompositionen und Bildnisse.

Zu dem Schaffen des Künstlers schreibt Karl Schwarz, der erste Direktor des am 24. Januar 1933 eröffneten Jüdischen Museums Berlin [1]:

„Die Kunst Hans Gersons bietet ein gutes Beispiel einer in unseren Tagen häufigen Erscheinung. Er ist der Typus der jüngeren, in der impressionistischen Tradition erzogenen Generation, die sich an den Franzosen begeisterte, sich Meister wie Monet und Degas zum Vorbild nahm, deren malerische Interessen jedoch weiterführen und über das von ihnen zum Ausdruck Gebrachte hinaus mehr das Moderne will.“ [2]

Zusammen mit seiner Frau Ella, geb. Redlich, lebte Gerson in der Starnberger Straße 3 in Berlin-Schöneberg, sowie zuletzt in der Wielandstraße 23 in Charlottenburg. Gerson war gerade in den 1910er und 1920er Jahren an zahlreichen Ausstellungen beteiligt und Werke von ihm wurden im Münchner Glaspalast, bei der Berliner Secession, wie auch in der Berliner Galerie von J.B. Neumann präsentiert.

Das vorliegende Gemälde zeigt im Großformat ein außergewöhnliches und zugleich (farb-)intensives Motiv.
Gerson reiste nachweislich desöfteren nach Flandern [3]. Für das Jahr 1908 sind durch Abbildungen zwei Gemälde mit expressiven Ansichten aus der belgischen Stadt Veurne dokumentiert und auch diese vorliegende Ansicht ist in diesen Ort Westflanderns zu lokalisieren. Doch im Gegensatz zu den beiden anderen Stadt- und Straßenansichten, führt Gerson hier dem Betrachter einen Moment der Bußprozession vor Augen, welche seit 1646 jedes Jahr am letzten Sonntag im Juli veranstaltet wird. Die Prozession war zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit über Belgien hinaus bekannt, so dass nicht auszuschließen ist, dass Gerson gerade auch deswegen diesen Ort für einen Aufenthalt auswählte [4].
Als Betrachter befinden wir uns mitten auf dem Grote Markt. Die im Hintergrund sich erhebende St.-Nikolaus-Kirche hat bereits den Beginn des religiösen Schauspiels um 15:30 Uhr eingeläutet, alle Buden und Stände sind geschlossen und die ganze öffentliche Aufmerksamkeit liegt nun auf dem durch Häuserfassaden eingerahmten Geschehen.
Umgeben von zahlreichen Besuchern, Bürgern, Gläubigen findet im Bildzentrum die Vorführung statt. Die braun-dunkle Gestalt von Christus ist von der Last des Kreuzes niedergefallen, ein Soldat steht samt Kreuz neben ihm. Weitere Schergen stehen links von ihm und drangsalieren ihn mit Holzspeeren. Im linken Hintergrund wird das Schweißtuch präsentiert.

Das Markante und das Eindrucksvolle an diesem an sich religiösen Topos ist die expressive, farbstarke Ausführung. Gerson hat einen gewagt schnellen, oftmals erstaunlich breiten und auch pastosen Pinselstrich, welcher der Komposition eine zwingende Dynamik, sowie in Teilen auch eine Roheit und Derbheit verleiht.
Daneben überrascht das Kolorit ungemein, denn Gerson spielt förmlich mit den Farben und deren Zusammenklang. Bemerkenswert ist hier die Himmelspartie oben mittig, welche in einem Türkiston durch die Wolkendecke scheint, daneben dann auch das violette Hausdach links, welches Gerson mit grünen Strichen spannungsvoll ergänzte, oder auch die monochrom ausgeführte rote Figur im linken Bereich.

Der Einfluss des französischen Impressionismus auf Hans Gerson tritt hier deutlich gegenüber einer expressiven, expressiv realistischen Ausdrucksweise zurück. Bezogen auf den zeitlichen Entstehungskontext zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein sicherlich kühnes, zweifelsohne selbstbewusstes Unterfangen eine dezidiert religiöse Szenerie in einem solch großen Format auf eine solch eigenwillig moderne Weise darzustellen. Hans Gerson ist diese Gratwanderung im vorliegenden Fall auf eine beachtliche Weise gelungen.

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[1] Karl Schwarz emigrierte wenig später nach Palästina und leitete ab dem Sommer 1933 das Kunstmuseum Tel Aviv.
[2] Schwarz, Karl (1920): Hans Gerson, in: Der Cicerone, XII. Jg. (1920), Heft 6, S. 225-228 [hier: 225].
[3] Hierzu: Z. (Autorenkürzel): Ein Maler Flanderns, in: Die Kunstwelt, Jg. 2 (1912/13), Nr. 6, S. 398.
[4] Zur Popularität der Prozession mag auch beigetragen haben, dass Camille Lemonnier (1844-1913) seinen Roman „Le petit homme de Dieu“ (Paris: Ollendorff, 1903) in Veurne spielen lässt und die Bußprozession das eigentliche Zentrum des Buches bildet.

 

 

Zu Hans Arthur Gerson (19.07.1882 Berlin – 27.02.1941 ebd.):

Deutsch-jüdischer Maler, Zeichner, Grafiker.

Sohn der Eheleute Georg Wolff Gerson (29.10.1850 Dresden – 12.09.1915 Berlin, Kaufmann) und dessen Ehefrau Georgine, geb. Plaut (09.08.1855 Leipzig – 29.06.1928 Bad Ischl). Sein jüngerer Bruder Franz Jacob (1888 Dresden – 1956 Salzburg) war Schriftsteller und Kunstkritiker (u.a. „Die Revolution der Parasiten“ (1923, Wien), „Kokotte Mann“ (1924, Wien)). Die Mutter heiratete in zweiter Ehe den Kaufmann Paul Moses Wolff, sowie später in dritter Ehe den ottomanischen Generalkonsul Ladislaus Laszlo Baron Dirsztay de Dirsztay (1856 Budapest – 1921 Wien).

Studium an der Kunstakademie München (bei Carl von Marr), an der Kunstakademie Berlin (bei Arthur Kampf), an der Académie Julian in Paris, sowie in Berlin bei Lovis Corinth. In Berlin wohnhaft in der Bendlerstraße 21.

Heirat mit Ella, geb. Redlich (? – [nach 1940]). Das Paar lebte in der Starnberger Straße 3 in Berlin-Schöneberg, sowie zuletzt in der Wielandstraße 23 in Berlin-Charlottenburg.

Gerson unternahm besonders in den Sommermonaten zahlreiche Reisen durch Deutschland (u.a. Bodensee, Wasserburg), sowie nach Belgien (Veurne).

1917 entstanden Grafiken für die Zeitschrift „Krieg und Kunst“.

In seinem Schaffen dominiert die Landschaft, während figürliche Darstellungen eine eher untergeordnete Rolle einnehmen. Gerson fand einen durchaus eigenen expressiv-realistischen Ausdruck.

Während des Dritten Reichs verblieb Hans Gerson mit seiner Frau in Berlin. Ob Emigrationspläne bestanden bzw. ob diese gescheitert sind ist ungewiss. Laut Sterbeurkunde verstarb der damals 58 Jahre alte Hans Gerson an einem kombinierten Herzfehler, Kreislaufschwäche, Ödeme und Herzschwäche. Seine Frau überlebte ihn.

In der Sterbeurkunde wird Hans Gerson als „Professor“ geführt, wobei unklar ist wann und von wem er diesen Titel verliehen bekommen hat.

Mitgliedschaften
Münchener Secession
Berliner Secession

Ausstellungen
1912 Beteiligung an einer Ausstellung in der Galerie Schneider (Frankfurt a.M.)
Januar 1914 „Januar-Kunstausstellung“, Ausstellungshaus am Kurfürstendamm 208/9, Berlin
Okt.-Dez. 1915 „27. Ausstellung der Berliner Secession“, Neues Secessionshaus, Berlin
März 1917 Ausstellung (zusammen mit Franz M. Jansen und Hugo Kunz) im Graphischen Kabinett J.B. Neumann, Berlin
1917 Ausstellung der Berliner Secession
1918-22 „Münchener Kunstausstellung im Glaspalast“
1925 Frühjahrsausstellung der Akademie der Künste, Berlin

Sammlungen
LETTER-Stiftung, Köln
Hamburger Kunsthalle
The British Museum, London
Ackland Art Museum, University of North Carolina at Chapel Hill

Literatur
„Allgemeines Künstlerlexikon“, Onlineversion
Schwarz, Karl (1920): Hans Gerson, in: Der Cicerone, XII. Jg. (1920), Heft 6, S. 225-228
Schwarz, Karl (2001): Jüdische Kunst, Jüdische Künstler. Erinnerungen des ersten Direktors des Berliner Jüdischen Museums, Teetz: Hentrich und Hentrich, S. 284
Z. (Autorenkürzel): Ein Maler Flanderns, in: Die Kunstwelt, Jg. 2 (1912/13), Nr. 6, S. 398.