D O R A   K O C H – S T E T T E R

 

Dora Koch-Stetter: Norddeutsche Landschaft mit Schafen und Arbeiterin
 

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Dora Koch-Stetter

 

Norddeutsche Landschaft mit Schafen und Arbeiterin

Öl auf Leinwand, Keilrahmen, gerahmt
nicht datiert, wohl um 1915

u.r. in Rot signiert „D. Stetter“
nicht betitelt

€ 6.900,-

 

 

                     

 

Rahmengrösse: 90,7×65,2cm
Leinwandgrösse: 52x78cm

Zustand
insgesamt leicht beschmutzt; partiell leichte Verluste der Farbschicht; an wenigen Stellen dezente Retuschen; Leinwand leicht an Spannkraft nachlassend; im unteren Bereich rechts (etwa bei den Füßen des zweiten Schäfleins v.r.) kleiner hinterlegter Leinwandschaden; Leinwand am oberen Rand leicht berieben, sowie aufgrund früherer Rahmung mit kleinen Löchern (zur früheren Befestigung); leichte Craquelé-Bildung; in den Randbereichen leichte horizontal bzw. vertikal verlaufende Druckstellen durch dahinter liegenden Keilrahmen; Leinwand verso etwas fleckig

 

 

Es liegt ein Zertifikat des „Art Loss Register“ (London) vor, wonach das vorliegende Werk nicht in den dortigen Datenbanken als fehlend bzw. gestohlen verzeichnet ist.

 

 

„Zeit ihres Lebens war die Landschaft eines der hauptsächlichen Gestaltungsthemen Dora Koch-Stetters. Die Anfänge dafür sind wohl noch in ihren Studien in der märkischen Umgebung Berlins unter der Anleitung ihrer ersten Lehrer Conrad Fehr und Hans Heise zu suchen. Bei diesen Malern erwarb sie solides künstlerisches Rüstzeug. Ihren eigenen Stil zu suchen und zu finden lernte sie jedoch zunächst bei Lovis Corinth“ (Heidrun Lorenzen (201): Dora Koch-Stetter. Wege nach Ahrenshoop, in: Dies. (Hrsg.) (2001): Dora Koch-Stetter. Wege nach Ahrenshoop; Luks Verlag; Berlin; S. 25-45 [hier: 26]).
Das vorliegende Gemälde zeigt uns eine norddeutsche Landschaft, die, obgleich nicht bezeichnet, womöglich in die Gegend um Althagen verortet werden kann. Dora Stetter – erst ab ihrer Heirat 1917 führte sie den Doppelnamen – verbrachte das erste Mal 1911 den Sommer in Ahrenshoop. Ahrenshoop war zu dieser Zeit bereits ein von Künstlerinnen und Künstlern gerne besuchter und bewohnter Ort. Neben Paul Müller-Kaempff, Anna Gerresheim, Elisabeth von Eicken, waren zu dieser bereits Fritz Grebe, Hugo Richter- Lefensdorf, Martin Körte und andere mehr dort ansässig (vgl. ebd.; S. 25). 1913 besuchte sie, nach einem prägenden Studienaufenthalt im belgischen Knoke, die Region des Fischlands erneut, ab 1922 kamen sie und ihre Tochter regelmäßig dorthin und 1927 erwarb die Familie ein Haus in Althagen, in welches sie kriegsbedingt 1944 übersiedelten.
Begonnen wohl durch die künstlerische Anleitung unter Lovis Corinth fand Dora Stetter zu einer ganz eigenen Ausdrucksweise, die vor allem im Lichtspiel und Erarbeitung der Grauwerte dem Impressionismus zugeneigt ist, zugleich aber durch Betonung der Farbe sich dem Expressionismus annähert und damit als das verstanden werden darf, was Rainer Zimmermann mit ‚expressiver Realismus‘ bezeichnete. Prägend neben den künstlerischen Lehrern waren zweifelsohne auch der erste bereits angesprochene Aufenthalt in Ahrenshoop, sowie die Reise ins belgische Knoke. Diese Reise „[führte] sie zu Werken von van Gogh, Gauguin und Cézanne. Von diesen Vorbildern angeregt und in ihrem Formwillen bestätigt, entstanden farbig expressive Strandbilder und Szenen an der Nordsee, die eine weitere Veränderung des Malstils belegen. Der pastose Farbauftrag wird zugunsten einer trockeneren Malweise verlassen. Der Bildraum wird verknappt, eine größere Flächigkeit angestrebt und damit die Raumillusion zurückgedrängt. Die dargestellten Formen werden von der Naturform abstrahiert und als zeichenhafte, fast ornamentale Gebilde komponiert. Der vor der Natur erfahrene Landschaftseindruck wird zu eigenwilliger gestalteter Farbform umformuliert, ohne die Gegenstandsfarbe ganz aufzugeben“ (ebd.; S. 28).
Dieser beschriebene expressiv-realistische Stil findet sich auch in dieser Landschaft. Von einem etwas untersetzten Standpunkt aus blicken wir als Betrachter über eine weite Wiesen- bzw. Weidefläche, die sich in einer Melange aus Grün- und dezenten Brauntönen zeigt. Bestimmt wird die Ansicht durch eine Schafherde, die sich aus dem Vordergrund bis in den linken Bildbereich zieht. Sind Teile der Tiere in flächiger Farbgebung, sowie im hinteren Bereich auch stärker abstrahierter Formgebung dargestellt und verweisen somit auf einen expressiven Charakter, so zeigt sich das vordere linke Schaf und das dicht dabei stehende Schäflein in einer zarteren, detaillierten Ausführung, in der das Fell durch das von rechts einfallende Licht eine ganz individuelle Strukturierung erfährt. Als quasi menschliches Pendant hierzu fügt die Künstlerin eine am Boden kniende Arbeiterin in den oberen rechten Bildbereich ein. Die partielle Kolorierung in einem satten Rot hebt die Frau wie ein Blickfang von der Landschaft ab, mit der die Farbgebung ihres übrigen Körpers ansonsten eine ruhige, tonige Stimung vermittelt.
Als eine wunderschöne Besonderheit der Komposition eröffnet sich am oberen Rand ein kleiner, besser: sehr kleiner, blauer Himmelstreifen, so dass dadurch einerseits die Fülle des landschaftlichen Grüns gebrochen und aufgelockert wird und andererseits die Tiefe und Weite eben dieser Landschaft auf eine erstaunliche Weise farblich vermittelt wird.
Meisterhaft fesselnde Landschaftskomposition in brillanter Farbgebung!

 

 

Zu Dora Koch-Stetter (04.05.1881 Bayreuth – 16.01.1968 Ahrenshoop):
Malerin, Zeichnerin; 1885 Übersiedlung nach Berlin; 1899-1901 Zeichenlehrerstudium an der Königlichen Kunstschule Berlin; 1901 erstes Atelier auf dem Dachboden des Wohnhauses; 1901-02 Besuch von Mal- und Zeichenkursen an der von Conrad Fehr gegründeten privaten „Akademie Fehr“ (Berlin-Friedenau); (wohl) ab 1902 Malstudien bei Johannes (Hans) Heise; 1902 Studienreisen unter Leitung von Hans Heise und Conrad Fehr; 1902-17 als Lehrerin in Berlin tätig; 1902 starb Heise überraschend mit 31 Jahren, so dass sich seine Schülerinnen einen neuen Lehrer suchen mussten; Dora Koch-Stetter besuchte 1903-04 die Malschule von Lovis Corinth (in der Klopstockstrasse, Berlin); in dieser Zeit auch Reisen nach Pommern, Bayern, Dänemark, Belgien; 1904 Bekanntschaft mit ihrem späteren Ehemann Fritz Koch-Gotha; 1905 führte sie zusammen mit einer Malerkollegin ein Atelier in Berlin in dem sie Malunterricht für Privatschülerinnen erteilt; es entstehen die ersten grafischen Arbeiten; 1910 Bekanntschaft mit Arthur Segal und Studien in dessen Atelier (Dernburgstraße 25, Berlin); 1911 erhielt sie zusammen mit Else Isenberg und Jlse Schütze-Schur einen Geldpreis von 150 Mark bei dem Berliner Wettbewerb „Plakat“; 1911 erster Sommeraufenthalt in Ahrenshoop in unmittelbarer Nachbarschaft von Erich Heckel, Marianne Werefkin und Alexej von Jawlenski; Mitglied im Verein der Berliner Künstlerinnen; 1913 Studienreise nach Knoke in Belgien; zweiter Aufenthalt in Ahrenshoop; 1917 Heirat mit Fritz Koch-Gotha; das eigene Atelier wird aufgegeben; ab 1922 regelmäßige längere Sommeraufenthalte (Mai bis Oktober) mit ihrer Tochter Barbara in Ahrenshoop-Althagen; 1927 Erwerb des Hauses An der Fulge 3 in Althagen; 1944 Zerstörung des Berliner Ateliers; Übersiedlung der Familie nach Ahrenshoop-Althagen; nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Haus in Althagen zum Treffpunkt von vielen Künstlerfreunden; 1956 Todes des Ehemanns; 1961 Schlaganfall und rechtsseitige Lähmung; März-April 1964 erste große Einzelausstellung im Museum Rostock, die ein großer Erfolg wurde; das Museum Rostock und das Museum Greifswald erwarben Werke; es folgten weitere Ausstellungen u.a. in der „Galerie Moderne Kunst“ (Berlin), der Kunsthalle Rostock, im Kunstkaten Ahrenshoop

Literatur
LORENZEN, Heidrun (Hrsg.) (2001): Dora Koch-Stetter. Wege nach Ahrenshoop; Luks Verlag; Berlin
BÖHM, Myriam C. / FRIEDRICH, Katharina (2001): Ahrenshoop – zwischen Ostsee und Bodden, in: Melanie Ehler (Hrsg.): Rückzug ins Paradies. Die Künstlerkolonien Worpswede – Whrenshoop – Schwaan; Lukas Verlag; Berlin; S. 31-40 [38-40];
Museum der Stadt Rostock (Hrsg.) (1964): Dora Koch-Stetter. Eine Fischländer Malerin; Cummerow und Jokiel; Putbus auf Rügen