W I L L Y   K R A S K A   (30.12.1886 – Todesdatum unbek. [nach 1958])

 

Weitere Werke von Willy Kraska

 

 

„Kurse ohne Gewähr“ (um 1927-29)

Aquarell, Deckfarben, Bleistift auf leicht strukturiertem Papier, vom Künstler komplett aufgezogen / geklebt auf festen braunen Karton

undatiert [um 1927-29];
u.l. signiert „W Kraska“ [„W“ und „K“ ligiert], sowie verso Künstlerstempel mit damaliger Adresse

unten links in Blei betitelt „Kurse ohne Gewähr“; möglicherweise gedacht als Illustrationsvorlage
Größe: 33,5 x 24,5 cm (Blatt) bzw. 48,6 x 38 cm (unterlegter Karton)

€ 570,-

Kaufanfrage

 

Zustand
Papier vom Künstler komplett aufgezogen / geklebt auf festen braunen Karton; in den vier Ecken kleine Einstichlöchlein; am oberen Rand rechts kleiner Einriss (etwa 0,3 cm); im Eckbereich unten rechts etwas aufgeraut; in den Randbereich (wohl montierungsbedingt) sehr leicht wellig; partiell schwach fleckig; unterlegter Karton an Ecken / Kanten bestoßen, sowie verso fleckig

 

 

Willy Kraska präsentiert dem Betrachter eine Szene, die sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Ein Polizist steht neben einer elegant gekleideten Dame an einer Straßenecke und blickt in ein rotes Büchlein. Im Hintergrund ist der Namenszug „Discontobank“ erkennbar. Möglicherweise war das Werk als Illustrationsvorlage gedacht.

Der hier gezeigte Polizist trägt eine Uniform aus der Weimarer Republik und womöglich lässt sich der Dienstgrad als Oberwachtmeister erkennen.

Die Szene spielt demnach in Berlin vor einer Filiale der 1851 gegründeten „Disconto-Gesellschaft“, welche 1929 mit der „Deutschen Bank“ fusionierte, wodurch sich zudem für die Datierung ein terminus ante quem ergibt. Es geht Kraska hier augenscheinlich um Aktien, Aktienkurse und Gewinne. Hierauf verweist sowohl der Zusatz „Aktien“ unter dem Namenszug der Bank, sowie – cum grano salis – der notwendige Hinweis auf dem ausgehängten Schild „Kurse steigen / Ohne Gewähr“. Ganz in diesem Sinne wurde dann auch der Bildtitel mit „Kurse ohne Gewähr“ gewählt.

Historisch gesehen ist das Motiv wohl in die Jahre um 1927-29 einzuordnen. Gerade Mitte der 1920er Jahren stiegen die Kurse an der Berliner Börse. Diese Spekulationskäufe wurden oftmals durch Bankkredite finanziert und verhalfen dem Aktienindex in kurzer Zeit zu einem enormen Hoch. Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht verordnete hierauf, dass die Gewährung weiterer spekulativer Kredite eingeschränkt werden müsse, was zu einem beträchtlichen Kurseinbruch von knapp 32% und damit zu dem sogenannten „schwarzen Freitag“ am 13. Mai 1927 führte.

Willy Kraskas Szene ist noch (kurz) vor diesen Kurseinbruch einzuordnen. Die Dame wirkt so, als komme sie gerade aus der Bank und womöglich hat sie sich soeben – mittels eines Kredits? – an der Börse engagiert. Der Polizist dagegen ist vertieft in ein rotes Buch, bei dem es sich dem Einband nach wohl um das Bürgerliche Gesetzbuch handelt. Sie betrachtet freudig lächelnd den gesetzestreuen Polizisten und macht mit ihrem rechten Fuß spielerisch eine Wendung zu ihm. Und vielleicht verweist das Gesetzbuch bereits auf die von Hjalmar Schacht erlassenen neuen Bestimmungen?

Folgt man dieser Lesart, dann wäre das Motiv an das Ende der damaligen Hausse einzuordnen. Und in diesem Sinne könnte dann auch ein weiteres kleines Detail gedeutet werden. Denn hinter dem grünen Vorhang ist in Ansätzen ein Männerkopf zu erkennen, der die Szene aufmerksam mitverfolgt. Es handelt sich dabei möglicherweise um einen (misstrauischen) Bankangestellten, der sich natürlich dafür interessiert was ein Vertreter der Exekutive vor der Bank zu tun hat. Gerade durch das teilweise klandestine Verborgensein dieses Herren, scheint es auch so, als ob er voller Unruhe auf den weiteren Ablauf wartet. Er ist sich wohl sicher, dass die zuvor so lukrativen Spekulationsgeschäfte vorbei sind und dies nun nur noch die Ruhe vor dem Sturm ist.

 

 

Zu Willy Kraska (30.12.1886 Berlin – 28.11.1974 Berlin-Lichterfelde):
Maler, Zeichner, Werbegrafiker, Gebrauchsgrafiker.
Sohn von Wilhelm Kraska (Aufseher im Kunstgewerbemuseum Berlin, 18.10.1851 Engelstein (Ostpr.) – ?) und dessen Ehefrau Agnes Martha Marie Hedwig, geb. Ihlenfeldt (16.06.1865 Berlin – ?). Die Familie wohnte anfangs in der Solmsstraße 12 in Berlin.
Der Maler und Grafiker Robert Budzinski (1874-1955) war ein Cousin Willy Kraskas.
Willy Kraska war tätig und wohnhaft in Berlin. 1914 erfolgreiche Teilnahme am Gebrauchsgrafik-Wettbewerb des Klavierherstellers „Rud. Ibach Sohn“. Während des Ersten Weltkrieges entstand u.a. das Plakat „Elsaß-Lothringens Aufschwung unter Deutscher Verwaltung“ . Nach dem Ersten Weltkrieg hatte er zusammen mit seinem älteren Bruder Arthur Kraska (05.02.1885 Berlin – ?, Kunstmaler, Grafiker und Illustrator) ein Atelier in der Feuerbachstraße 10; um 1930 lebte er in der Florastraße 4 (Steglitz), der Poschingerstraße 33 und verzog 1934/35 in die Feldstraße 34 (Lichterfelde), wo er fortan bis zu seinem Tod wohnen blieb.
Am 19. Oktober 1932 Heirat mit der Mittelschullehrerin Lotte Anna Nickel (23.10.1896 Sosnica, Kreis Krotoschin (Posen) – [nach 1980]), 1933 Geburt einer Tochter.
Ab den 1920er Jahren schuf Kraska Gebrauchsgrafiken, Plakate, Werbezettel, u.a.m. für zahleiche Firmen und Unternehmen wie u.a. die „Unfallverhütungsbild GmbH“ (Berlin), „Carl Büsgen Zigarrenfabrik“ (Vallendar), „S.F.W. Brüggemeyer“ (Detmold), „Allgemeine Tabak Zeitung“, „Deutsche Parfümerie-Zeitung“.
Ab etwa 1925 war Kraska lange Jahre als Grafiker für die „AEG“ tätig und während dieser Zeit entstanden neben Werbeanzeigen und Buchgestaltungen auch Zeichnungen mit Industrieszenen

Ausstellungen
1914, Beteiligung an der „Großen Berliner Kunstausstellung“

Mitgliedschaften
Wirtschaftsverband bildender Künstler (WVbK)

Sammlungen
Stadtmuseum Berlin
Deutsches Technikmuseum, Berlin
Deutsches Historisches Museum, Berlin
Staatliche Kunstsammlungen Dresden (SKD)
Poster Collection of the Hoover Institution, Stanford University
Belgische Staatsarchiv (Rijksarchief), Antwerpen