U N B E K A N N T :   Skizzenbuch einer Frankreichreise (April-Juli 1937) eines unbekannten, deutschen Künstlers

 

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Skizzenbuch einer Frankreichreise eines unbekannten, deutschen Künstlers (April-Juli 1937)

unsigniert

€ 530,-

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Titel
ohne Titel [Skizzenbuch mit 32 Zeichnungen mit Annotationen in Deutsch und Französisch. Liste der Bezeichnungen ist unten angefügt.]

Technik
32 Zeichnungen (23 Bleistift, 3 Farbkreiden, 6 Tusche) + mehrere Leerseiten, in kleinem Skizzenbuch („Esquisse“)

Größe
Größe: 10,5 x 13,5 cm/p>

Entstehungsjahr
nicht alle Zeichnungen sind datiert, die vorhandenen Datierungen sind einzuordnen zwischen 22. April 1937 und 06. Juli 1937

Zustand
Einband etwas berieben; Ecken etwas bestoßen; erste und letzte Seiten mit kleinen Knickspuren; die Rückseiten der Zeichnungen mitunter etwas farbfleckig (aufgrund der jeweils dahinter liegenden Zeichnungen)

 

 

Annotationen / Titel der Zeichnungen
1. „vase antique […] Musée du Louvre“
2. „nach Réalité (Bruxelles)“ [möglicherweise ein Selbstbildnis?] 3. No title [Hut] 4. „Maisons Lafitte[sic]“
5. „röm.[ische] Kirche neben dem Chateau von Maisons Laffitte“
6. „Kirche neben Maisons Lafitte[sic] Chateau / 22-4-37“
7. „La Malmaison / 24.4.37“
8. „St. Germain de Pres […]“
9. „Gisors“
10. „in Gisors / 6-5.37 […] 11. „Gisors“
12. „Zum ersten Mal zu Besuch in Gisors wo ich Mittag gegessen habe / in frischer Luft 6-5-37“
13. No title [Stillleben mit Flaschen, Krug, Teller und Besteck] 14. „Gisors. Die Rosette […]“
15. Illegible
16. „Gisors / Westportal […]“
17. „[…] Gisors (Eure) / von links nach rechts immer mehr Renaissance!“
18. „Blick auf die Türme und Wälle – / Schloß d. Kastells von Gisors / 6/5/37“
19. No title [nude] 20. „Aphrodite Eros […]“
21. No title [nude] 22. „Fontaine de Innocents“ [Paris] 23. „Tour de César / Provins (Seine-et-Marne) / 13-6-37“
24. No title [portrait] 25. „Basilique romane Notre Dame du Port Clermont (Puy-de-Dome) / 4-Juli-1937“
26. „N[otre] D[ame] du Port Clermont. Blick immer nach Westen“
27. „Chapiteau / Eglise St. Nectaire / le Haut in der Auvergne / 6/7/37“
28. „Chapiteau seitlich / an Eckpfeiler St. Nectaire Auvergne“
29. „St. Nectaire / Auvergne“
30. „St. Baudime Statue […]“
31. „Chateauvert zur Cher“
32. „Triforium […]“

 

 

Das vorliegende Skizzenbuch besteht aus 32 Zeichnungen – die meisten ausgeführt in Bleistift, ein paar in Farbkreiden und weitere in Tusche. Obgleich der Künstler unbekannt ist, so wird es sich doch mit großer Wahrscheinlichkeit um einen deutschen Künstler handeln. Die deutschen Bezeichnungen kommen zweifelsohne von derselben Hand wie die Zeichnungen; die wenigen französischen Annotationen könnten dagegen auch von fremder Hand stammen.

Auf Basis der vorhandenen Annotationen lässt sich sagen, dass das Skizzenbuch während einer Reise (von Belgien) nach Frankreich im Zeitraum von (spätestens) April bis zum Juli 1937 entstand. – Die erste Datierung ist vom 22. April und die letzte Datierung vom 06. Juli 1937.

Vielleicht haben wir bei der zweiten Zeichnung („nach Réalité (Bruxelles)“) den Künstler selbst vor uns, der sich hier in einem Selbstbildnis festgehalten hat. In wenigen dünnen Linien zeigt sich ein dünner Mann, der mit seiner rechten Hand nach unten weist.

Mithilfe der Bezeichnungen lässt sich zumindest teilweise die Reiseroute des Künstlers nachverfolgen: Paris, Maissons-Laffitte, La Malmaison, Gisors, Provins, Clermont-Ferrand. Im April war er demnach in Paris und konkret hierbei in Maisons Laffitte, La Malmaison und St. Germain de Pres. Am 6. Mai traf er in Gisors ein, eine Kleinstadt, die unter anderem durch die wunderbaren Marktszenen aus den 1880er Jahren von Camille Pissarro bekannt ist. Weiterhin lebte Picasso dort zwischen 1930 und 1936 im Château de Boisgeloup. Mehrere Zeichnungen zeigen Kirchen, doch daneben sieht man auch Straßenszenen und Restaurants in denen gegessen wurde. So lautet einer der Titel trefflich: „Zum ersten Mal zu Besuch in Gisors wo ich Mittag gegessen habe / in frischer Luft 6-5-37“. Eine überaus flott gezeichnete, dichte Stadtszene. Und es ist auch gerade in Gisors, wo mehrere wunderbare Studien entstanden.

Auf diese Gisors-Zeichnungen folgen drei Aktdarstellungen, die möglicherweise auf dem Betrachten von Skulpturen basieren. Der letzte dieser drei Akte zeigt die künstlerisch eigenständigste Entwicklung. – In wenigen zarten, beinahe minimalistisch anmutenden Linien wird hier ein stehender Akt umrissen.

Am 13. Juni kam der Künstler nach Provins (Seine-et-Marne), für den 4. Juli finden sich Zeichnungen von Notre Dame du Port Clermont (Puy-de-Dôme, darunter eine vorzügliche Tuschzeichnung), zwei Tage später war er in Saint-Nectaire (Puy-de-Dôme) und eine der letzten Arbeiten ist lokalisiert mit Chateauvert.

Es ist offensichtlich, dass diese Reise kein bloßer Urlaub war, denn dafür ist diese Zeitspanne von mindestens zweieinhalb Monaten doch zu lang. Vielmehr darf man wohl annehmen, dass es eine Studienreise eines Künstlers oder eines Kunststudenten war. Und bezogen auf den Zeitraum der Reise ist es zudem interessant zu bemerken, dass die damalige Pariser Weltausstellung vom 25. Mai bis zum 25. November stattfand, so dass es keinesfalls unwahrscheinlich wäre, dass dieser unbekannte Künstler auch die Weltausstellung besuchte bzw. seine Frankreichreise eben explizit mit dieser Großveranstaltung verband. Und nebenbei war es auch die damalige Weltausstellung auf welcher das monumentale „Guernica“-Gemälde Picassos im spanischen Pavillon der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Insgesamt ist dieses Skizzenbuch eines anonymen, jungen(?) deutschen Künstlers eine wunderbare Zusammenstellung von zeichnerischen Impressionen während einer Frankreichreise. Und bezogen auf den zeitlichen Kontext, so ist beachtenswert, dass die Reise eines Künstlers nach Frankreich damals wohl nicht mehr so üblich war wie dies noch in den Jahren zuvor der Fall gewesen wäre. Auch der zeichnerische Stil verweist zumindest in Teilen auf gewisse moderne Tendenzen, was dieses Skizzenbuch in toto zu einem schönen, durchaus ungewöhnlichen Objekt werden lässt.