U N B E K A N N T E R    K Ü N S T L E R :    „Die große Nacht…“ (1951)

Weitere Werke von unbekannten Künstlern

 

 
„Die große Nacht…“ (1951)

Mischtechnik auf Holz

€ 3.300,-

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Titel
„Die große Nacht…“ [so ein Teil aus dem verso befindlichen Gedicht]

Technik
Mischtechnik auf Holz

Signatur
ungedeutet monogrammiert („VW“?), verso nach dem Gedicht nochmals monogrammiert

Jahr
unten links datiert „1951“, verso nach dem Gedicht taggenau datiert „28.6.1951“

Größe
Größe: 119,7 x 101,7 cm

Zustand
Ecken / Kanten leicht berieben und bestoßen; leichte Craquelé-Bildung; im Bereich unten links (im graubraunen Bereich) berieben und leichte Beschädigugen an der Farbschicht; verso etwas (farb-)fleckig und berieben

 

 

Dieses großformatige Gemälde eines unbekannten, deutschen Künstlers entstand in der frühen Nachkriegszeit. Unter Umständen waren für den Künstler die Schrecken des Krieges durch eine anschließende Kriegsgefangenschaft auch noch über das Kriegsende hinaus präsent. Vor diesem Hintergrund der allumfassenden Zerstörung, des Leids und des Todes, muss dieses eigentümliche, schwer erschließbare Werk betrachtet werden.
Das Gemälde ist in vornehmlich dunklen, lasierenden Farbtönen aus Schwarz, Blau und Braun gehalten. Erst durch einen etwas stärkeren Lichteinfall eröffnet sich dem Betrachter der ganze Reichtum der filigranen, detaillierten Darstellung, die ansonsten fast wie ein schwarz monochromer Monolith wirkt.
Wir blicken hier auf eine karge, menschenleere, um nicht zu sagen: menschen-feindliche, Landschaft. Im unteren Bereich liegt der braune, zerklüfftete Boden mit kraterähnlichen Erhebungen. Dahinter erhebt sich eine dunkle, farblich fein nuancierte Wand, wobei nicht klar ist, ob es sich vielleicht um ein Gebirge oder um schwarze Wolken handelt. Weiter oben hin klart der Blick partiell auf und ein wenig Sonnenlicht bricht durch die Kaskaden der Dunkelheit, kann aber die Szenerie kaum merklich erhellen.
Das Ganze ist in seiner Ausdruckskraft überaus befremdlich und kalt, wie zugleich in seiner künstlerischen Umsetzung faszinierend und meisterhaft.

Die Verwendung einer lasierenden Mischtechnik auf Holz lässt zum einen deutlich an die Kunst der Neuen Sachlichkeit, wie zum anderen auch an altmeisterliche Malerei denken. Hat man nun noch im Sinn, dass im frühen 20. Jahrhundert diese Malweise im Speziellen bzw. das handwerkliche Malverständnis im Allgemeinen auch sehr durch den erstmals 1921 publizierten Besteller Max Doerners „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“ befördert wurde, so darf man dieses Werk sicherlich in eine solche Tradition stellen und für den Künstler womöglich eine vorhergehende akademische Ausbildung – vielleicht in einer für die Neue Sachlichkeit wichtigen Region bzw. Akademie – annehmen.
Der Kontext des Gemäldes wird vom Künstler selbst durch ein rückseitiges, am 28. Juni 1951 beendetes Gedicht gegeben. Demzufolge ist das Bild zu verstehen als eine apokalyptische Vision, eine Schau des (Welten-)Endes, welches aus Schwärze und Kälte besteht. So beginnt der Text mit der religiösen Formulierung „Ich sah ein ungeheures Bild: Die Nacht / brach ein in die Gestade unserer Erde“. Hierauf erstarb das Leben auf der Erde, das dunkle Meer erhob sich, Berge stürzten ein, eine unersättliche Schlucht tat sich auf, verschlang alles Leben in Kälte – „und sie nur blieb.“

Möchte man eine kunsthistorische Einordnung treffen, so verschließt sich das Werk mit seinem ungewöhnlichen Motiv und der offenkundig brillanten Maltechnik einer allzu schnellen Kategorisierung. In die typischen Schemata der „Kunst nach 1945“ passt dieses Objekt so gar nicht hinein. Sicherlich ist es mehr gegenständlich als abstrakt, aber diese Form der Gegenständlichkeit ist mit dem gewählten Motiv dann doch ungewöhnlich. Vielleicht mag man es in gewisser Weise in Bezug setzen zu einer wie auch immer gearteten religiösen Kunst, wie sie sich auch beispielsweise bei anthroposophischen Künstlern dieser Zeit findet. Obgleich sich bei diesen wiederum eine solche Schwärze und Negativität keinesfalls finden lässt.
Man geht sicher nicht fehl, wenn man dieses Gemälde als einen wirklich freien, persönlichen künstlerischen Ausdruck betrachtet. Es wird kaum primär gemalt worden sein für den Verkauf oder für eine öffentliche Ausstellung. Dafür sind Motiv, Thematik und malerische Umsetzung schlicht zu fordernd, als dass sich das Werk quasi im „Vorbeigehen“ bzw. „Vorbeischauen“ eröffnet. Zumal sich an diesem Objekt auch beispielhaft zeigt, dass gute Kunst eben nicht unbedingt als „schön“ oder gar „dekorativ“ gefallen muss.