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Landschaft (bei Dachau?) im morgendlichen Sonnenschein

Öl auf Malkarton, gerahmt
nicht datiert, (wohl) 1890-1900

€ 2.200,-

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Das Werk wurde Herrn Thomas Leon Heck (Dußlingen) im Original vorgelegt. Es wird von Herrn Heck in das von ihm bearbeitete Werkverzeichnis zu Paul Wilhelm Keller-Reutlingen aufgenommen.

 

 

Titel
o.T. [Landschaft (bei Dachau?) im morgendlichen Sonnenschein; vergleichbar mit den Werken „Früher Abend im spätherbstlichen Dachauer Moos“ (Abb. in Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen (Hrsg.) (1996): Paul Wilhelm Keller-Reutlingen 1854-1920; Tübingen: TC Druck; S. 39), „Moorlandschaft“ (Abb. in ebd.; S. 40), „Kleines Kornfeld“ (Abb. in ebd.)]

Größe
Rahmengröße: 32,2×44,8cm
Kartongröße: 20,5x33cm

Signatur
u.l. Signaturstempel in Schwarz, sowie verso mittig Nachlassstempel

Zustand
partiell leicht fleckig; an den Rändern rahmungsbedingt leicht fleckig und etwas berieben (unter Rahmen nicht sichtbar); verso an den Rändern umlaufend braunes Klebeband

Provenienz
1) Galerie Peter Griebert München-Harlaching [hierzu verso etwas farbschwacher Galeriestempel auf einem Etikett der „Kunst- und Antiquitäten Messe München 1970“] 2) u.r. auf dem Rahmen kleines Etikett von Kunsthandlung Heckenstaller, München

 

 

Werkbeschreibung

Nach einer Xylographenausbildung bei Gustav Adolf Closs in Stuttgart (1868-72) erhielt Paul Wilhelm Keller-Reutlingen seine künstlerische Ausbildung an der Kunstschule Stuttgart (1872-73), der Münchner Akademie (1873-74), sowie erneut in Stuttgart in der Malklasse von Karl von Häberlin (1874-75). Es folgte der Militärdienst bei den Gelben Dragonern in Ulm und eine Italienreise, bevor er 1879 eine Wohnung in München bezog. Bei der im selben Jahr im Glaspalast stattfindenden „Internationalen Kunst-Ausstellung zu München“ hatte er mit dem Gemälde „Mercato vecchio in Florenz“ (Kat.Nr. 532) seine erste Beteiligung. 1880 verzieht er nach Dachau, schließt sich den dortigen Künstlerkollegen an und bleibt dort bis zu seiner Rückkehr nach München im Jahr 1890 ansässig und tätig. Als Künstler ist Keller-Reutlingen zu dieser Zeit etabliert und anerkannt. – Er nimmt an zahlreichen Ausstellungen teil, deren Teilnahme mitunter auch prämiert wird (wie bspw. die Goldmedaille 1892 im Münchner Glaspalast), ist 1892 Gründungs- und später Vorstandsmitglied der Münchner Secession und seine Arbeiten werden von öffentlicher Seite (bspw. der württembergische Staat, sowie die Dresdner Gemäldegalerie) angekauft. Am 1. Januar 1900 schließlich verleiht ihm Prinzregent Luitpold von Bayern den Titel eines königlichen Professors.
Die vorliegende Landschaft dürfte in diese Schaffenszeit um 1890-1900 einzuordnen sein. Das eher kleine Format („Moorlandschaft“ (Abb. in Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen (Hrsg.) (1996): Paul Wilhelm Keller-Reutlingen 1854-1920; Tübingen: TC Druck; S. 40), „Kleines Kornfeld“ (Abb. in ebd.)) und auch der Bildaufbau, wonach der Himmel gegenüber der Landschaft etwa ¼ bis 1/5 der Bildfläche einnimmt (neben den zuvor genannten Werken, vgl. weiterhin „Großes Kornfeld“ (Abb. in ebd.; S. 38)), lassen sich als Vergleich heranziehen. Betrachtet man rein kompositorisch den Aufbau der Landschaft, so findet sich die markante Bilddiagonale zwischen dunklerem und hellerem Braun im rechten Bereich in einem augenscheinlich gleichen Winkel auch in dem Gemälde „Früher Abend im spätherbstlichen Dachauer Moos“ (Abb. in ebd.; S. 39).

Keller-Reutlingen zeigt dem Betrachter hier eine weite Landschaft, welche sich womöglich in die Dachauer Gegend lokalisieren lässt. Aus dem Vordergrund zieht sich ein dunkelbraunes Feld bis weit zum Horizont, der im Bildhintergrund durch Baumreihen, einzelne Bäume, sowie am rechten Rand auch von Häusern begrenzt wird. Vor diesen Häusern lockert sich das Kolorit durch eine hellbraune Fläche mit vereinzelten Grünpartien etwas auf.
Ohne Zweifel mag das Hauptaugenmerk des Künstlers auf dem Licht und dem Umgang mit diesem gegolten habe. Trefflich schreibt Claus Zoege von Manteuffel zur Bedeutung des Lichts in der Landschaftsmalerei des Künstlers: „In den Landschaften von Paul Wilhelm Keller-Reutlingen tritt vor allem seit den neunziger Jahren immer wieder etwas in Erscheinung, das man mit diesem Drang, mehr zu sagen, in Verbindung bringen kann. Er wählt häufig Motive und Situationen für seine Bilder aus, bei denen das Licht, etwa die Sonnenstrahlung am Abend, eine große Rolle spielt. Dabei arbeitet er einerseits die Farbverschiebungen zwischen Schatten- und Lichtpartien deutlich heraus und betont andererseits die angestrahlten Flächen so, daß sie zu leuchten scheinen. Bei aller Sorgfalt der genauen Wiedergabe der sichtbaren Dinge entsteht so ein Eindruck von Unwirklichkeit, von Traumhaftigkeit“ (Claus Zoege von Manteuffel (1996): Paul Wilhelm Keller-Reutlingen. Eine kunsthistorische Einordnung, in: Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen (Hrsg.): Paul Wilhelm Keller-Reutlingen 1854-1920; Tübingen: TC Druck; S. 9-11 [hier: 11]).
Betrachten wir nun diese kleine Landschaft, so findet sich die Lichtquelle – die Morgensonne – zentral am oberen Bildrand. Gleißend und schimmernd in ihren Konturen bricht sie mit ihren Strahlen durch die Wolkendecke und erhellt dezidiert in einem bis zum Betrachter sich ziehenden, goldenen Streifen die Landschaft unter ihr. Dabei verschwimmen die Bäume im Hintergrund stärker und sind noch deutlich aufgehellt, wogegen der helle Streifen je mehr er dem Vordergrund sich nährt an Strahlkraft verliert und sich im Dunkel des Felders verliert.
Farblich, kompositorisch und atmosphärisch ein überaus feinfühliges und stimmiges Werk des ‚bedeutendsten Malers aus Reutlingen‘ (T.L. Heck).

 

 

Zu Paul Wilhelm Keller-Reutlingen (04.02.1854 Reutlingen – 10.01.1920 München):
Maler; Sohn von Adolf Heinrich Keller (1815-1890); Bruder von den ebenso künstlerisch tätigen Adolph d.J. (1840-[um 1900]) und Franz (1852-1938); 1862-68 Besuch der Reutlinger Realschule; 1868-72 Xylografenausbildung bei Gustav Adolf Closs in Stuttgart; 01.04.1871 Tod der Mutter; 1872-73 Besuch der Kunstschule Stuttgart (u.a. bei Bernhard von Neher); 1873-74 Besuch der Kunstakademie München (u.a. bei Otto Seitz); 1874-75 Teilnahme an der Malklasse von Karl von Häberlin in Stuttgart; 1875-76 Militärdienst in Ulm bei den Gelben Dragonern; 1876-79 Italienreise; 1879 Wohnung in München; 1879 mit dem Gemälde „Mercato Vecchio in Florenz“ beteiligt bei der Internationalen Kunst-Ausstellung in München; 1880-90 in Dachau ansässig; März 1887 er verzichtet auf sein Reutlinger Bürgerrecht; 29.09.1890 Tod des Vaters, der ihm ein beträchtliches Vermögen hinterlässt; im selben Jahr Umzug nach München; 1892 Goldmedaille bei der Glaspalast-Ausstellung; 1892 Gründungsmitglied der Münchner Sezession; 1893-1901 regelmäßige Beteiligungen auf den Großen Internationalen Kunstausstellungen in Berlin; 1893-1914 häufige Beteiligungen an Ausstellungen der Münchner Sezession; 1895-98 Mitglied des Vorstands der Münchner Sezession; 1895 Umzug nach Fürstenfeldbruck; Mitarbeit an der Zeitschrift „Jugend“; 15.11.1898 Heirat mit Albertine, geb. Wetzel (1867-1926); 01.01.1900 Verleihung des Professorentitels durch Luitpold von Bayern; 1902 erneuter Umzug nach München, er behält aber ein Atelier in Fürstenfeldbruck; am 10.01.1920 stirbt er an einem Schlaganfall
Werke Keller-Reutlingens befinden sich u.a. im Kunstmuseum Albstadt, in der Gemäldegalerie Neue Meister (Dresden), der Kunsthalle Kiel, der Städtischen Galerie Konstanz, dem Museum für bildende Künste (Leipzig), dem Gutenberg-Museum Mainz, der Bayerischen Staatsgemäldesammlung (München), dem Kunstmuseum Spendhaus (Reutlingen), dem Heimatmuseum Reutlingen, dem Museum of Fine Arts San Francisco.

Literatur
EBNET, Werner (2016): Sie haben in München gelebt: Biografien aus acht Jahrhunderten; München: Allitera; S. 315
HECK, Thomas Leon: Keller-Reutlingen, Paul Wilhelm, in: „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion, Künstler-ID: 00156808
HECK, Thomas Leon / LIEBCHEN, Joachim (1999): Reutlinger Künstler Lexikon; Reutlingen – Tübingen: Nous Verlag; S. 137
HERES, Horst (1985): Dachauer Gemäldegalerie; Dachau: Bayerland; S. 219
Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen (Hrsg.) (1996): Paul Wilhelm Keller-Reutlingen 1854-1920; Tübingen: TC Druck
Internetseite zum Künstler [kellerreutlingen.de]