A L F R E D    G O M E R S A L    V I C K E R S

 

 

 

„Potsdam vom Mühlenberg aus gesehen“ (um 1833-36)

Bleistift auf sandfarbigem Velinpapier, verso durch kleine Klebestreifen säurefrei auf Karton gesetzt, unter Museumsglas, gerahmt, frühere Rahmenrückwand lose anbei [Rahmung spätestens erstellt durch die „Ford Foundation“, da sich an der Seite deren Sammlungsplakette befindet.]

€ 2.300,-

Kaufanfrage

 

 

Titel
o.l. in Blei bez. „Potsdam vom Mühlenberg aus gesehen“, sowie u.r. bet. „Potsdam“, sowie verso mittig in brauner Tinte bez. „No II Potsdam“
Im oberen Bereich hat der Künstler mehrere Bezeichnungen in Blei zu den dargestellten Gebäuden angegeben (bspw. Heilig-Geist Kirche, Garnisonkirche, Waisenhaus, Neues Palais).

Entstehungsjahr
nicht datiert [um 1833-36]

Größe
36 x 50cm (Rahmen) bzw. 27,6 x 41,9cm (Blatt)

Signatur
nicht signiert, verso auf Rahmenrückwand o.l. in Blei bez. „W2065 / A.G. Vickers 1810-1837 / Potsdam“, sowie verso auf früherer (lose beigefügter) Rahmenrückwand Etikett der „Ford Foundation“ mit maschinenschriftl. Angaben zum Künstler

Zustand
Blatt verso durch kleine Klebestreifen säurefrei auf Karton gesetzt; Blatt mit leichten Druckstellen; im rechten Blattbereich leichte vertikal verlaufende Knickspur; in den Randbereichen mitunter etwas fleckig, nachgedunkelt; am oberen Rand links und rechts vereinzelt kleine Druckstellen; verso in den vier Ecken Reste früherer Befestigung (kleine Klebestreifen); verso u.l. in Blei bez. „W2065“, sowie verso o.l. in Blei bez. „No 51“
Rahmen mit leichten Gebrauchsspuren (etwas berieben, an Ecken / Kanten leicht bestoßen, partiell leichte, dezente Ausbesserungen); Rahmenrückwand etwas fleckig, sowie an den Rändern mit kleinen Einrissen aufgrund früherer Befestigung durch Nägel, frühere Rahmenrückwand lose anbei

Provenienz
1) Durlacher Bros. Gallery, New York [Hierzu verso auf Rahmenrückwand o.l. kleines Etikett „SP 30 / Durlacher“];
2) unbek. Datum, bei 1) erworben von Ford Foundation, New York [Hierzu verso auf früherer (lose beigefügter) Rahmenrückwand Etikett der „Ford Foundation“ mit maschinenschriftl. Angaben „Purchased from Durlacher Bros., New York“, sowie daneben in Rot die Inventar-Nr. „332“; weiterhin an Rahmenseite kleines Metallschild mit Prägung „The Ford Foundation / 0332“];
3) von 2) eingeliefert, 05.11.2016, Millea Bros Auctioneers, Boonton (New Jersey), Auktion [„Fine Art: British“], Los 3195

 

 

In Alfred Gomersal Vickers nur kurzem künstlerischem Schaffen entstanden vor allem Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen. Neben maritimen Motiven waren es Stadtansichten, welche ihn besonders reizten. Und zweifelsohne waren es auch jene detailreichen, feinlinigen Architektur- und Stadtkompositionen, die ihm bereits in frühen Jahren zu einer beachtlichen Bekanntheit verhalfen.
Mit nicht einmal 18 Jahren begann er auszustellen und mit 23 Jahren erhielt er von einem der damals wohl einflussreichsten Verleger Englands, Charles Heath (1785-1848), den Auftrag für dessen Periodica „Annuals“ Zeichnungen aus Russland anzufertigen[1]. Hierfür reiste Vickers über Norddeutschland, Polen und das Baltikum nach Russland und sowohl während der Hin- als auch der Rückreise entstanden Ansichten aus Städten in denen der Künstler Halt machte – nachweisen lassen sich u.a. Ansichten aus Hamburg, Lübeck, Berlin[2], Potsdam[3], Krakau.
1836 wurden die Zeichnungen russischer Städte gedruckt, als Stahlstiche vervielfältigt und erschienen in der Folge sowohl in den „Annuals“ als auch in der Publikation „A Journey to St. Petersburg and Moscow through Courland and Livonia“ von Leitch Ritchie.

Die vorliegende Zeichnung ist in diese Schaffensphase einzuordnen, wobei unklar ist, ob Vickers das Motiv bei seiner Hin- oder erst bei der Rückfahrt fand.

Ganz typisch für den Künstler ist der Detailreichtum des Dargestellten, wie die einzeln herausgearbeiteten Hausdächer, ebenso die Bäume oder auch die Windmühlen am linken Rand. Der ‚vom Mühlenberg aus‘ hinweg über die Havel weit in das Bild führende Blick zeigt die Silhouette Potsdams mit ihren markanten Bauwerken. Vickers hat deren Namen am oberen Rand in Bleistift festgehalten, wobei sich in wenigen Fällen – beispielsweise „Heilig[sic!] Geist Kirche“ – zeigt, dass er eben kein Muttersprachler im Deutschen war. Verso ist das Blatt vom Künstler nochmals mit dem Namen der Stadt in Tinte bezeichnet, was sich in seinem damaligen Schaffen öfters findet.

Neben der rein zeichnerischen Qualität erhält das vorliegende Werk ohne Zweifel auch aufgrund der Provenienz eine exponierte Stellung. So war das Werk vormals im Bestand der renommierten, 1843 damals noch in London gegründeten Kunsthandlung „Durlacher Bros.“ in New York, bevor es dort von der nicht weniger renommierten „Ford Foundation“ gekauft wurde. Diese gibt vereinzelt immer wieder Teile ihrer umfangreichen Kunstsammlung auf den Kunst- und Auktionsmarkt, um mit dem Erlös soziale Projekte zu fördern [4].

Bedenkt man zudem, dass das Œuvre von Alfred Gomersal Vickers, allein schon aufgrund der nur kurzen Lebens- und Schaffenszeit, im Gegensatz zu anderen Künstlern zahlenmäßig eher begrenzt ist, so darf diese voll überzeugende Potsdam-Ansicht in Verbindung mit der reizvollen Eigentümergeschichte als ein sehr schönes Rarissimum betrachtet werden.

[1] Vgl. hierzu u.a. Strachan, Edward / Bolton, Roy (2010): Views of Russia & Russian Works on Paper; London: Sphinx Books; S. 26.
[2] Für Berlin ist hier exemplarisch die wunderschöne Arbeit “The Gendarmenmarkt, Berlin showing the French and German Cathedrals“ zu nennen (versteigert am 06.12.2012 bei Christie´s, London, Sale 7893, Los 283).
[3] Bei Potsdam ist erwähnenswert, das seine Zeichnung mit der Ansicht auf das Neue Palais im Späteren als Vorlage für einen Stahlstich von Edward Radclyffe (1809–1863) diente.
[4] So zuletzt beispielweise im Dezember 2016 (Sale 12199) und Januar 2017 (Sale 13246) bei Christie´s in New York („Property from the Holdings of the Ford Foundation”).

 

 

Zu Alfred Gomersal Vickers (21.04.1810 Lambeth – 12.01.1837 Pentonville):
Englischer Maler und Zeichner; Sohn des Malers Alfred Vickers (1786-1869); Einflüsse erhielt er besonders von François Louis Thomas Francia und Richard Parkes Bonington; ab etwa 1827 trat er mit seinem Schaffen in die Öffentlichkeit und stellte Gemälde und Aquarelle u.a. in der „Royal Academy“ und der „New Watercolour Society“ aus; 1833 erhielt er von Charles Heath (1785-1848) den Auftrag für dessen „Annuals“ Zeichnungen aus Russland anzufertigen, wofür er über Norddeutschland nach Russland reiste (während der Reisen entstanden auch Zeichnungen aus u.a. Hamburg, Berlin, Potsdam, Krakau); Zeichnungen aus Russland wurden im Späteren auch als Kupferstiche vervielfältigt und erschienen neben den „Annuals“ auch in der Publikation „A Journey to St. Petersburg and Moscow through Courland and Livonia“ (von Leitch Ritchie, 1836); am 16. Februar 1837 wurde sein Nachlass von Christie´s in London versteigert
A.G. Vickers schuf vornehmlich maritime Motive, sowie Stadt- bzw. Architekturansichten.
Werke befinden sich u.a. im Besitz des Victoria and Albert Museum (London), des National Maritime Museum (London), der Alfred East Gallery (Kettering), dem National Trust – Plas yn Rhiw, dem Fitzwilliam-Museum (Cambridge), dem Yale Center for British Art (Yale, USA), dem Rhode Island School of Design Museum (Providence, USA), der Huntington Art Collections (San Marino, USA), der Mährischen Landesbibliothek (Brno).

Literatur
„Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion, Künstler-ID: 00240466
Strachan, Edward / Bolton, Roy (2010): Views of Russia & Russian Works on Paper; London: Sphinx Books; S. 26
Wright, Christopher (2006): British and Irish Paintings in Public Collections; Yale University Press; S. 790
Redgrave, Samuel (Einl.) (1877): A Descriptive Catalogue of the Historical Collection of Water-Colour Paintings in the South Kensington Museum; London: Chapman and Hall; S. 212