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„Stiefmütterchen“ (1990)

Öl auf Leinwand, gerahmt [Originalrahmen];
oben links signiert „Richild Holt“
oben links datiert „[19]90“

Größe: 40 x 30 cm (ohne Rahmen) bzw. 42,5 x 32,5 cm (mit Rahmen)

€ 2.000,-

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Zustand
sehr schöner Zustand

Ausstellungen
20. Juli – September 2017, „Ungezeigte Bilder“, Katharinenhospital, Stuttgart

 

 

Richild Holt (recte: Richild von Holtzbrinck) fand erst verhältnismäßig spät den Weg zur Kunst. – Oder besser gesagt: sie konnte diesen nicht eher beschreiten. Denn Ihr Leben lang war es doch die Kunst, die sie anzog. So ist es auch zu verstehen, wenn sie ihrem Vater, ein Professor für Bodenkultur, nach ihrem Abitur offenbarte, dass sie „nichts anderes als Malerin“ werden könne [1]. Dieser wischte dies barsch beiseite und erklärte, dass Frauen Genie nicht eigen sei und sie sich eher auf die Ehe und Kinder beschränken solle.
Nachdem dann der Vater die Familie auch noch verließ, mag dieser Zwang zwar gefallen sein, doch wuchsen dafür die finanziellen Sorgen. Im Vordergrund stand demnach das Geldverdienen, und die Kunst musste warten. Nach dem Besuch der Wiener Fachschule für Wirtschaftswerbung begann sie in internationalen Unternehmen Karriere zu machen. In ihrer freien Zeit malte und zeichnete sie stets.
Nach ihrer Heirat 1968 begann sie ein Studium an der New School for Social Research (New York City), was wie die Erfüllung ihres lang gehegten Wunsches wirken musste. Jedoch kündigten sich in den nächsten Jahren ihre drei Kinder an, so dass die Familie unweigerlich in den Vordergrund rückte und zum vorzeitigen Abbruch des Studiums führte. Erst 1981 kann sie ihr tatsächliches Kunststudium an der Stuttgarter Akademie beginnen, welches sie 1985 abschloss. Kurze Zeit später, im Januar 1987, werden 18(!) ihrer Werke bei einer Gruppenausstellung im „Mussavi Arts Center“ (New York) gezeigt. Dort ist man von der Künstlerin und deren Schaffen so angetan, dass man ihr das Angebot einer Einzelausstellung macht. Sie stimmt zu und die Schau fand noch in demselben Jahr statt – vom 5. November bis 12. Dezember.
Ab dieser Zeit „begann der Zug abzufahren“, wie die Künstlerin es selbst im Rückblick sagt. – Es folgten zahlreiche nationale und internationale Ausstellungen, wobei erstaunlich, oder besser: bedauerlich, ist, dass man im Ausland viel schneller auf Richild von Holtzbrinck aufmerksam wurde als in Deutschland.

Nur kurze Zeit nach dem Ende der Studienzeit trat die nächste Zäsur im Leben der Künstlerin auf.

„Im August 1987 diagnostizierten Ärzte bei Richild von Holtzbrinck Krebs: In ihrer linken Brust wuchsen mehrere Tumoren, einer davon gehörte zu einem Typus, der dazu neigt, spiegelbildlich aufzutreten. Die niederschmetternde Prognose lautete, dass die Malerin vielleicht noch zwei Jahre zu leben hätte.

Ein Fehlurteil, wie sich zeigte, denn trotz seiner Größe hatte der Krebs glücklicherweise keine Metastasen gebildet. Um das Risiko einer erneuten Krebserkrankung zu minimieren, ließ sich die Künstlerin schließlich auch ihre rechte Brust entfernen.“ [2]

Diese Operationen erfolgten bis 1990. Für die Künstlerin eine überaus dramatische Lebensphase.
Das vorliegende Stillleben entstand 1990 und ist damit genau in diese Lebens- und Schaffensphase einzuordnen. Neben Porträts und figürlichen Kompositionen, sind es Stillleben, die immer wieder im Werk der Künstlerin auftauchen.
Dieses dem Motiv nach scheinbar schlichte Arrangement mit einem Stiefmütterchen in einem Tonkrug, der auf einem Teller platziert ist, erweist sich bei genauerem Betrachten als überaus durchdacht und wirkmächtig was Aufbau und Kolorit angeht. Aus einem erhöhten Blickwinkel schauen wir als Betrachter auf dieses Motiv; das Licht fällt von rechts ein, so dass Tonkrug, Blume und Teller ihre Schatten in unsere Richtung werfen. Zugleich gelingt es der Künstlerin mit diesen Schatten auch das monochrome Kolorit des Untergrunds aufzubrechen, kommt doch so ein etwas dunkleres Violett zum Tragen. Das Arrangement steht nun aus dem Bildzentrum etwas nach rechts gerückt am Bildrand und ebenso steht auch der Tonkrug mit der Blume am rechten Tellerrand, was diese Seitwärtsbewegung nochmals aufgreift. Ein Gegenpol dazu bildet nun die Blume selbst, deren Blüten deutlich einen Drang nach links haben und so für einen lebendigen Ausgleich im Bildgefüge sorgen.
Die dunkelvioletten Blüten sind ebenso wie Teile der Blätter mit pastosem Farbauftrag gemalt, was für eine erstaunliche Lebendigkeit sorgt und zugleich die Spannung des in wellenförmigen, schnellen Strichen ausgeführten Hintergrunds wunderbar aufgreift. Das Braun des Krugs ist in seiner Schlichtheit eine überaus elegante Wahl, kann doch so die Künstlerin auf eine ganz subtile Weise einen eher warmen Ton in dieses vornehmlich aus Blau-, Grün- und Violettwerten aufgebaute Stillleben einfügen.

Zu den Stillleben Richild Holts schreibt Martin Langanke unter anderem das Folgende, welches je nach Betrachter auch auf dieses schlicht faszinierende und reizvolle „Stiefmütterchen“ zutreffen mag:

„Da ist aber zum Zweiten auch der Umstand, dass Menschen in der Rezeption von abbildender Gegenwartskunst immer noch die Erfahrung des ’neuen Sehens‘ machen können, indem sie an und mit solcher Kunst lernen, die vertrauten Dinge, ‚mit anderen Augen‘ zu betrachten. Es ist eben nicht so, dass die Welt der Dinge und Lebewesen längst ‚auserzählt‘ wäre. Auch heute noch gibt es Maler oder Bildhauer, die uns unsere Ding-Welt in ihren Werken so zu präsentieren wissen, dass diese Werke beim Betrachtenden ‚Aha!‘-Erlebnisse auslösen können, Erlebnisse, die dazu befähigen, das Vertraute ‚wie zum ersten Mal‘ oder zumindest genauer, facettenreicher, vielschichtiger als bisher zu sehen.“[3]

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[1] Zitiert nach Felix Schmidt: “Ist mein Talent nur dazu da, vererbt zu werden?”, Welt am Sonntag, Nr. 37 (13.09.1992), S. 55.
[2] „Metamorphose. Ein Interview mit Richild von Holtzbrinck“, unpag. [S. 1], Beilage zu: Deutsches Krebsforschungszentrum (2018): Metamorphose. Kunstwerke von Richild von Holtzbrinck; Heidelberg: ZVD
[3] Martin Langanke (2022): Dinge im sozialen Raum – Die Stillleben der Richild Holt, in: Maximilian von Koskull (Hrsg.): Richild Holt. Farbe und Linien, München: Schillo, S. 66-89 [hier: 68].

 

 

Zu Richild Holt (recte: Richild von Holtzbrinck) (geb. 1941 in Kärnten):
Malerin, Zeichnerin; 1948 Umzug der Familie nach Osnabrück, dort Besuch des Gymnasiums für Mädchen St. Angela; es entstehen zu dieser Zeit erste Zeichnungen; 1956 Trennung der Eltern und die Mutter zieht mit den drei Töchtern nach Tirol; dort Besuch des Gymnasiums in Innsbruck, wo die Zeichenlehrerin Hertha Lischke prägenden Einfluss hat; 1960-62 Besuch der „Fachschule für Wirtschaftswerbung“ in Wien; 1962-68 Tätigkeit in der freien Wirtschaft; 12.03.1968 Heirat mit Dieter von Holtzbrinck und Umzug nach New York; 1968-69 Studium an der New School for Social Research (New York City); 1969-75 Geburt der drei Kinder; 1981-85 Besuch der Kunstakademie Stuttgart; im Januar 1987 erste Ausstellungsbeteiligung (Mussavi Arts Center, New York); August 1987 Krebsdiagnose und die Künstlerin lässt sich aus Vorsicht beide Brüste abnehmen; 1986-90 es entstehen die ersten Selbstbildnisse des „Metamorphose-Zyklus“ (heute ausgestellt im „Deutschen Krebsforschungszentrum“, Heidelberg); bis Mitte der 1990er Jahre eher dunkles Kolorit („schwarze Phase“), was sich danach deutlich aufhellt; ab 1997 geht sie in „zeichnerischer Malerei“ der Frage nach wie sich eine schnelle sicher erfasste Linie mit Malerei verbinden lässt; 2001 Scheidung der Ehe; 2001 Besuch der Sommerakademie in Salzburg (Kurs bei Xenia Hausner)

Als Vertreterin der figurativen Malerei widmet sich die Künstlerin vor allem dem menschlichen Porträt und dem Selbstporträt. Sie porträtierte u.a. Helmut Schmidt, Edward E. Booher, Rosa von Praunheim, Bel Kaufman, Renate Merklein, Esther Goshen-Gottstein, Fritz Leonhardt, Helmut Engler, Teddy Kollek, Franz Effenberger, Karl Schiller, Horst Stern.

Daneben entstehen auch Landschaften und eindrucksvolle Stillleben.

Richild von Holtzbrinck lebt und arbeitet in Stuttgart.

Einzelausstelllungen
1987 Musavi Arts Center, New York; 1989 The National Arts Club, New York; 1991 Galerie Efté, Paris; 1992 Galerie Rondula, Wien; 1993 The Jerusalem Theater, Jerusalem; 1994 MB-ART Galerie, Stuttgart; 1995 Kammertheater Stuttgart; 1996 Wendelin Niedlich, Stuttgart; 1998 Carola-Blume-Saal, VHS Stuttgart; 1999 National Museum, Prag; 2000 Apfelbaum Galerie im Kongresshaus Baden-Baden; 2002 Galerie Stuker, Zürich; 2003 Galerie Rondula, Lienz; 2005 Rehabilitationskrankenhaus Saulgau (»Sports«). Dauerausstellung bis 2010; 2006 The National Arts Club, New York; 2006 Literaturhaus Stuttgart; 2008 DGPA (Deutschsprachige Gesellschaft für Psychopathologie des Ausdrucks und Kunst), Basel: Zeichnungen „Psychiatriepatienten“; 2009 Kunstverein Wasserschloß Bad Rappenau e.V – Galerie Steiner; 2010 Katharinenhospital Stuttgart „Sports“; 2012 Katharinenhospital Stuttgart „Eros und Thanatos“; 2012 Katharinenhospital Stuttgart „Portraits“; 2014 Katharinenhospital Benefizausstellung; 2017 Katharinenhospital Benefizausstellung „Ungezeigte Bilder“

Gruppenausstellungen
1986 Mussavi Arts Center, New York; 1987 ART EXPO, New York; 1989 Sommerausstellung, East Hampton Museum, Long Island; 1992 Retrospektive Ausstellung der Galerie Efté, Paris; 1993 Galerie Rondula, Lienz, Österreich; 1993 Kultur Forum Europa, Schloss Nörvenich bei Bonn; 1994 Möhringer Bank mit MB ART Galerie, Stuttgart; 1995 MB-ART Galerie, Stuttgart; 2000 KK Galerie, Essen / Release und Kunst, Stuttgart / Galerie Ruländer, Worpswede; 2001 DGPA (Deutschsprachige Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks e.V.), München; 2005 DGPA (Deutschsprachige Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks e.V.), München; 2006 Galerie Richter & Masset, München „Ball-Künstler“; 2007 Galerie NOAH im Glaspalast, Augsburg

Mitgliedschaften
Ehrenmitglied der „Deutschsprachigen Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks“ (DGPA); Ehrenmitglied des National Arts Club, New York; 1988-2005 Mitglied des Vorstands des Galerievereins der Staatsgalerie Stuttgart; 2006 Ehrenmitglied des Galerievereins der Staatsgalerie Stuttgart; Ab 2006 Mitglied des Vorstandes der Freunde des Literaturhauses Stuttgart.

Lehrtätigkeit
1995 – 2001: Akt, Malen und Zeichnen, VHS Stuttgart; 1995 – 2001: Freies Zeichnen: Merz-Akademie Stuttgart; 2005 – 2007: Akt: Malen und Zeichnen, Kunstakademie Esslingen; 2008 – 2013: Workshop für Psychatriepatienten, Rudolph Sophien Stift Stuttgart

Veröffentlichungen
1995, „Ich ändere nie die Nase“ – Sehen, Gesehenwerden und Sichtbar- machen beim Porträtieren und in der Psychotherapie (zusammen mit Walter Pöldinger, mit einem Vorwort von Hartmann P. Hinterhuber); Reinbek: Rowohlt Verlag

Werke
Werke befinden sich neben privaten Sammlungen u.a. im Besitz von: Stiftung Historische Museen Hamburg – Museum für Hamburgische Geschichte; Museum of Women in the Arts, Washington, DC.; Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg; Universität Stuttgart; Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Baden-Württemberg; National Arts Club, New York

Literatur
The National Arts Club (2006): Richild Holt. A View of Life, New York and Love of the Soul [Katalog zur Ausstellung vom 07.-24. Dez. 2006]; Ostfildern: Cantz
Koskull, Maximilian von (Hrsg.) (2022): Richild Holt. Farbe und Linie, München: Schillo
Deutsches Krebsforschungszentrum (2018): Metamorphose. Kunstwerke von Richild von Holtzbrinck; Heidelberg: ZVD
National Museum of Prague (1999): The Islands of Richild Holt at the National Museum; Prague: Decibel
Dreifuss-Katan, Esther (1993): Krebs. Kreativität und Selbst-Heilung; Frankfurt a.M.: Fischer; S. 168-173
Richild Holt (1994): Paintings and Works on Paper 1990-1993; Leck: Clausen & Bosse
Richild Holt (1994): Paintings and Works on Paper 1991-1993. Sports; Leck: Clausen & Bosse
Richild Holt (1991): Paintings and Drawings. Caesura; Stuttgart: Cantz
Richild Holt (1991): Paintings and Drawings 1988-1990; Stuttgart: Cantz
Richild Holt (1989): Paintings and Drawings; Stuttgart: Cantz
“Allgemeines Künstlerlexikon” (AKL), Onlineversion, Künstler-ID: 40576322