O T T O M I N D H O F F (03.04.1932 Blankenstein – 13.11.2019 Schwetzingen)
„Versuchsstation“ (1978)
Acryl auf Hartfaserplatte, gerahmt [Originalrahmen]
€ 1.400,-
Signatur & Entstehungsjahr
unten links signiert „MINDHOFF“, sowie verso auf Ausstellungsetikett mit Künstlernamen bezeichnet, sowie verso auf dem unteren Rahmenelement Künstlerstempel
unten links datiert „[19]78“
Titel & Größe
verso auf einem Ausstellungsetikett des „Künstlerbundes Baden-Württemberg“ mit „Versuchsstation“ betitelt
Größe: 50 x 72 cm (ohne Rahmen) bzw. 53 x 75,4 cm (mit Rahmen)
Zustand
insgesamt leicht beschmutzt und etwas staubig; an den Plattenrändern rahmungsbedingt etwas berieben (an den seitlichen Rändern etwas stärker), sowie mit einigen kleineren Verlusten der Farbschicht in diesen Bereichen; im Bereich unten rechts sehr kleiner Verlust der grünen Farbschicht (etwa 1x1mm); im Bereich oben rechts sehr kleiner Verlust der hellblauen Farbschicht (etwa 1x1mm)
Platte verso etwas fleckig, sowie links mit Bleistiftlinien, sowie mit zwei aufgeklebten Zeitungsartikeln bzw. Kopien davon bzgl. Otto Mindhoff
Rahmen an wenigen Stellen leicht berieben
Ausstellung
Verso Ausstellungsetikett einer Jahresausstellung des „Künstlerbundes Baden-Württemberg“. Für die möglichen Jahre 1978 und 1979 ist dieses Werk in den Katalogen nicht nachweisbar, so dass anzunehmen ist, dass es zu keiner Hängung kam.
„Die Jugendzeit Otto Mindhoffs, geboren 1932, vermittelte ihm die Faszination der Technik und die Schrecken des Krieges mittels eben dieser Technik. Seine malerische und grafische Metapher des technisch definierten Menschen, des von ihm so genannten ‚Technoiden‘ […], spiegelt deutlich diesen Widerspruch.“
Durch das ganze künstlerische Wirken hindurch ist es vor allem die Darstellung dieses „Technoiden“, die Otto Mindhoff fasziniert und bearbeitet. Mit diesem Terminus umschreibt der Künstler den Menschen, der in einer von der Technik bestimmten Umwelt lebt, von dieser beeinflusst wird und diese wiederum beeinflusst. Oder wie er es selbst ausdrückt:
„Mein eigentliches und immer wiederkehrendes Thema ist der Mensch in seiner Umwelt. Und da diese Umwelt von der technischen Entwicklung bestimmt ist, fällt diese Tatsache auf den Menschen zurück.“ [1]
Dieses Zitat beinhaltet nun keineswegs Technikkritik, sondern zeigt vielmehr Mindhoff als reflektierten Beobachter und Analysten der Umstände [2], der sich gerade als bildender Künstler des fruchtbaren Spannungsfeldes von „ästhetischer Technik“ (Christoph Hubig) und technischer Ästhetik bewusst ist.
Etwa in der Mitte der 1970er Jahre kommt es dabei zu einer gewissen Verschiebung der Hauptmotive. Der Kopf des Technoiden tritt gegenüber der nun malerisch näher zu ergründenden Umwelt zurück. Landschaft ist dabei nicht im gängigen, vertrauten Sinne zu verstehen, sondern zeigt sich bei Mindhoff „als genormte, von Technik korrigierte ‚Natur‘. Schablonen verleihen ihr Kontur, sie wirkt statisch und künstlich. Topographie verdichtet sich in Elementarzeichen. Der Mensch ist darin ausgespart, nur die sichtbaren Konsequenzen seines Tuns machen ihn präsent […]“. [3]
Die hier gezeigte „Versuchsstation“ aus dem Jahr 1978 ist in diese Schaffensphase einzuordnen.
Ganz wie von Dagmar Burisch in obigem Zitat beschrieben, setzt Mindhoff diese Landschaft aus drei einzelnen Teilen schablonenhaft zusammen. Links im Bild die große Fläche des Himmels mit lockeren Wolken, rechts im Bild eine grüne, sauber symmetrisch angeordnete Fläche (Wiese?) mit darüber liegendem Himmel. Und vor diese „eigentliche Natur“ setzt Mindhoff nun zentral, gewichtig und dunkel die Technik in Form zweier großer runder kolbenförmiger Bauwerke. Diese kühle, sterile „Versuchsstation“ dominiert deutlich über die sie umgebende Umwelt. Dabei bleibt es freilich offen und der Interpretation des Betrachters überlassen, um welche Form von „Versuchen“ es bei diesem Bauobjekt geht.
Rein temporäre, zeit-, kultur-, oder umweltgeschichtliche Attribute, die sich beispielsweise an bestimmten Ereignissen festmachen ließen, fehlen gänzlich. Dass dies nicht vom Künstler ausdekliniert wird, darf als Stärke des Bildes angesehen werden, bleibt doch so die Wirkung, welche gerade in dieser zeitlosen, wechselseitigen Dreierbeziehung zwischen Umwelt, Technik und Mensch begründet ist, erhalten und verliert sich nicht in vergangenen zeitgeschichtlichen Kontexten. Der heutige Betrachter kann dieses Werk mit derselben Neugier und vielleicht auch mit demselben Schauder ansehen, wie dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
Vor diesem Hintergrund ist es Otto Mindhoff gelungen mit dieser „Versuchsstation“ ein zeitunabhängiges Muster, eine Chiffre zu malen, auf welche die Betrachter aus verschiedenen Zeiten mit ihren jeweils eigenen Erfahrungen, Interessen, aber auch Ängsten und Sorgen reagieren können und vielleicht auch reagieren müssen.
„Einerseits bedeutet Technik Fortschritt und Überlegenheit, andererseits macht sie sich nach der dritten industriellen Revolution den eigenen Erzeuger untertan, der Mensch wird Teil der von ihm ersonnenen Maschinerie. […] Der zivilisatorisch-technische Prozeß, der alles vergangene überrollt hat und alles gegenwärtige konditioniert, macht den Menschen zum Objekt. Er [d.h. Otto Mindhoff] zeigt, wie die Maschinen das Verhalten der Menschen bestimmen, nicht umgekehrt. Aber Mindhoff sieht dies ganz realistisch. ‚Technik ist weder gut noch böse‘, sagt er, ‚ich male keine Programm‘.“ [4]
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[1] Zitiert nach: Dagmar Burisch (1995): Zur künstlerischen Arbeit Otto Mindhoffs, in: Kunstverein Schwetzingen (Hrsg.) (1995): Otto Mindhoff. 1960-1995. Grafik, Malerei, Altlußheim: Schlothane, unpag. [S. 7-23, hier: 14].
[2] Es mag hier vielleicht Walter Benjamin in den Sinn kommen, der ebenso keinen kritischen, sondern eher einen utopischen Technikbegriff hatte. Siehe hierzu bspw. Benjamins Text „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser (Hrsg.) (1980): Walter Benjamin – Gesammelte Schriften Band I, Teil 2, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 507). [3] Burisch 1995: 18. [4] Sibylle Setzler (1998): Die Industrie in Malerei und Grafik, in: Wilfried Setzler et al.: Von Menschen und Maschinen. Industriekultur in Baden-Württemberg, Stuttgart / Weimar: Metzler, S. 261-287 [hier: 287].
Zu Otto Mindhoff (03.04.1932 Blankenstein – 13.11.2019 Schwetzingen):
Maler, Grafiker; 1946-49 Lehre als Maler und Schriftenmaler; 1950-54 Ausbildung zum Grafikdesigner an der Folkwang-Werkkunstschule (Essen); 1954-56 eigene Schriftenmalerwerkstatt; 1956-57 Studium an der Kunstakademie Stuttgart (bei Rudolf Yelin d.J.); 1957-62 Studium an der Kunstakademie Karlsruhe (bei HAP Grieshaber und Georg Meistermann); Grieshaber wird von besonderer Bedeutung für Mindhoff, zu seinen damaligen Mitschülern zählen u.a. Horst Antes, Dieter Krieg, Josua Reichert, Heinz Schanz; 1960 bereist er mit einem Reisestipendium Italien, Griechenland und die Türkei; ab 1962 freischaffender Künstler; ab 1963 zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen; 1965 Gastlehrauftrag am Hochschulinstitut für Kunst- und Werkerziehung (Mainz); bis etwa 1966 entstehen vor allem großformatige Holzschnitte, danach wendet sich Mindhoff wieder der Malerei zu
„In den ab den späten 1960er Jahren entstehenden Öl- und Acrylbildern führt M. die Verbindung von Figuration und Abstraktion weiter, wobei Themen wie Kopf, Torso und Tisch vorherrschen. In seinen Werken stellt M. die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu Natur und Technik und stellt dem Betrachter Überlegungen zum Spannungsfeld von Zerstörung, Erhalt und Neuschaffung anheim“ (Christmut Präger).
Mitgliedschaften
1972 Gründungsmitglied des „Kunstvereins Schwetzingen“ (bis 1978 dessen Leiter); 1977 kommissarische Übernahme der deutschen Sektion der internationalen Holzschneidervereinigung XYLON (1978 zum 1. Vorsitzenden gewählt); 1987 Initiator und Mitbegründer des „XYLON-Museums + Werkstätten e.V.“; 1990 Mitbegründer der Künstlergruppe „mal 8“; Künstlerbund Baden-Württemberg; Deutscher Künstlerbund; Internationale Vereinigung für den künstlerischen Hochdruck XYLON
Einzelausstellungen (Auswahl)
1965 Galerie Baier, Mainz; 1971 Ausstellungspavillon der Stadt Kiel; 1971 Galerie Schiessel, Köln; 1983 Palais Hirsch, Schwetzingen; 1983, 1995 Kunstverein Schwetzingen; 1994 Literarisches Forum, Villa Böhm, Neustadt/Weinstr.; 1994 Kunstverein Hattingen; 2012 Retrospektive zum 80. Geburtstag, XYLON – Museum + Werkstätten, Schwetzingen; 2019 XYLON – Museum + Werkstätten, Schwetzingen
Preise
1959 Stipendiat der „Stiftung des Deutschen Volkes“; 1960 Reisestipendium der „Studienstiftung des Deutschen Volkes“ ; 1966 Stipendiat in der „Cité Internationale des Arts“ (Paris); 1984 Arbeitsstipendium der „Deutschen Akademie Rom“ in Olevano; 1999 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande
Sammlungen
Kunsthalle Mannheim; Städtische Galerie Rastatt; Kopfklinik Heidelberg; Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis, Heidelberg; VHS Schwetzingen; Stadt Schwetzingen; Regierungspräsidium Karlsruhe
Öffentliche Aufträge
1971 Gestaltung des Ehrenmals auf dem Friedhof in Schwetzingen; 1972 Wandbild für die Pädagogische Hochschule in Karlsruhe, was jedoch aufgrund Planungsänderungen im Bauvorhaben nicht umgesetzt wird; 1972-77 Gestaltung des Eingangsbereiches des Seminargebäudes der Universität Mannheim (zusammen mit Gerd Lind); 1981 Ausführung eines Deckengemäldes im Palais Hirsch in Schwetzingen; 1987 Ausführung von zwei Wandbildern im neuen Abgeordnetenhaus des Landtages von Baden-Württemberg (Stuttgart); 1989 Gestaltung der Tiefgarage in der Wildemann-Straße in Schwetzingen
Literatur
Kunstverein Schwetzingen (Hrsg.) (1995): Otto Mindhoff. 1960-1995. Grafik, Malerei, Altlußheim: Schlothane
Mülfarth, Leo (1987): Kleines Lexikon Karlsruher Maler, Karlsruhe: Badenia-Verlag, S. 214
Präger, Christmut: Otto Mindhoff, in: „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion