M A N F R E D    H E N N I N G E R    (02.12.1894 Backnang – 05.10.1986 Stuttgart)

 

Weitere schwäbische Künstler
Weitere Künstler des Expressiven Realismus

 

 

Badende am Wasser (wohl um 1970-75)

schwarze Kreide auf Papier, verso in den vier Ecken punktuell befestigt auf leichten Karton (Klebung in den Ecken o.l., o.r. und u.r. ist gelöst)

€ 240,-

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Signatur
unten rechts etwas farbschwach signiert „M. Henninger“

Entstehungsjahr
undatiert [wohl um 1970-75]

Titel
ohne Titel [Badende am Wasser]

Größe
Größe: 22 x 32 cm (Blatt) bzw. 32,8 x 49,7 cm (unterlegter Karton)

Zustand
Blatt verso in den vier Ecken punktuell befestigt auf leichten Karton (Klebung in den Ecken o.l., o.r. und u.r. ist gelöst); leichte Druckstellen im Blatt; partiell leicht fleckig; leicht nachgedunkelt; in den Ecken ist das Papier aufgrund der Montierung etwas aufgeraut; Ecken etwas bestoßen; im unteren Blattbereich leichte horizontal verlaufende Stauchung

 

 

Die vorliegende Zeichnung Manfred Henningers wird in das eher späte Schaffen des Künstlers einzuordnen sein. Nach seiner Emeritierung 1961 setzte eine große und beachtliche Produktivität ein und es entstanden zahlreiche Gemälde und Arbeiten auf Papier. Diese schnell und erstaunliche sicher ausgeführte Darstellung von Badenden, eines Motivs, welches als zentral für Henninger gesehen werden kann, dürfte in den Jahren um 1970-75 entstanden sein. Die Striche sind schnell und scheinbar(!) spontan gesetzt, ergeben aber im Gesamten ein erstaunlich harmonisches Gesamtbild, welches beispielhaft die wunderbaren Eigenarten des Künstlers aufzeigt.

Rainer Zimmermann hebt explizit die Qualität und die Relevanz von Henningers zeichnerischem Schaffen hervor und er schreibt hierzu:

„Henningers Zeichnungen sind überzeugende Beispiele für das, was man ‚malerische Zeichnung‘ nennen kann, auch wo diese ausschließlich mit der reinen, ungetrübten Linie arbeitet. Die Zeichnung, sofern sie die Umrisse der Gegenstände festlegt, schneidet diese allzuleicht aus dem Zusammenhang des Raumes heraus. Henninger hat bei seiner pädagogischen Arbeit erfahren, daß ‚die Zeichnung, im alten Geist geübt, das Schauen der Natur nur behindert. Es gibt keine fertige Form, keine Regel mit der man dem Drama des Raum-Erlebens beikommt.‘ So kommt es ihm bei seinen Zeichnungen nie auf den einzelnen Gegenstand, nicht auf die isolierte Figur, sondern auf ihre raumschaffende Kraft an. Seine Linien umfahren das Erscheinende, ohne es in seiner beweglichen Veränderung aufzuhalten. Die Gestalten erfüllen den Raum, der Raum durchdringt die Gestalten, Menschen und Natur bilden eine kosmische Einheit: Die Gegenwart des unsichtbaren Gottes wird beschworen und gefeiert.“ [1]

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[1] Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 247-248.

 

 

Zu Manfred Henninger (02.12.1894 Backnang – 05.10.1986 Stuttgart):
Maler, Zeichner, Grafiker, Keramiker, Kunstlehrer; die Eltern haben eine Konditorei und Kolonialwarenladen; Realschulbesuch in Ulm und hierauf Beginn einer Gärtnerlehre (diese bricht er aber ab); Lehr als Konditor im elterlichen Betrieb in Tübingen, was er aber eher aus der Not heraus macht; es entstehen bereits Zeichnungen und Gemälde; 1914 freiwilliger Kriegsdienst (u.a. in Ypern); 1916 wegen schwerer Erkrankung für dienstuntauglich erklärt und nach Tübingen verlegt; in Tübingen besucht er an der Universität den Kunstunterricht bei Heinrich Seufferheld; 1917 Verlegung ins Lazarett Esslingen und dort Bekanntschaft mit Hans Molfenter; 1918 Sanitätssoldat in Nürtingen und dort Bekanntschaft mit Theodor Werner; er kann bereits damals in einem Raum des Lazaretts seine Bilder ausstellen; 1919 Studium an der Stuttgarter Kunstakademie (bei Robert Pötzelberger); Freundschaft mit dem Kommilitonen Erwin Heilbronner, von dessen Familie Henninger gefördert wird; 1921 bekommt er durch Julius Baum ein Einzelaltelier; in demselben Jahr erwirbt die Kunsthalle Mannheim ein Selbstbildnis Henningers (dieses wird 1937 als „entartet“ beschlagnahmt); 1922 Freundschaft mit Walter Wörn; im Wintersemester 1922 Besuch der Kunstakademie Dresden (bei Carl Albiker und Oskar Kokoschka); Bekanntschaft mit dem Werk von Picasso sowie der Impressionisten; Besuch bei Max Liebermann; 1924-25 Reisen nach Griechenland und Italien; 1926 Einzelausstellung bei „Schaller“ in Stuttgart; Henninger erhält ein Meisteratelier zusammen mit Wörn; erste Reise nach Paris; 1928 Heirat mit Maria Kress; Einzug in ein neugebautes Siedlungshaus mit Atelier in Stuttgart-Münster; 1929 Gründung der „Stuttgarter Neue Sezession“ mit Manfred Pahl, Wilhelm Geyer, Alfred Lehmann und Gustav Schopf; 1933 Kontakte und Engagement im linkspolitischen Kreis um den Arzt Hermann Meng und den Schriftsteller Friedrich Wolf; nach der Machtergreifung Emigration in die Schweiz, dann nach Ibiza; dort bleibt die Familie bis Oktober 1936 und es entstehen etwa 300 Ölbilder; Henninger allein siedelt nach Ronco im Tessin in eine umgebaute Mühle über, während die Familie nach Deutschland zurückkehrt; 1937 werden im Rahmen der Aktion „entartete Kunst“ drei Werke Henningers aus der Staatsgalerie Stuttgart und der Kunsthalle Mannheim beschlagnahmt; 1939 schwere Erkrankung, so dass 1940 die Familie mit in die „Mühle“ zieht, um ihn zu pflegen; 1941 erste Beschäftigung mit Keramik; die Familie lebt in Armut und ist auf Unterstützung (u.a. von dem Hilfswerk der ev. Kirche) angewiesen, zugleich entstehen aber wichtige und anmutige Landschaften und Bildnisse; trotz zahlreicher Kontakte und auch einigen Ausstellungsbeteiligungen kann Henninger nicht Fuß fassen in der Schweizer Kunstwelt; 1947 Umzug nach Verscio; 1949 Berufung an die Staatliche Akademie der bildenden Künste Stuttgart (1961 Emeritierung); 1955-57 Leiter der dortigen Keramikabteilung; es folgen erneut mehrere Reisen nach u.a. Ibiza, Paris, Mallorca; in den 1950er Jahren schafft er mehrere Keramikwandbilder im öffentlichen Raum; 1961 steigert sich die künstlerische Produktion, da er nun aus dem Lehrdienst ausgeschieden ist; 1966 erneuter Kontakt mit Kokoschka; 1967-68 Gast in der „Villa Massimo“ in Rom; 1974 Tod der Ehefrau; 1975 Retrospektive im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart; 1975 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg; 1979 Verleihung der Bürgermedaille der Stadt Stuttgart, sowie des Großen Bundesverdienstkreuzes; 1985 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes mit Stern, sowie des Hans-Thoma-Preises

Literatur (Auswahl)
Manfred Henninger. Leben und Werk, Edition Waldenburg, 1979
Schumann, Thomas B. (Hrsg.) (2016): Deutsche Künstler im Exil 1933-1945. Werke aus der Sammlung Memoria. Thomas B. Schumann, Hürth: Edition Memoria, S. 80
Wirth, Günther (1987): Verbotene Kunst 1933-1945. Verfolgte Künstler im deutschen Südwesten; Stuttgart: Hatje; S. 304-305
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 245-249, 385-386