H O L G E R   V A L E N T I E N   (1943-2014)

 

 

 

Selbstbildnis als Engel vor hügeliger Landschaft mit brennenden Häusern (2009)

Öl, Tempera auf Platte, gerahmt

unten links signiert „Valentien“, sowie verso oben mittig von fremder Hand mit Künstlernamen und Lebensdaten bezeichnet
unten links datiert „2009“

€ 830,-

Kaufanfrage

 

 

 

Titel
ohne Titel [Selbstbildnis als Engel vor hügeliger Landschaft mit brennenden Häusern]

Größe
Größe: 103 x 63 cm (mit Rahmen) bzw. 100 x 60 cm (ohne Rahmen)

Zustand
Ecken / Kanten etwas berieben und bestoßen (unter Rahmung nicht sichtbar); im Eckbereich unten links leicht fleckig; im Eckbereich unten rechts leicht fleckig; partiell sehr kleine, minimale Farbverluste
Platte verso etwas berieben und (farb-)fleckig

 

 

„Man spricht gelegentlich davon, ein Selbstbildnis sei vom Künstler ‚inszeniert‘ worden. Das darin enthaltene Urteil, dass es nichtinszenierte und damit wahrere Selbstbildnisse gäbe, trifft jedoch nicht die Sachverhalte. Jedes Selbstporträt ist ‚inszeniert‘ im Sinne von: eigens hergerichtet, ob ähnlich oder bewusst unähnlich, kühl beobachtet, weitaus überzogen oder imaginiert, ob clownesk ausgestattet oder christologisch angemaßt. Stets ist es ein mehr oder minder bewusster Selbstentwurf.

Der Künstler oder die Künstlerin zeigt sich so, wie er oder sie einerseits sich selbst sieht und andererseits von uns verstanden werden will. Von außen betrachtet ist der Entwurf jeweils eine von der Anschauung des Selbst abgeleitete Neufassung, in der verschiedene Vorstellungen zum Ich, zum Künstlersein oder zur Welt zusammenfließen: ein lebhaft ausgestatteter Ideenträger. Selbstentwürfe sind weit über die reine Wiedergabe des Physiognomischen hinausgehende Konstrukte mit je individuellen Botschaften.

Gedeutet werden wollen deshalb die Physiognomie und die Mimik, der Blick und die Gestik, die Körperhaltung und eventuelle Attribute oder Accessoires, denn im Bildnis und so auch im Selbstbildnis sind sie es, die dem individuellen Vorhaben Ausdruck verleihen. […]

In der Moderne sind die Bildmittel um neuer Sichtweisen willen zumeist eigensinnig eingesetzt. Insbesondere die Selbstbildnisse beziehen sowohl ihre Berechtigung als auch ihre Überzeugungskraft wesentlich aus dem innovativen Umgang mit dem bildnerischen Instrumentarium, das deshalb gleichermaßen gedeutet werden muss. Schließlich vergegenwärtigt es das jeweilige ästhetische Programm, als wolle, wer sich dargestellt hat, sagen: Seht her, so wie hier vorgeführt, gehe ich grundsätzlich in meiner Kunst vor. Denn Selbstbildnisse sind in der Moderne immer auch ästhetische Stellungnahmen, wenn nicht Bekenntnisse.“
[Uwe M. Schneede (2022): Ich! Selbstbildnisse in der Moderne. Von Vincent van Gogh bis Marina Abramović, München: Beck, S. 11-12.]

Holger Valentien zeigt in dem vorliegenden, verhältnismäßig großen Gemälde aus dem Jahr 2009 beispielhaft eine solche Inszenierung eines Selbstbildnisses, welches durch seine malerische Umsetzung und die Symbolik einen weiten Interpretationsrahmen eröffnet.

Der Künstler hat sich hier ganz zentral im Bild als Engel dargestellt. Ein weißes Tuch ist über seine Schulter geworfen und fällt bis zum Boden herab. Mit beiden Händen stützt er sich auf einen großen Holzstab. Dem Untergrund nach steht er auf einem großen Stein, wenn es sich dabei nicht gar um den Teil einer Ruine handelt, und hinter ihm eröffnet sich ein weiter Blick in eine leicht hügelige Waldlandschaft in der vereinzelt Häuser stehen. Alles liegt unter einem nur leicht bewölkten Abendhimmel.

Die Umgebung des Hintergrunds könnte auf den ersten Blick idyllisch und romantisierend erscheinen, wenn sich nicht bei genauerem Betrachten herausstellen würde, dass die gezeigten Häuser wie auch Teile des Waldes in Flammen stehen. Diese partiellen Zerstörungen stehen dabei in irritierendem Kontrast zu der stoischen Ruhe, die der Engel-Künstler ausdrückt. Ist ihm das Geschehen im Hintergrund nicht bekannt, möchte er es nicht wahrhaben oder – was durchaus auch eine Option sein könnte – hat er es vielleicht selbst verursacht?

Künstlerisch hat Holger Valentien hier ein beeindruckend detailliertes, feines Gemälde geschaffen. Neben dem vielgestaltigen Hintergrund ist ohne Zweifel das beeindruckend ausgeführte Gesicht von besonderer Bedeutung. Der Künstler wirkt hier sowohl ernsthaft, streng, aber auch liebevoll und verwehrt sich dadurch gegen eine allzu schnelle Beurteilung. Im braunen Haar trägt er zudem einen goldenen Haarreif.

Wenn es bei Uwe M. Schneede in obigem Zitat heißt, dass ein Künstler in einem Selbstbildnis ausdrückt „wie er oder sie einerseits sich selbst sieht und andererseits von uns verstanden werden will“, dann ist Letzteres für das vorliegende Gemälde sicherlich schwierig zu erörtern. Es ist ja neben der an sich schon gewagten, exponierten Selbstdarstellung als Engel, auch der Aspekt des Umfelds und dabei vor allem die gezeigten Zerstörungen in Form von Bränden, was schwer zu deuten ist, rätselhaft und dadurch aber auch gerade reizvoll bleibt.

 

 

Zu Holger Valentien (1943-2014):
Maler, Gestalter, Psychologe.
Holger Valentien schuf vor allem realistische, mitunter phantastische Landschaften und figürliche Kompositionen, die sich vor allem durch eine große Detailliertheit und tiefgründige Symbolik auszeichnen.
Holger Valentien lebte und arbeitete in Wiesbaden (Oranienburger Str. 4).