H A N S   F R O N I U S

 

Weitere Künstler des Expressiven Realismus

 

 

„Ein Bildnis von Jenny von Robert Nathan“ (1957)

15 Lithografien über Folie, auf leichtem Karton
nicht datiert [1957]

Signatur: L 58-L 71 jeweils u.r. in Blei signiert „Hans Fronis“, Titelblatt (L 57) unsigniert
Druck: Felix Kolbl, Graz
Größe: 34,9 x 25cm (je Karton)

€ 1.500,-

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Titel
„Ein Bildnis von Jenny von Robert Nathan“ [So betitelt auf dem Titelblatt. Werkverzeichnis (Rethi 1987: L 57-L 71), L57: Titelblatt (Text), L58: In der Allee, L59: Cenral Park, L60: Der Freund Gus, L61: Am Eislaufplatz, L62: Im Kunstladen, L63: Der Besuch, L64: Lower Bay, L65: In der Galerie, L66: Jenny, L67: Der Ausflug, L68: Frau Jekes, L69: Der Leuchtturm, L70: Hurrikan, L71: Jenny †]

Auflage
lt. WV: „ca. 30 Künstlerexemplare“

Zustand
Ecken minimalst bestoßen; bei den Blättern im linken Blattbereich jeweils sehr leichte vertikale Stauchung; L60 u.l. etwas fleckig; L63 verso am rechten Rand leicht fleckig; L65 u.l. etwas fleckig; L66 am linken Rand mittig sehr kleiner Fleck; L70 am unteren Rand mittig leicht fleckig

Provenienz
Galerie Wolfgang Gurlitt (Linz, München)

 

 

1957 war Hans Fronius bereits ein voll etablierter Künstler, der sich besonders durch seine zahlreichen, herausragenden Illustrationen von literarischen Werken einen Namen machte. Zu nennen sind hier neben Franz Kafka, den er bereits 1925 mit dessen „Verwandlung“ für sich entdeckte, noch Thomas Mann, Alexander Puschkin, F.M. Dostojewskij, E.T.A. Hoffmann, um nur einige wenige anzuführen. Hier reiht sich auch der US-amerikanische Schriftsteller Robert Nathan (1894 New York City – 1985 Los Angeles) mit seinem Roman „Ein Bildnis von Jenny“ (‚Portrait of Jenni‘, 1940) ein. In deutscher Übersetzung erschien der Band das erste Mal 1949 und wurde ein Jahr zuvor bereits in den USA auch verfilmt.

Der mit sich hadernde und unzufriedene Künstler Eben Adams lebt in New York der 1930er Jahre. Mit seiner Kunst kommt er gerade so über die Runden, bis er an einem Winterabend 1938 in einer Allee (L58) ein junges Mädchen namens Jennie Appleton trifft, was sein ganzes Leben verändern sollte. Jennie taucht immer mal wieder auf, doch dann jeweils deutlich gealtert (L61). Die Suche nach ihr führt dazu, dass er ein Porträt von ihr malt, was zu seinem Meisterwerk werden sollte. Bis zu dessen Fertigstellung besucht sie ihn immer wieder (L63, L66) und es entwickelt sich eine ungewöhnliche, wie zugleich auch bezaubernde Liebesgeschichte. Die Produktivität und die Inspiration von Eden sind geweckt. Durch Nachforschungen erfährt er, dass Jennie vor mehreren Jahren bereits bei einer Schiffüberfahrt von Frankreich in die USA während eines argen Sturms ums Leben kam. Am Jahrestag des tragischen Sturmes, wiederholt sich die Szenerie und Jennie wird erneut in die Fluten gerissen wird.

Für die vorliegende 14teilige Arbeit (das Titelblatt einmal außer Acht gelassen) von Hans Fronius ist ein kurzer Part aus dem Beginn des Bandes sehr bezeichnend. Eben Adams ist an dieser Stelle bei seinem Galleristen Mr. Mathews (zu sehen auf L62), der ihm gerade zwei Aquarelle abkauft. Mr. Mathews sagt dann die bedeutsamen Worte:

„Das Dumme ist, […] daß niemand unsere Zeit malt. Niemand malt die Zeit, in der wir leben.“ […] „Nein“, sagte er, „wir werden niemals herausfinden, wie ein Jahrhundert ist, wenn wir in eine Landschaft schauen.“ (Robert Nathan (1957): Jenny; Würzburg – Wien: Zettner; S. 25).

Es ist das menschliche Porträt, das Mr. Mathews hier meint, und welches er schließlich in Form des zeitlosen Bildnisses von Jennie auch sehen wird.

Und es sind gerade die Personen in dieser Grafikfolge, die den Betrachter zu fesseln vermögen. Der unverkennbare, expressiv-realistische Zeichenstil von Fronius passt dabei wunderbar zu der mystischen, zeit-entrückten Atmosphäre des Romans – zu verweisen ist hier beispielhaft auf die Blätter „In der Allee“ (L58) und das brillant umgesetzte „In der Galerie“ (L65). Die weiteren Figuren wie der gutmütige Freund Gus (L60), oder auch die Vermieterin „Frau Jekes“ (L68), wirken dagegen ‚realer‘, greifbarer und sind doch nicht weniger gut in ihrer psychologischen Eigenart ausgearbeitet. Das oben kurz erwähnte Blatt „Im Kunstladen“ (L62) ist ob seiner Darstellung, die sich durchaus in eine Tradition derartiger Sujets einfügen lässt, interessant und lebt von der Spannung zwischen Ms. Spinney und Mr. Mathews. Die Szene „am Eislaufplatz“ (L61) zeigt die junge, noch ganz unschuldige, von der unaufhörlich davon eilenden Zeit noch nicht tangierte, Liebe. Fronius hat diese Leichtigkeit und die Dynamik, ebenso wie die Ungezwungenheit und die Innigkeit des Romans auf eine sehr gefühlvolle, fast schon: empathische, Weise in die Grafik gelegt.

Insgesamt eine überaus stimmige, gelungene Illustrationsfolge, der es gelingt die zugrundliegende Geschichte aufzugreifen und markante Szenen hieraus grafisch darzustellen, um aber zugleich auch vom Roman unabhängig als eigenständiges Kunstwerk betrachtet werden zu können.

 

 

Zu Hans Fronius (12.09.1903 Sarajevo – 21.03.1988 Mödling):
Maler, Zeichner, Illustrator, Grafiker; Sohn des Arztes Dr. Fritz Fronius, der Stadtsyndikus in Sarajevo war; wurde am 28. Juni 1914 als Zehnjähriger in Sarajevo Augenzeuge des Attentats auf den Thronfolger Franz Ferdinand; nach dem Ersten Weltkrieg verzog die Familie nach Graz und dort beendete er seine Gymnasialzeit; 1922-28 Studium an der Kunstakademie Wien (bei Karl Sterrer und Alois Delug); während dieser Zeit unternahm er zusammen mit Adolf von Winternitz mehrere Studienreisen nach u.a. Italien, Deutschland, Dänemark, Frankreich und in die Niederlande; Vorbild und Freund war bereits zu dieser Zeit Alfred Kubin; 1930 Lehramtsprüfung; ab 1931 (bis 1960) Kunsterzieher am Realgymnasium in Fürstenfeld (Steiermark); 1941 Bekanntschaft mit dem Priester Otto Mauer, der ebenso eine Leidenschaft für Kafka hatet; 1943 eingezogen zum Kriegsdienst in Italien und Russland (bis 1945); am Kriegsende Flucht in die Schweiz und von dort Rückkehr nach Österreich; 1961 Umzug nach Perchtoldsdorf bei Wien und tätig als Kunsterzieher am Mödlinger Gymnasium; 1964 scheidet er aus dem Schuldienst aus und konzentriert sich ganz auf sein künstlerisches Schaffen
Fronius schuf zahlreiche Illustrationen zu Werken der Weltliteratur (u.a. von E. T. A. Hoffmann, Franz Kafke, Robert Nathan, Thomas Mann, Alexander Puschkin, F.M. Dostojewskij), die ihn zu „einem der bekanntesten Illustratoren der Nachkriegszeit“ (W. Hilger) machen.
Preise: 1950: Meisterpreis für Malerei und Graphik des Österreichischen Industriellenverbandes; 1955: Preis des Bundesministeriums für Unterricht; 1966: Großer Österreichischer Staatspreis für Bildende Kunst; 1968: Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien; 1974: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse; 1974: Goldenes Ehrenzeichen des Bundeslandes Niederösterreich; 1974: Würdigungspreis des Landes Steiermark für bildende Kunst; 1981: Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig; 1983: Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark; 1983: Lovis-Corinth-Preis
Mitgliedschaften: 1923 Mitglied der Grazer Sezession
Werke von Hans Fronius sind u.a. im Besitz von: Landesmuseum Joanneum, Graz; Landesmuseum Linz; Lentos Kunstmuseum Linz; Gutenberg-Museum, Mainz; Cabinet d’Estampes, Paris; Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg; Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall; Heeresgeschichtliches Museum, Wien; Österreichische Galerie Belvedere, Wien; Albertina, Wien; Museum of Modern Art, New York

Literatur (Auswahl)
Hilger, Wolfgang: Hans Fronius, in: „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion, Künstler-ID: 00021368
Koschatzky, Walter (1972): Hans Fronius. Bilder und Gestalten. Mit einem Werkkatalog sämtlicher Holzschnitte, Lithographien und Radierungen von 1922 bis 1972 von Leopold Rethi [Österreichische Graphiker der Gegenwart, Bd. 8]: Wien: Edition Tusch
Fronius. Das druckgraphische Werk 1922–1987 (Mit einem Essay von Wolfgang Hilger. Werkkatalog sämtlicher Holzschnitte, Lithographien und Radierungen von Leopold Rethi); 1987; Wien: Edition Tusch
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 373