F R I E D R I C H    K U N I T Z E R    (09.02.1907 Przedecz [dt. Moosburg] – 14.03.1998 Kördorf)

 

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Stillleben mit Lilien, zwei Puppen in (georgischer?) Tracht, einer Kerze und weiteren volkstümlichen Gegenständen (wohl um 1993)

Aquarell-Collage (mit Sonnenblumenkernen) auf Papier, komplett aufgezogen auf Karton (verso mit Zeitungspapier verstärkt), ungerahmt

€ 940,-

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Signatur
unten rechts signiert „F. Kunitzer“

Titel
ohne Titel; Stillleben mit Lilien, zwei Puppen in (georgischer?) Tracht, einer Kerze und weiteren volkstümlichen Gegenständen

Entstehungsjahr & Größe
undatiert [wohl um 1993];
Größe: 48 x 62,7 cm

Zustand
die Ränder vom Künstler mitunter etwas uneben zugeschnitten; technikbedingt mitunter leicht wellig; verso die angebrachte Zeitung etwas berieben

 

 

Friedrich Kunitzer studierte in Krakau, Berlin, Paris und München. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft kam er 1946 ins hessische Alsfeld und siedelte 1949 nach Wiesbaden über. Dort blieb er bis zum Ende der 1950er Jahre, bevor er 1959 mit seiner Frau Tamara, Tochter eines Balten und einer Georgierin, nach Kördorf (Rhein-Lahn-Kreis) ins Jammertal verzog. Das Paar lebte fortan in der dortigen Zurückgezogenheit eines eigenen Blockhauses mit Schafstall und Fischzucht. Für Kunitzer war dies die Erfüllung einer lebenslangen Sehnsucht und damit zugleich eine produktive Phase, in der seine qualitativ besten Werke entstanden.

Mithilfe seiner eigenen Technik – der Aquarell-Collage – interpretiert Kunitzer hier das klassische Sujet des Stilllebens auf eine ganz eigene, erstaunliche Weise. Dem Arrangement nach ist das Werk einzuordnen in die osteuropäische Herkunft von ihm und seiner Frau. – Die beiden Puppen in Tracht wie auch die Ornamente und Muster auf den Gegenständen verweisen auf diesen Kulturraum. Ebenso passen hierzu dann auch die Schalen von Sonnenblumenkernen, die Kunitzer mit Kleber im unteren Bildbereich befestigt und wodurch er nicht nur optisch, sondern auch konkret haptisch ein ganz eigenes Erfahren erzeugt.

„Die Entscheidung, hier [d.h. im Jammertal] zu leben, bedeutete für Kunitzer, daß er seine Kunst ganz in den Dienst seines Lebens stellen sollte. Aus der Karriere war er ausgestiegen, die Präferenzen der Ausstellungsleiter und Kunsthändler brauchten ihn nicht mehr zu interessieren, was gerade Mode war, konnte ihm gleichgültig sein. Und wenn das ein Ausstieg aus der ‚Kunst‘ gewesen sein sollte, dann war es ein Einstieg in das Leben.“ [1]

Farblich ein wunderschönes Werk, welches durch die eigenwillige Ausführung und das ungewöhnliche Arrangement überaus reizvoll ist und dem Betrachter hierdurch eine neue, frische Sichtweise auf das klassische Stillleben-Sujet anbietet.
Der Künstler selbst sagte einmal zu seinen Stillleben das Folgende:
„Ich malte Stilleben, das war das Bequemste, Gegenstände und Gerümpel, alles, was mich so umgab. Das waren die ruhigsten Modelle, die bewegten sich nicht. Man konnte sie darstellen, ’so und nicht anders'“. [2] Bei Kunitzer sind seine Stillleben demnach immer ganz konkret und unmittelbar verbunden mit seinem Umfeld, mit seinem Leben. Es sind Objekte, die er vielleicht zufällig fand, oder Objekte, die ihn täglich umgeben. Oder wie es Bernd Küster ganz wunderbar formulierte:
„Und so bleibt an den vielen Stilleben immer die Erinnerung jener Tage haften, an denen sie entstanden sind, als versachlichte Zeugnisse einer Künstlerbiographie.“ [3]

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[1] Rainer Zimmermann (1990): Ein Maler steigt ein. Friedrich Kunitzers Paradies im „Jammertal“, in: Freundeskreis bildende Kunst, Ausstellung Hessische Brandversicherung, Agentur Tann/Rhön, Kuno Kallnbach: Friedrich Kunitzer, Nüsttal-Hofaschenbach: Heinelt, S. 6-10 [hier: 8].
[2] Zitiert nach Bernd Küster (1996): Friedrich Kunitzer. Der Maler und sein Werk (mit einem Vorwort von Rainer Zimmermann), Worpsweder Verlag, S. 50.
[3] Küster 1996: 50.

 

 

Zu Friedrich Kunitzer (09.02.1907 Przedecz [dt. Moosburg] – 14.03.1998 Kördorf):
Maler, Zeichner, Schriftsteller; 1909 Übersiedlung der Familie nach Faroslawl an der Wolga, wo der Vater am zaristischen Kadettenkorps Deutschunterricht gibt; 1918 flieht die Familie nach Lodz, dort besucht Kunitzer das deutsche Gymnasium; 1926 Beginn des Studiums an der Kunstakademie Krakau; 1929 kurzzeitiges Studium an der Kunstakademie Berlin und kurzer Aufenthalt in Worpswede; 1930 Studium in Paris bei der dortigen Filiale der Krakauer Akademie (bei Józef Pankiewicz); 1932 Pflichtdienst beim polnischen Militär in Wolhynien; 1936 kann er durch ein Stipendium an der Münchner Akademie studieren und wird dort Meisterschüler Karl Caspars; 1937 Aufenthalt im Haus von Karl Caspar in Brannenberg am Inn; anschließend Fortsetzung des Studiums in München (bei Adolf Schinnerer); Ateliergemeinschaft mit Eugen Nell; 1942 Kriegsdienst und Gefangenschaft; während des Kriegsdienst weiterhin zeichnerisch tätig (im Späteren erscheint dazu die Publikation „Ikonen im Pulverrauch. Eine Zeichenfeder erlebt den Russlandfeldzug“ (o.J., Weinheim)); 1946 Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft und Aufenthalt in Alsfeld; 1949 Übersiedlung nach Wiesbaden und dort bis 1957 ansässig und tätig; 1957 Heirat mit der russischen Tänzerin Tamara, geb. Weiland, und Übersiedlung nach Kördorf, wo er sich ein Blockhaus baut und eine eigene Landwirtschaft samt Fischzucht betreibt; 1989 zweiter Aufenthalt in Worpswede; ab 1996 im Seniorenheim in Katzenelnbogen

Mitgliedschaften: 1947 Mitbegründer des BBK Lauterbach; 1954 Esslinger Künstlergilde; 1970 Mitbegründer der Künstlergemeinschaft „Westerwald, Taunus, Lahn“ (ab 1971 deren 1. Vorsitzender

Preise / Ehrungen: 1936 Akademiepreis der Kunstakademie München; 1987 Kulturpreis der Landsmannschaft Weichsel-Warthe

Einzelausstellungen (Auswahl): 1933 Ausstellungen in Lodz, Bromberg, Kattowitz; 1947 Ausstellungen in Alsfeld und Lauterbach; 1973 Parlamentarische Gesellschaft, Bonn; 1990 Ausstellung in Tann, Rhön; Ab etwa 1990 Dauerausstellung in der Hotelanlage Engelsbach (Thüringen), die der Sammler und Förderer Kuno Kallnbach ausrichtete, der selbst gut 150 Werke von Kunitzer besaß; 1996 Ausstellung zum 89. Geburtstag im Seniorenheim Katzenelnbogen; 2013 Ausstellung zusammen mit Werken von Ludwig Dörfler, Ludwig-Doerfler-Galerie, Schillingsfürst

Veröffentlichungen (Auswahl): 1973 „Wo die Füchse Kaffee kochen“; 1983 „Menschen-Mühlen-Märchen“; 1987 „Unterwegs – am Rande unseres Jahrhunderts“

Werke befinden sich u.a. im Besitz von: Museum Wiesbaden, Städtische Sammlungen Gelsenkirchen, Bundesinnenministerium, Sammlung Joseph Hierling (Tutzing).

Literatur
Bernd Küster (1996): Friedrich Kunitzer. Der Maler und sein Werk (mit einem Vorwort von Rainer Zimmermann); Worpsweder Verlag
Freundeskreis bildende Kunst, Tann/Rhön (1990): Friedrich Kunitzer [Katalog zur Ausstellung. Mit einem Text von Rainer Zimmermann]; Nüsttal-Hofaschenbach: Heinelt
„Allgemeines Künstlerlexikon“, Online-Version, Künstler-ID: 00216846
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 405