F R I E D R I C H K U N I T Z E R
Weitere Werke von Friedrich Kunitzer
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‚Stillleben mit Stiefelknecht, Holzpantinen, alten Schuhen, Mausefalle und Maus‘ (um 1975)
Öl auf Leinwand, Keilrahmen (erneuert), gerahmt (nicht Originalrahmen)
undatiert, (wohl) um 1975
am linken Rand mittig signiert „F. Kunitzer“
Größe: 52 x 62 cm (ohne Rahmen) bzw. 69,5 x 79,5 cm (mit Rahmen)
unbetitelt
€ 3.300,-
Zustand
in den vier Ecken ist die Malschicht jeweils etwas aufgeraut (bedingt durch Malprozess, da hier die Leinwand wohl auf Platte befestigt war) und nachträglich dezent retuschiert; partiell leicht fleckig; am unteren Rand rechts (etwa auf der Höhe der Schuhmitte) minimaler Verlust der Farbschicht
Abbildung
Friedrich Kunitzer (1987): Unterwegs – Am Rande unseres Jahrhunderts. Zwischen Wolga und Rhein; Berlin/Bonn: Westkreuz-Verlag [Abb. auf vorderem Umschlag];
Eine Abbildung der relevanten Seite ist weiter unten angefügt.
Literatur / Erwähnung
Rainer Zimmermann (1990): Ein Maler steigt ein. Friedrich Kunitzers Paradies im ‘Jammertal’, in: Freundeskreis bildende Kunst, Hessische Brandversicherung, Agentur Tann/Rhön (Hrsg.): Friedrich Kunitzer [Katalog zur Ausstellung], Nüsttal-Hofaschenbach, S. 6-10 [hier: 8];
Das vollständige Zitat Rainer Zimmermanns ist weiter unten wiedergegeben.
Ausstellung
1990 Einzelausstellung in Tann, Rhön (veranstaltet von der Brandkasse, Hessische Brandversicherungsanstalt)
[Das Gemälde ist im Katalog nicht abgebildet, wird aber im Begleittext von Rainer Zimmermann erwähnt.]
Provenienz
Sammlung Kuno Kallnbach (14.12.1931 – 09.06.2018), Tann/Rhön
[Kallnbach war Förderer von Friedrich Kunitzer und erwarb etwa 150 Werke von diesem. In seiner Hotelanlage in Engelsbach (Friedrichsroda, OT Finsterbergen) stellte er Kunitzers Arbeiten aus und bemühte sich auch darüber hinaus seine Werke öffentlich zu zeigen. Daneben besaß Kallnbach noch eine umfangreiche Sammlung an Werken expressiv realistischer Künstler wie u.a. Josef Liesler, Georg Muche, Hermann Naumann, Hans Peters, Curt Querner]
Werkbeschreibung
Ab 1949 lebte Friedrich Kunitzer bei seiner Schwester in Wiesbaden. Dort nahm er an zahlreichen Ausstellungen teil und gestaltete auch ein Wandfries für das dortige „Haus der Heimat“. Er beteiligte sich unter anderem mit zwei Werken an der ersten Dauerausstellung über die Heimatvertriebenen im Freilichtmuseum Hessenpark in Neu-Anspach. Diese beiden Arbeiten wurden vom Bundesinnenministerium (Bonn) im Zuge der Schau angekauft. In dieser Zeit lernte er auch seine spätere Frau, Tamara Weiland, kennen.
Mit seinen Ersparnissen war es ihm 1957 möglich ein abgelegenes Grundstück bei Kördorf im Jammertal zu erwerben. Dort baute das Paar ein Blockhaus mit Wohnbereich, Atelier und Schafstall, der später zu einem Ausstellungsraum umfunktioniert wurde. Für den Künstler war dieser Umzug ein wichtiges, essenzielles Ereignis. Er selbst beschreibt diese Phase wie folgt:
„Meine Sehnsucht war, weg von der Stadt. Ich dachte an die Jugendzeit, die Zeit mit Petrek [1], die noch lebendig in mir war. Es gelang mir, Land zu kaufen, mitten in unserer durch die Industrie verdorrten Landschaft fand ich noch eine Ecke mit Wald, rauschendem klarem Wasser, wo ein einfaches Leben möglich wäre. Ich wurde Bauer. Ein Aussteiger aber wurde ich nicht. Aus was sollte ich aussteigen? Meine Probleme waren immer noch um mich. Ich war eher ein Einsteiger in ein neues bäuerliches Leben und habe mein Leben als Maler an meine Jugend angeknüpft. Ich malte und zeichnete weiter.“ [2]
Dieses so lange ersehnte Leben in der Einsamkeit des Jammertals beeinflusste eo ipso auch seine Kunst. Sein zuvor schon erkennbarer künstlerischer Ausdruck schärfte sich nochmals, die künstlerische Eigenart Kunitzers bildete sich hier gänzlich aus. Rainer Zimmermann beschreibt diese Entwicklung und erwähnt dabei explizit und beispielhaft das hier vorliegende Stillleben:
„Hier in der Abgeschiedenheit rückt das alltägliche Leben ganz anders in die Mitte der Existenz als in den großen Städten. Auch die Kunst kreist hier um das Leben. Die Dinge haben ihren Rang, die Menschen, die Tiere, die Bäume und die Berge, aber auch die ganz einfachen Dinge des Alltags: der Stiefelknecht, die Holzpantinen und die alten ausgetretenen Schuhe zum Beispiel. Lebensgetreu malt er sie und verleiht ihnen damit eine eigentümliche Würde. In der Flurecke, wo sie zusammenhocken, steht auch die kleine Mausefalle, auf die sich das arglose Mäuschen zubewegt; wie bei den Stilleben der alten Meister fügt er auf solche Weise eine humorvolle Belebung der Szenerie hinzu.“ [3]
Friedrich Kunitzer zeigt hier ein eher ungewöhnliches Arrangement für ein Stillleben, welches sich aber vor dem Hintergrund seiner Biografie als überaus stimmig und authentisch herausstellt. Es sind Gebrauchsobjekte des alltäglichen Lebens. Alles – Objekte, Boden und Wand – ist dabei in erdigen Brauntönen gehalten und vermittelt so eine sehr angenehme Ruhe und Zeitlosigkeit. Die Maus samt Mausefalle ist sicherlich ein wunderbarer Zusatz, der dem Werk zum einen, wie von Zimmermann beschrieben, eine humorvolle Note verleiht, doch zum anderen liegt darin doch auch eine gewisse Ernsthaftigkeit, wird doch schließlich auf diese Weise, wenn auch nur indirekt, der Tod mit in das Geschehen geholt. Das liebe Mäuschen schaut (noch) gänzlich unbedarft zum Betrachter ohne zu wissen, dass es nur noch wenige Schritte vom möglichen Tod entfernt ist.
[1] „Sein [d.h. Kunitzers] erster richtiger Freund wurde Petrek, der damals beim Onkel die Kühe hütete. Er brachte ihm unter anderem das Flechten von Strohhüten bei, wie überhaupt seine ganze Weisheit in der praktischen Bewältigung des einfachen Lebens lag. Er besaß so gut wie nichts, sein ganzer Stolz war ein billiges Taschenmesser. Von Petrek hat Friedrich Kunitzer auch das Angeln erlernt und die Leidenschaft dafür geerbt, die ihn zeitlebens nicht mehr verließ“ (Küster 1996: 15).
[2] Zitiert nach Küster 1996: 40.
[3] Rainer Zimmermann (1990): Ein Maler steigt ein. Friedrich Kunitzers Paradies im ‘Jammertal’, in: Freundeskreis bildende Kunst, Hessische Brandversicherung, Agentur Tann/Rhön (Hrsg.): Friedrich Kunitzer [Katalog zur Ausstellung], Nüsttal-Hofaschenbach, S. 6-10 [hier: 8].
Zu Friedrich Kunitzer (09.02.1907 Przedecz [dt. Moosburg] – 14.03.1998 Kördorf):
Maler, Zeichner, Schriftsteller; 1909 Übersiedlung der Familie nach Faroslawl an der Wolga, wo der Vater am zaristischen Kadettenkorps Deutschunterricht gibt; 1918 flieht die Familie nach Lodz, dort besucht Kunitzer das deutsche Gymnasium; 1926 Beginn des Studiums an der Kunstakademie Krakau; 1929 kurzzeitiges Studium an der Kunstakademie Berlin und kurzer Aufenthalt in Worpswede; 1930 Studium in Paris bei der dortigen Filiale der Krakauer Akademie (bei Józef Pankiewicz); 1932 Pflichtdienst beim polnischen Militär in Wolhynien; 1936 kann er durch ein Stipendium an der Münchner Akademie studieren und wird dort Meisterschüler Karl Caspars; 1937 Aufenthalt im Haus von Karl Caspar in Brannenberg am Inn; anschließend Fortsetzung des Studiums in München (bei Adolf Schinnerer); Ateliergemeinschaft mit Eugen Nell; 1942 Kriegsdienst und Gefangenschaft; während des Kriegsdienst weiterhin zeichnerisch tätig (im Späteren erscheint dazu die Publikation „Ikonen im Pulverrauch. Eine Zeichenfeder erlebt den Russlandfeldzug“ (o.J., Weinheim)); 1946 Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft und Aufenthalt in Alsfeld; 1949 Übersiedlung nach Wiesbaden und dort bis 1957 ansässig und tätig; 1957 Heirat mit der russischen Tänzerin Tamara, geb. Weiland, und Übersiedlung nach Kördorf, wo er sich ein Blockhaus baut und eine eigene Landwirtschaft samt Fischzucht betreibt; 1989 zweiter Aufenthalt in Worpswede; ab 1996 im Seniorenheim in Katzenelnbogen
Mitgliedschaften: 1947 Mitbegründer des BBK Lauterbach; 1954 Esslinger Künstlergilde; 1970 Mitbegründer der Künstlergemeinschaft „Westerwald, Taunus, Lahn“ (ab 1971 deren 1. Vorsitzender
Preise / Ehrungen: 1936 Akademiepreis der Kunstakademie München; 1987 Kulturpreis der Landsmannschaft Weichsel-Warthe
Einzelausstellungen (Auswahl): 1933 Ausstellungen in Lodz, Bromberg, Kattowitz; 1947 Ausstellungen in Alsfeld und Lauterbach; 1973 Parlamentarische Gesellschaft, Bonn; 1990 Ausstellung in Tann, Rhön; Ab etwa 1990 Dauerausstellung in der Hotelanlage Engelsbach (Thüringen), die der Sammler und Förderer Kuno Kallnbach ausrichtete, der selbst gut 150 Werke von Kunitzer besaß; 1996 Ausstellung zum 89. Geburtstag im Seniorenheim Katzenelnbogen; 2013 Ausstellung zusammen mit Werken von Ludwig Dörfler, Ludwig-Doerfler-Galerie, Schillingsfürst
Veröffentlichungen (Auswahl): 1973 „Wo die Füchse Kaffee kochen“; 1983 „Menschen-Mühlen-Märchen“; 1987 „Unterwegs – am Rande unseres Jahrhunderts“
Werke befinden sich u.a. im Besitz von: Museum Wiesbaden, Städtische Sammlungen Gelsenkirchen, Bundesinnenministerium, Sammlung Joseph Hierling (Tutzing).
Literatur
Bernd Küster (1996): Friedrich Kunitzer. Der Maler und sein Werk (mit einem Vorwort von Rainer Zimmermann); Worpsweder Verlag
Freundeskreis bildende Kunst, Tann/Rhön (1990): Friedrich Kunitzer [Katalog zur Ausstellung. Mit einem Text von Rainer Zimmermann]; Nüsttal-Hofaschenbach: Heinelt
„Allgemeines Künstlerlexikon“, Online-Version, Künstler-ID: 00216846
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 405