F R I E D R I C H    K U N I T Z E R

 

Weitere Werke von Friedrich Kunitzer

 

 

Haus des Künstlers im Jammertal (o.J.)

Aquarell, partiell mit Deckweiß gehöht, auf leichtem Aquarellkarton, verso durch kleine Klebestreifen in Passepartout gesetzt
o.l. signiert „Friedrich Kunitzer“

€ 1.250,-

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Titel
nicht datiert, Haus des Künstlers im Jammertal

Größe
Größe: 35,8 x 47,8 cm (Blatt) bzw. 53 x 64 cm (Passepartout)

Zustand
Blatt verso durch kleine Klebestreifen in Passepartout gesetzt; technikbedingt mitunter sehr leicht wellig; im Eckbereich oben links sehr leichte Stauchung; Ecken sehr leicht bestoßen; verso am oberen Rand Reste früherer Befestigung (braunes Klebeband)

 

 

Ab 1949 lebte Friedrich Kunitzer bei seiner Schwester in Wiesbaden. Dort nahm er an zahlreichen Ausstellungen teil und gestaltete auch ein Wandfries für das dortige „Haus der Heimat“. Er beteiligte sich unter anderem mit zwei Werken an der ersten Dauerausstellung über die Heimatvertriebenen im Freilichtmuseum Hessenpark in Neu-Anspach. Diese beiden Arbeiten wurden vom Bundesinnenministerium (Bonn) im Zuge der Schau angekauft. In dieser Zeit lernte er auch seine spätere Frau, Tamara Weiland, kennen.

Mit seinen Ersparnissen war es ihm 1957 möglich ein abgelegenes Grundstück bei Kördorf im Jammertal zu erwerben. Dort baute das Paar ein Blockhaus mit Wohnbereich, Atelier und Schafstall, der später zu einem Ausstellungsraum umfunktioniert wurde. Für den Künstler war dieser Umzug ein wichtiges, essenzielles Ereignis. (Weiter unten sind Abbildungen des Hauses angefügt.)

Er selbst beschreibt diese Phase wie folgt:
„Meine Sehnsucht war, weg von der Stadt. Ich dachte an die Jugendzeit, die Zeit mit Petrek [1], die noch lebendig in mir war. Es gelang mir, Land zu kaufen, mitten in unserer durch die Industrie verdorrten Landschaft fand ich noch eine Ecke mit Wald, rauschendem klarem Wasser, wo ein einfaches Leben möglich wäre. Ich wurde Bauer. Ein Aussteiger aber wurde ich nicht. Aus was sollte ich aussteigen? Meine Probleme waren immer noch um mich. Ich war eher ein Einsteiger in ein neues bäuerliches Leben und habe mein Leben als Maler an meine Jugend angeknüpft. Ich malte und zeichnete weiter.“ [2]

Und in dem 1973 erschienen Band „Fremd in Deutschland?“ schließt Kunitzer mit wunderschönen Formulierungen zu dem Jammertal:
„Trotz Technik und Zivilisation in unserem Lande schaut noch die Wildnis in unser Fenster hinein. Quer durch das Jammertal zogen durch die Jahrhunderte Landsucher von West nach Ost, von Süden nach Norden. Für uns wurde dieses Tal zu einem neuen Angelpunkt. Wir wollten die Welt erobern, wir erlernten das Handwerk der Kunst. Welt, Handwerk und Kunst verschmolzen für uns zu einem Abenteuer eigener Art. Wir haben zwei Weltkriege erlebt, wir erlebten die russische Revolution, erlebten Hunger und Elend, Flucht und Verzweiflung. Allen Abgründen zum Trotz fanden wir endlich wieder Boden unter den Füßen. Neben uns steht die Größe der Natur. Die Nebel steigen aus dem Jammertale, von dem die Leute hier sagen: ‚Wo die Füchse Kaffee kochen.‘“ [3]

Das vorliegende Aquarell zeigt das Künstlerhaus im Jammertal. Links das Wohnhaus und rechts das Gebäude, welches anfangs als Schafstall und dann als Ausstellungsraum genutzt wurde. Dass es zugleich auch als Garage diente, wird auf dieser Ansicht ebenso deutlich.
Die gesamte Komposition ist in erdigen Tönen ausgeführt, was dem Ganzen eine schöne Ruhe, Harmonie und Geschlossenheit verleiht. Selbst die Gebäude fügen sich in die Natur ein und nur einzig das kräftige Blau des Blockhauses sticht farblich heraus und setzt auf diese Weise einen Akzent.

Wunderschön ausgewogene Komposition mit einem für den Künstler sehr persönlichen Motiv.

Quellen
[1] „Sein [d.h. Kunitzers] erster richtiger Freund wurde Petrek, der damals beim Onkel die Kühe hütete. Er brachte ihm unter anderem das Flechten von Strohhüten bei, wie überhaupt seine ganze Weisheit in der praktischen Bewältigung des einfachen Lebens lag. Er besaß so gut wie nichts, sein ganzer Stolz war ein billiges Taschenmesser. Von Petrek hat Friedrich Kunitzer auch das Angeln erlernt und die Leidenschaft dafür geerbt, die ihn zeitlebens nicht mehr verließ“ (Küster 1996: 15).
[2] Zitiert nach Küster 1996: 40.
[3] Friedrich Kunitzer (1973): Fremd in Deutschland? [Band 10 der Schriftenreihe des Ostdeutschen Kulturrates]; Bielefeld: Gieseking; unpag.

 

 

Zu Friedrich Kunitzer (09.02.1907 Przedecz [dt. Moosburg] – 14.03.1998 Kördorf):
Maler, Zeichner, Schriftsteller; 1909 Übersiedlung der Familie nach Faroslawl an der Wolga, wo der Vater am zaristischen Kadettenkorps Deutschunterricht gibt; 1918 flieht die Familie nach Lodz, dort besucht Kunitzer das deutsche Gymnasium; 1926 Beginn des Studiums an der Kunstakademie Krakau; 1929 kurzzeitiges Studium an der Kunstakademie Berlin und kurzer Aufenthalt in Worpswede; 1930 Studium in Paris bei der dortigen Filiale der Krakauer Akademie (bei Józef Pankiewicz); 1932 Pflichtdienst beim polnischen Militär in Wolhynien; 1936 kann er durch ein Stipendium an der Münchner Akademie studieren und wird dort Meisterschüler Karl Caspars; 1937 Aufenthalt im Haus von Karl Caspar in Brannenberg am Inn; anschließend Fortsetzung des Studiums in München (bei Adolf Schinnerer); Ateliergemeinschaft mit Eugen Nell; 1942 Kriegsdienst und Gefangenschaft; während des Kriegsdienst weiterhin zeichnerisch tätig (im Späteren erscheint dazu die Publikation „Ikonen im Pulverrauch. Eine Zeichenfeder erlebt den Russlandfeldzug“ (o.J., Weinheim)); 1946 Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft und Aufenthalt in Alsfeld; 1949 Übersiedlung nach Wiesbaden und dort bis 1957 ansässig und tätig; 1957 Heirat mit der russischen Tänzerin Tamara, geb. Weiland, und Übersiedlung nach Kördorf, wo er sich ein Blockhaus baut und eine eigene Landwirtschaft samt Fischzucht betreibt; 1989 zweiter Aufenthalt in Worpswede; ab 1996 im Seniorenheim in Katzenelnbogen

Mitgliedschaften: 1947 Mitbegründer des BBK Lauterbach; 1954 Esslinger Künstlergilde; 1970 Mitbegründer der Künstlergemeinschaft „Westerwald, Taunus, Lahn“ (ab 1971 deren 1. Vorsitzender

Preise / Ehrungen: 1936 Akademiepreis der Kunstakademie München; 1987 Kulturpreis der Landsmannschaft Weichsel-Warthe

Einzelausstellungen (Auswahl): 1933 Ausstellungen in Lodz, Bromberg, Kattowitz; 1947 Ausstellungen in Alsfeld und Lauterbach; 1973 Parlamentarische Gesellschaft, Bonn; 1990 Ausstellung in Tann, Rhön; Ab etwa 1990 Dauerausstellung in der Hotelanlage Engelsbach (Thüringen), die der Sammler und Förderer Kuno Kallnbach ausrichtete, der selbst gut 150 Werke von Kunitzer besaß; 1996 Ausstellung zum 89. Geburtstag im Seniorenheim Katzenelnbogen; 2013 Ausstellung zusammen mit Werken von Ludwig Dörfler, Ludwig-Doerfler-Galerie, Schillingsfürst

Veröffentlichungen (Auswahl): 1973 „Wo die Füchse Kaffee kochen“; 1983 „Menschen-Mühlen-Märchen“; 1987 „Unterwegs – am Rande unseres Jahrhunderts“

Werke befinden sich u.a. im Besitz von: Museum Wiesbaden, Städtische Sammlungen Gelsenkirchen, Bundesinnenministerium, Sammlung Joseph Hierling (Tutzing).

Literatur
Bernd Küster (1996): Friedrich Kunitzer. Der Maler und sein Werk (mit einem Vorwort von Rainer Zimmermann); Worpsweder Verlag
Freundeskreis bildende Kunst, Tann/Rhön (1990): Friedrich Kunitzer [Katalog zur Ausstellung. Mit einem Text von Rainer Zimmermann]; Nüsttal-Hofaschenbach: Heinelt
„Allgemeines Künstlerlexikon“, Online-Version, Künstler-ID: 00216846
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 405

 

 

Aus: Bernd Küster (1996): Friedrich Kunitzer. Der Maler und sein Werk (Mit einem Vorwort von Rainer Zimmermann); Worpsweder Verlag; S. 40 und 155.