E L S E M E I D N E R (02.09.1901 Berlin – 05.05.1987 London)
Betende (1950)
Kohle auf Velinpapier, verso durch kleine Klebestreifen in Passepartout gesetzt, ungerahmt
unten rechts datiert „[19]50“
unten rechts monogrammiert „EMM“
Größe: 67,1 x 54,6 cm (Blatt) bzw. 62,5 x 50,5 cm (Passepartoutausschnitt) bzw. 81,7 x 66,7 cm (Passepartout)
ohne Titel, Betende
€ 1.700,-
Zustand
im Bereich des früheren Passepartoutausschnitts gleichmäßig sichtbar gebräunt; lichtrandig; im linken und rechten Blattbereich leicht wellig; am rechten Blattrand unten sehr kleiner Einriss (etwa 0,2cm); in den Randbereichen mitunter leichte Druckstellen
verso am Blattrand umlaufend braunes Klebeband; verso oben rechts angeschnittener, violetter (Zoll-?)Stempel „Güterbahnhof […]“[?]; verso leicht fleckig
Else Meidner war anfangs die Schülerin und im Späteren die Ehefrau Ludwig Meidners. Ab Ende der 1920er Jahre beginnt sie sich als Künstlerin zu etablieren und aus dem Schatten des Ehemanns zu treten. Ihre Porträtradierung Alfred Döblins erhält 1928 eine Auszeichnung, wird im “Kunstblatt” abgebildet und 1932 hat sie eine Einzelausstellung bei den Berliner “Juryfreien”.
Diese positive Entwicklung wird durch das Jahr 1933 jäh beendet. Zusammen mit dem Sohn David (*1929) lebt das Paar vorerst in Köln, da Ludwig hier eine Anstellung als Zeichenlehrer an der jüdischen Schule Jawne fand. Doch schließlich im August 1939, wenige Woche vor Kriegsbeginn, emigrieren sie nach England. Ludwig Meidner wird, wie bei deutschen Emigranten damals üblich, nach dem Kriegseintritt Englands zeitweise als „enemy alien“ interniert, während Else als Dienstmädchen arbeiten muss. Die Familie lebt in Armut, während sich die Ehepartner immer fremder werden.
Diese Existenznöte halten auch nach 1945 an und selbst eine Einzelausstellung beider Künstler in der renommierten Ben Uri Gallery (London) kann daran nichts ändern. 1953 kehrt Ludwig Meidner schließlich nach Deutschland zurück, während Else Meidner in London bleibt und 1954 die britische Staatsangehörigkeit annimmt.
Die vorliegende, großformatige Zeichnung entstand in dieser Londoner Zeit. Das Paar lebte noch zusammen, doch waren sie emotional schon voneinander getrennt.
Zu dem Schaffen Else Meidners in England schreibt Erik Riedel:
“Im Gegensatz zu seinen [d.h. Ludwig Meidners] phantastischen Szenerien, in denen nicht selten ein grotesker Geschlechterkampf tobt, sind die Bilder von Else Meidner tief ernst und bisweilen schwermütig. Sie beschäftigen sich häufig mit den Themen Altern und Tod […].”
[Erik Riedel (2002): Ludwig und Else Meidner – zu Leben und Werk, in: Georg Heuberger (Hrsg.): Ludwig und Else Meidner, Frankfurt am Main, S. 12-24 [hier: 21].]
Diese ‘Betende’ greift besonders die im obigen Zitat beschriebene Ernsthaftigkeit auf. In festen, schnellen und dichten Strichen entsteht das Bildnis einer ins Gebet vertieften Frau, bei der man an eine Arbeiterin denken mag. Die Existenznöte und -ängste werden auch diese, ebenso wie die Künstlerin, umgetrieben und geplagt haben.
Zu Else Meidner (02.09.1901 Berlin – 05.05.1987 London):
aufgewachsen in wohlhabendem, bürgerlichem Elternhaus; Vater war der angesehene Arzt Dr. Heinrich Meyer; 1918-25 Studium an der Kunstgewerbeschule Berlin (bei Prof Adol Meyer), der Kunstakademie Berlin, dem Studienatelier für Malerei und Plastik Lewin-Funke (Berlin-Charlottenburg), sowie Zeichenunterricht bei Ludwig Meidner; 1927 Heirat mit Ludwig Meidner; 1929 Geburt des Sohns David; 1929 Preis von den „Schaffenden“ für das Porträt Alfred Döblins als die „Beste deutsche Radierung des Jahres“; Mai 1932 Einzelausstellung mit dreißig Arbeiten bei den „Juryfreien“ (Berlin); 1935 Übersiedlung nach Köln; 1939 Emigration nach London; zuerst lebte die Familie in London getrennt (David in einem Kinderheim, Ludwig in einer winzigen Behausung, später als ‚enemy alien‘ ein Jahr interniert, Else arbeitete als Kindermädchen); 1949 Ausstellung von Else und Ludwig Meidner in der Ben Uri Art Gallery (London); nach dem Zweiten Weltkrieg zog David nach Israel; 1953 kehrte Ludwig nach Deutschland zurück; 1955 Beteiligung (mit fünf Blättern) bei Gruppenausstellung im Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath; 1956 Einzelausstellung in der Matthiessen-Gallery (London); 1959 Einzelausstellung in der Beaux-Arts-Gallery (London); 1964 und 1972 Retrospektiven in der Ben Uri Art Gallery (London); 1969 Ausstellung im Justus Liebig Haus (Darmstadt), sowie in der Bonifatius-Gemeinde (Hofheim); um 1970 musste Else Meidner die Malerei aus gesundheitlichen Gründen aufgeben
Literatur
u.a. TESCHNER, Ursula (1998): Else Meidner – Leben und Werk, in: Else Meidner 1901-1987. Ölbilder Gouachen Zeichnungen Radierungen. Jüdische Gemeinde Darmstadt. [Katalog zur Ausstellung vom 8. November 1998 bis 24. Januar 1999]; Darmstadt; S. 17-37
RIEDEL, Erik (2002): Ludwig und Else Meidner – zu Leben und Werk, in: „Ludwig und Else Meidner“ [Jüdisches Museum, Stadt Frankfurt am Main]; Frankfurt a.M.; S. 12-24