W A L T E R    B E C K E R    (01.08.1893 Essen – 24.10.1984 Tutzing)

 

Weitere Werke von Walter Becker

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„Trojanisches Pferd“ (1984)

Öl auf Leinwand, ohne Keilrahmen, ungerahmt
unten rechts in Weiß monogrammiert „WB“

€ 2.900,-

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Titel
„Trojanisches Pferd“ [verso unten rechts in Schwarz (wohl) vom Künstlernachlass betitelt];
Das Werk steht in deutlichem Bezug zu dem Gemälde „Zweites Trojanisches Pferd“ (Öl / Lw., 1977, 110x125cm);
[[1] Abb. in: von der Dollen (2015): 108.].

Jahr
unten rechts in Weiß datiert „[19]84“, sowie verso u.r. und o.r. (wohl) von Marion Hoelscher nochmals datiert „[19]84“ bzw. „Aug. [19]84“

Größe
Größe: 85,5 x 100cm

Zustand
die seitlichen Ränder (vom Künstler) sehr leicht uneben zugeschnitten; in den vier Ecken etwas knittrig und kleine Einstichlöcher; Ecke o.r. mit genuinem (übermaltem) Knick; in mittleren und rechten Bereich (technikbedingt) leicht wellig; verso technikbedingt etwas farbfleckig

Provenienz
aus dem Nachlass des Künstlers

 

 

„In seinem Spätwerk, das seit 1976 in Dießen am Ammersee entstanden ist, hat Walter Becker die Summer seiner malerischen Existenz gezogen, in der sich Nachwirkungen des deutschen Expressionismus und Einflüsse der französischen Malerei seit Matisse zu einer Symbiose emotionalen Erlebens und harmonischer Daseinsfreude verbinden. […] Becker hat Häuser mit breiten Dächerhauben, Gärten und Straßen in Dießen gemalt, sommerliche Café-Terrassen, Ausblicke auf den Ammersee. Aber sein Hauptthema ist nicht die Landschaft, sondern die Figur, Figur nicht als Abbild eines lebenden Modells, vielmehr als Inbild der Imagination, als Phantom, das aus Traum und Empfindung geboren ist. Sein zentrales Problem ist die Überwindung der Einsamkeit im Spiel des Gefühls von Mensch zu Mensch. Er will den Augenblick staunender, dankbarer Annäherung erfassen, in dem sich seit eh und je das Mysterium des Lebens vollzogen hat. Diese geistig-sinnliche Konfrontation ist ein zeitloses Ereignis von poetischer Kraft. Das Ich wird in der Anschauung des andern seiner eigenen Tiefe gewahr“. [2]

Dieses Spätwerk Walter Beckers wird von einer argen Zäsur eingeleitet und von deren Folgen stets begleitet: die zunehmende Einschränkung der Sehkraft, die Anfang der 1970er Jahre gar zu einer fast vollständigen Aufgabe des künstlerischen Schaffens führte. Zugleich ist es womöglich auch diese Zäsur, die Beckers spätes Schaffen so heraushebt. Er selbst betont, dass er seine Malerei ganz neu überdachte und sich neu versuchte:
„Zuerst zaghaft – in alte Fehler zurückfallend – jetzt [d.h. 1976] nach etwa 25 Bildern in voller früher nie erreichter Consequenz[sic!] in Aufbau und Farbigkeit.“ [3]

In diesem späten Schaffen finden sich zwar immer wieder Rückbezüge auf das frühere Werk – es tauchen immer wieder vertraute Motive auf – doch bleibt dies auch der kleinste gemeinsame Nenner. Die künstlerische Umsetzung ist singulär und scheint rein aus dem Künstler selbst zu kommen. Und so schreibt Ingrid von der Dollen sehr trefflich, dass es „[staunenswert] ist, dass Walter Becker in dieser leidvollen Zeit zu ganz neuen gestalterischen Wegen fand, die im Kosmos der Malerei ohne Vergleich sind […].“ [4]

Die antiken Mythen nehmen im Schaffen Beckers einen exponierten Platz ein und man mag dabei immer wieder erinnert sein an Mephistos Ausspruch „Doch das Antike find ich zu lebendig“ (Faust II, 2. Akt). Auch mit dem vorliegenden Werk wird explizit Bezug genommen auf die griechische Mythologie und deutlich steht dieses dabei im Zusammenhang mit dem einige Jahre zuvor entstandenen Gemälde „Zweites Trojanisches Pferd“ (1977).
Vor einem monochromen, satt braunen Hintergrund steht das titelgebende trojanische Pferd im Profil nach rechts. Der Untergrund ist in einer schwachen gelben Linie nur dezent angedeutet. Während sich die dunkleren Konturen des Pferdes, wie auch dessen helle, graue Oberfläche gut und stimmig dem Hintergrund anpassen, sticht das Innere – und damit das Essenzielle! – des Pferdes farblich hervor. In einer beinahe schon knallig blauen Umrandung liegt eine violett ausgeführte Figur, was den Blick des Betrachters unweigerlich immer wieder auf sich zieht. Rechts neben dem Pferd erhebt sich ein gelblicher Turm bei dem es sich um einen Teil Trojas handeln dürfte, was zugleich bedeutet, dass die Eroberung der Stadt noch bevor steht und das Pferd noch nicht einmal in die Stadt gelangt ist.

Unbedingt beachtenswert ist noch, dass dieses farbstarke und farbintensive Werk der rückseitigen Datierung („Aug.[ust] [19]84“) nach nur wenige Wochen vor Walter Beckers Tod entstand. Damit ist es zu den letzten Gemälden des großen Künstlers zu rechnen und belegt zugleich beispielhaft die unglaubliche künstlerische Kraft, die sich in dieser letzten Schaffensphase nochmals zeigte.

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[1] Abb. in: von der Dollen (2015): 108.
[2] Wilhelm Gall (1983): Walter Becker, in: GIM Galerie Rastorfer: Walter Becker. Zum 90. Geburtstag (zur Ausstellung vom 22.09.-21.10.1983) [mit einem Text von Gerd Presler], Freiburg, S. 96.
[3] Handschriftlicher Lebensbericht Walter Beckers, den dieser auf Anfrage an das Germanische Nationalmuseum sandte. Heutiger Standort ist im dortigen „Deutschen Kunstarchiv“ (DKA).
[4] Ingrid von der Dollen (2018): Walter Becker 1893-1984. Malerei und Grafik; Tutzing: Edition Joseph Hierling; S. 124.

 

 

Zu Walter Becker (01.08.1893 Essen – 24.10.1984 Tutzing):
Quelle: http://www.walter-becker.com/Maler, Zeichner, Grafiker; Sohn des Schmieds Eduard Becker und dessen Frau Johanna, geb. Eickmeyer; 1908 Tod des Vaters; 1910-13 Abendklasse an der Kunstgewerbeschule Essen; Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker; 1914-15 Kriegseinsatz, wobei er den Winter 1914 aufgrund von Tuberkulose im Schwarzwald verbrachtete; 1915 wurde er dann als ‚Landsturmmann ohne Waffe‘ zum Wehrdienst eingezogen und als Wachmann am Alten Durlacher Bahnhof eingesetzt; aufgrund seiner labilen Gesundheit wurde er noch 1915 vom Kriegsdienst befreit; prägende Bekanntschaft mit Karl Albiker; 1915-18 Studium an der Kunstakademie Karlsruhe (bei Walter Conz); nach dem Ersten Weltkrieg wird Becker v.a. als Illustrator bekannt (Illustrationen u.a. zu Jean Paul: Jean Paul Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, daß kein Gott sei (Heidelberg, 1918); Nikolai Gogol: Der Mantel (Heidelberg, 1920); E. T. A. Hoffmann: Die Königsbraut (Potsdam, um 1920)); 1919-22 Entwürfe für die Karlsruher Majolika-Manufaktur; 1922-23 Studium an der Kunstakademie Dresden; Meisterschüler bei Karl Albiker; November 1923 Heirat mit Yvonne von König (Tochter der Malerin Mathilde Tardif und Adoptivtochter Leo von Königs); 1924-36 Wohnsitz in Südfrankreich (Cassis-sur-Mer), dort Bekanntschaft mit u.a. Georges Braque, Jules Pascin, Erika und Klaus Mann, Thomas Mann; 1936 Rückkehr nach Deutschland, dort zunächst in München, dann in Utting am Ammersee in dem Haus Bertolt Brechts ansässig, bevor ein Haus in Bühl (Baden) gebaut wird; 1937 werden 19 Arbeiten bei der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt; 1937-38 Reise nach Florenz und Sienna; ab 1938 Wohnsitz in Tutzing, dort Bekanntschaft mit dem Cellisten Ludwig Hoelscher und dessen Frau Marion; 1941 Berufung als Professor an die Kunstakademie Karlsruhe, doch noch vor seinem Antritt wurde sein Atelier versiegelt und er wurde gezwungen von dem Vertrag zurück zu treten; 1951-58 Lehrer an der Kunstakademie Karlsruhe; 1952 Ernennung zum Professor; 1957 Tod der Ehefrau Yvonne; 1958 Pensionierung; 1958 Umzug nach Tutzing; 1968 fortschreitende Einschränkung der Sehkraft; 1974 Umzug in ein Seniorenstift in Dießen am Ammersee; ab 1976 erneuter Höhepunkt der Kreativität

Mitgliedschaften
1919-20 Karlsruhe, Gruppe Rih
(spätestens) 1928-36 und 1957-67 Deutscher Künstlerbund
1954-56 Pfälzische Sezession

Ab 1918 hatte Walter Becker zahlreiche Einzelausstellungen und Beteiligungen an Gruppenausstellungen.

Preise
1931 1. Kunstpreis der Stadt Hannover für das Portrait von Marcel Sauvage
1952 1. Preisträger der Internationalen Graphik Gilde Paris

Werken befinden sich u.a. im Besitz von den folgenden Sammlungen
Museum für aktuelle Kunst – Sammlung Hurrle, Durbach
Kunsthalle in Emden – Sammlung Henri Nannen
Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen
Museum Folkwang, Essen
Städtische Galerie Ettlingen
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Augustinermuseum, Freiburg
Sprengel Museum Hannover
Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall
Universitätsmuseum, Marburg
Kunsthalle Schweinfurt

Literatur (Auswahl)
Dollen, Ingrid von der (2015): Walter Becker 1893-1984 Malerei und Grafik; Edition Joseph Hierling; Tutzing
Jessewitsch, Rolf / Schneider, Gerhard (Hrsg.) (2008): Entdeckte Moderne. Werke aus der Sammlung Gerhard Schneider; Kettler; S. 476
Mülfarth, Leo (1987): Kleines Lexikon Karlsruher Maler; Badenia-Verlag; Karlsruhe; S. 23-24
Portz, Hubert (2008): Walter Becker. Frühe Werke 1914-1933; Edition Strasser
Schneider, Erich (Hrsg.) (2009): Expressiver Realismus. Die Sammlung Joseph Hierling [Schweinfurter Museumsschriften 166/2009]; Schweinfurt; S. 34
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 350
Kunst in Karlsruhe 1900-1950. Ausstellung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe im Badischen Kunstverein 24. Mai – 19. Juli 1981; Müller (Karlsruhe); S. 148
Internetseite zum Künstler [walter-becker.com]