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Weitere Werke von Walter Becker
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zwei, vom Betrachter fortlaufende, Kühe mit Pflug (um 1955)

Farblithographie (in Braun, Gelb, Blau, Violett, Schwarz) auf Velinpapier
nicht datiert [um 1955];
Blattgröße: 75 x 55 cm
Auflage: o.A. [(wohl) Probe-, Zustandsdruck];
u.r. in Bleistift signiert „W. Becker“, sowie verso unten mittig Künstlerstempel
nicht betitelt

€ 730,-

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Zustand
partiell leichte Druckstellen; rechter Rand oben mit kleinem Einriss (Länge etwa 1,3cm); am linken Rand mittig sehr kleiner Einriss (Länge etwa 0,3cm); am unteren Rand mittig, sowie am oberen Rand mittig Passkreuze (hier jeweils auch kleine Einstichlöchlein); in den Randbereichen (technikbedingt) vereinzelt leicht farbfleckig; Ecken sehr leicht bestoßen

Provenienz
aus dem Nachlass des Künstlers

 

 

Von 1951 bis 1952 war Walter Becker als Dozent an der Kunstakademie Karlsruhe tätig. 1952 wurde er von dieser Lehranstalt auch zum Professor ernannt – ein Amt das ihm bereits elf Jahr zuvor angeboten, aus welchem er dann aber noch vor dem tatsächlichen Antritt auf politischen Druck hin herausgedrängt wurde. In dieser Schaffensphase entstanden stärker abstrahierende Werke, ohne aber den Bereich des Gegenständlichen gänzlich zu verlassen. Bei der Wahl der künstlerischen Mittel fand Becker zu dieser Zeit neben der Ölmalerei in der Lithographie und dem Linolschnitt adäquate Ausdrucksmöglichkeiten (vgl. hierzu Ingrid von der Dollen (2018): Walter Becker 1893-1984 Malerei und Grafik; Tutzing: Edition Joseph Hierling; S. 61).

Das vorliegende Blatt ist in diese Phase einzuordnen. Es dürfte um 1955 entstanden sein und damit mitten in der regen Lehrtätigkeit Beckers an der Karlsruher Akademie.
Der Betrachter blickt hier im ersten Moment rein auf Farbflächen in Gelb, Braun und Violett. Erst bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass Becker hier durchaus im Gegenständlichen blieb, zugleich aber weit in die Abstraktion vordrang. Zwei Kühe bewegen sich vom Betrachter fort und ziehen hinter sich wohl einen Pflug her. Während die Farbpartien der Körper kaum Anhaltspunkte auf die Tiere geben, werden vor allem durch die schwungvollen Hörner und die herabhängenden Schwänze Hinweise seitens des Künstlers gesetzt. Diese reduzierte Formensprache ist ganz im Sinne Beckers, der hier den Fokus bei der Farbe und deren Wirkkraft sieht. – Ein Moment, welches in seinem Spätwerk zu erneuter Brillanz auftreten sollte. Mitunter mag man bei diesem Werk auch an einen Einfluss durch Picasso denken, dessen Kunst für Becker nachweislich gerade in der Karlsruher Zeit Relevanz besaß (vgl. ebd.: 62f.).

In dieser Karlsruher Zeit der 1950er Jahre entstanden insbesondere figürliche Kompositionen, wobei die Personen oftmals in eine bei Becker typische Straßenszenerie positioniert wurden. Die vorliegende Grafik weicht hier von der Motivwahl deutlich ab und Tiermotive finden sich nicht nur in dieser Schaffensphase Beckers eher selten, so dass diese zwei Kühe als ein sehr schönes, gelungenes ‚abstrahierendes Experiment‘ (Ingrid von der Dollen) angesehen werden dürfen.

 

 

Zu Walter Becker (01.08.1893 Essen – 24.10.1984 Tutzing):
Quelle: http://www.walter-becker.com/Maler, Zeichner, Grafiker; Sohn des Schmieds Eduard Becker und dessen Frau Johanna, geb. Eickmeyer; 1908 Tod des Vaters; 1910-13 Abendklasse an der Kunstgewerbeschule Essen; Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker; 1914-15 Kriegseinsatz, wobei er den Winter 1914 aufgrund von Tuberkulose im Schwarzwald verbrachtete; 1915 wurde er dann als ‚Landsturmmann ohne Waffe‘ zum Wehrdienst eingezogen und als Wachmann am Alten Durlacher Bahnhof eingesetzt; aufgrund seiner labilen Gesundheit wurde er noch 1915 vom Kriegsdienst befreit; prägende Bekanntschaft mit Karl Albiker; 1915-18 Studium an der Kunstakademie Karlsruhe (bei Walter Conz); nach dem Ersten Weltkrieg wird Becker v.a. als Illustrator bekannt (Illustrationen u.a. zu Jean Paul: Jean Paul Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, daß kein Gott sei (Heidelberg, 1918); Nikolai Gogol: Der Mantel (Heidelberg, 1920); E. T. A. Hoffmann: Die Königsbraut (Potsdam, um 1920)); 1919-22 Entwürfe für die Karlsruher Majolika-Manufaktur; 1922-23 Studium an der Kunstakademie Dresden; Meisterschüler bei Karl Albiker; November 1923 Heirat mit Yvonne von König (Tochter der Malerin Mathilde Tardif und Adoptivtochter Leo von Königs); 1924-36 Wohnsitz in Südfrankreich (Cassis-sur-Mer), dort Bekanntschaft mit u.a. Georges Braque, Jules Pascin, Erika und Klaus Mann, Thomas Mann; 1936 Rückkehr nach Deutschland, dort zunächst in München, dann in Utting am Ammersee in dem Haus Bertolt Brechts ansässig, bevor ein Haus in Bühl (Baden) gebaut wird; 1937 werden 19 Arbeiten bei der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt; 1937-38 Reise nach Florenz und Sienna; ab 1938 Wohnsitz in Tutzing, dort Bekanntschaft mit dem Cellisten Ludwig Hoelscher und dessen Frau Marion; 1941 Berufung als Professor an die Kunstakademie Karlsruhe, doch noch vor seinem Antritt wurde sein Atelier versiegelt und er wurde gezwungen von dem Vertrag zurück zu treten; 1951-58 Lehrer an der Kunstakademie Karlsruhe; 1952 Ernennung zum Professor; 1957 Tod der Ehefrau Yvonne; 1958 Pensionierung; 1958 Umzug nach Tutzing; 1968 fortschreitende Einschränkung der Sehkraft; 1974 Umzug in ein Seniorenstift in Dießen am Ammersee; ab 1976 erneuter Höhepunkt der Kreativität

Mitgliedschaften
1919-20 Karlsruhe, Gruppe Rih
(spätestens) 1928-36 und 1957-67 Deutscher Künstlerbund
1954-56 Pfälzische Sezession

Ab 1918 hatte Walter Becker zahlreiche Einzelausstellungen und Beteiligungen an Gruppenausstellungen.

Preise
1931 1. Kunstpreis der Stadt Hannover für das Portrait von Marcel Sauvage
1952 1. Preisträger der Internationalen Graphik Gilde Paris

Werken befinden sich u.a. im Besitz von den folgenden Sammlungen
Museum für aktuelle Kunst – Sammlung Hurrle, Durbach
Kunsthalle in Emden – Sammlung Henri Nannen
Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen
Museum Folkwang, Essen
Städtische Galerie Ettlingen
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Augustinermuseum, Freiburg
Sprengel Museum Hannover
Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall
Universitätsmuseum, Marburg
Kunsthalle Schweinfurt

Literatur (Auswahl)
Dollen, Ingrid von der (2015): Walter Becker 1893-1984 Malerei und Grafik; Edition Joseph Hierling; Tutzing
Jessewitsch, Rolf / Schneider, Gerhard (Hrsg.) (2008): Entdeckte Moderne. Werke aus der Sammlung Gerhard Schneider; Kettler; S. 476
Mülfarth, Leo (1987): Kleines Lexikon Karlsruher Maler; Badenia-Verlag; Karlsruhe; S. 23-24
Portz, Hubert (2008): Walter Becker. Frühe Werke 1914-1933; Edition Strasser
Schneider, Erich (Hrsg.) (2009): Expressiver Realismus. Die Sammlung Joseph Hierling [Schweinfurter Museumsschriften 166/2009]; Schweinfurt; S. 34
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 350
Kunst in Karlsruhe 1900-1950. Ausstellung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe im Badischen Kunstverein 24. Mai – 19. Juli 1981; Müller (Karlsruhe); S. 148
Internetseite zum Künstler [walter-becker.com]