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Karlsruher Straßenszene mit Passanten und links im Hintergrund die Kuppel der Orangerie (1952)

Lithographie auf Maschinenbütten
unten rechts signiert „Walter Becker“, sowie verso unten mittig Künstlerstempel
unten rechts datiert „[19]52“

€ 550,-

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Titel
ohne Titel [Karlsruher Straßenszene mit Passanten und links im Hintergrund die Kuppel der Orangerie]

Größe
Größe: 53,6 x 75 cm (Blatt) bzw. (etwa) 48 x 51,5 cm (Motiv)

Auflage
Auflage: unten rechts nummeriert „18/20“

Zustand
partiell leichte Druckstellen; oberer Blattrand mit durchgehender leichter horizontaler Knickspur; in den Randbereichen mit leichten Quetschungen; in Ecke unten links in Blei nummeriert „3“; partiell leicht fleckig; verso etwas fleckig

Provenienz
aus dem Nachlass des Künstlers

 

 

Von 1951 bis 1952 war Walter Becker als Dozent an der Kunstakademie Karlsruhe tätig. 1952 wurde er von dieser Lehranstalt auch zum Professor ernannt – ein Amt das ihm bereits elf Jahr zuvor angeboten, aus welchem er dann aber noch vor dem tatsächlichen Antritt auf politischen Druck hin herausgedrängt wurde. In seiner damaligen Bildsprache erarbeitet er für sich neue künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten mit einem höheren Grad an Abstraktion, ohne jedoch das Gegenständliche gänzlich zu verlassen. „Im Zuge seiner abstrahierenden Experimente hat sich Walter Becker dann der farbigen Lithografie und dem Linolschnitt zugewandt. Da ‚treibt er die Abstraktion nahe an die Gegenstandslosigkeit heran: Gruppenszenen, Großstadtpaare, Motorradfahrer werden zu Figurinen verformt und verwandeln sich in surreale Metaphern‘, konstatiert Rainer Zimmermann.“ [1]

Das vorliegende Blatt datiert auf 1952 und ist in diese Phase einzuordnen.

Walter Becker zeigt uns hier eine belebte, dichte Straßenszene. Es ist ein enges Gewimmel von Frauen und Männern – die Männer tragen zumeist Hut und Mantel und sind dunkel dargestellt, während die Frauen Kleider tragen und elegant wirken. Gerade die stehende bzw. wartende Frau in der Bildmitte wirkt in ihrer Helligkeit wie ein Blickfang. Aus ihren ernsten, selbstbewussten Augen blickt sie zum linken Bildrand und hat dort einen vorbeilaufenden Herrn im Auge. Dieser wiederum schaut sich im Gehen um, hat den Mantelkragen weit hochgeschlagen, den Hut heruntergezogen. Es wirkt wie ein kurzzeitiger Momenteinfang, wie ein paar Sekunden der gegenseitigen, wortlosen Anziehung, die rein auf dem Augenkontakt basiert, um ebenso schnell wieder zu verschwinden.
Im linken Hintergrund zeigt sich ganz markant eine Kuppel, bei der es sich um die Orangerie in Karlsruhe handeln wird, so dass dieses Motiv sich darüber hinaus auch noch lokalisieren lässt.

Sehr schöne, dichte und inhaltsreiche Komposition.

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[1] Ingrid von der Dollen (2015): Walter Becker 1893-1984 Malerei und Grafik; Tutzing: Edition Joseph Hierling; S. 61.

 

 

Zu Walter Becker (01.08.1893 Essen – 24.10.1984 Tutzing):
Quelle: http://www.walter-becker.com/Maler, Zeichner, Grafiker; Sohn des Schmieds Eduard Becker und dessen Frau Johanna, geb. Eickmeyer; 1908 Tod des Vaters; 1910-13 Abendklasse an der Kunstgewerbeschule Essen; Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker; 1914-15 Kriegseinsatz, wobei er den Winter 1914 aufgrund von Tuberkulose im Schwarzwald verbrachtete; 1915 wurde er dann als ‚Landsturmmann ohne Waffe‘ zum Wehrdienst eingezogen und als Wachmann am Alten Durlacher Bahnhof eingesetzt; aufgrund seiner labilen Gesundheit wurde er noch 1915 vom Kriegsdienst befreit; prägende Bekanntschaft mit Karl Albiker; 1915-18 Studium an der Kunstakademie Karlsruhe (bei Walter Conz); 1918 erste Ausstellung im Heidelberger Kunstverein (arrangiert von Wilhelm Fraenger); 1919-20 Mitglied der Künstlergruppe „Rih“; nach dem Ersten Weltkrieg wird Becker v.a. als Illustrator bekannt (Illustrationen u.a. zu Jean Paul: Jean Paul Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, daß kein Gott sei (Heidelberg, 1918); Nikolai Gogol: Der Mantel (Heidelberg, 1920); E. T. A. Hoffmann: Die Königsbraut (Potsdam, um 1920)); 1919-22 Entwürfe für die Karlsruher Majolika-Manufaktur; 1922-23 Studium an der Kunstakademie Dresden; Meisterschüler bei Karl Albiker; November 1923 Heirat mit Yvonne von König (Tochter der Malerin Mathilde Tardif und Adoptivtochter Leo von Königs); 1924-36 Wohnsitz in Südfrankreich (Cassis-sur-Mer), dort Bekanntschaft mit u.a. Georges Braque, Jules Pascin, Erika und Klaus Mann, Thomas Mann; 1931 1. Kunstpreis der Stadt Hannover für das Portrait von Marcel Sauvage; 1936 Rückkehr nach Deutschland, dort zunächst in München, dann in Utting am Ammersee in dem Haus Bertolt Brechts ansässig, bevor ein Haus in Bühl (Baden) gebaut wird; 1937 werden 19 Arbeiten bei der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt; 1937-38 Reise nach Florenz und Sienna; ab 1938 Wohnsitz in Tutzing, dort Bekanntschaft mit dem Cellisten Ludwig Hoelscher und dessen Frau Marion; 1941 Berufung als Professor an die Kunstakademie Karlsruhe, doch noch vor seinem Antritt wurde sein Atelier versiegelt und er wurde gezwungen von dem Vertrag zurück zu treten; 1945-61 Mitglied des Deutschen Künstlerbundes; 1951-58 Lehrer an der Kunstakademie Karlsruhe; 1952 Ernennung zum Professor; 1952 1. Preisträger der Internationalen Graphik Gilde Paris; 1957 Tod der Ehefrau Yvonne; 1958 Pensionierung; 1959 Umzug nach Tutzing; 1968 fortschreitende Einschränkung der Sehkraft; 1974 Umzug in ein Seniorenstift in Dießen am Ammersee; ab 1976 erneuter Höhepunkt der Kreativität

Literatur / Quellen
DOLLEN, Ingrid von der (2015): Walter Becker 1893-1984 Malerei und Grafik; Edition Joseph Hierling; Tutzing
JESSEWITSCH, Rolf / SCHNEIDER, Gerhard (Hrsg.) (2008): Entdeckte Moderne. Werke aus der Sammlung Gerhard Schneider; Kettler; S. 476
PORTZ, Hubert (2008): Walter Becker. Frühe Werke 1914-1933; Edition Strasser
SCHNEIDER, Erich (Hrsg.) (2009): Expressiver Realismus. Die Sammlung Joseph Hierling [Schweinfurter Museumsschriften 166/2009]; Schweinfurt; S. 34
ZIMMERMANN, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 350
Kunst in Karlsruhe 1900-1950. Ausstellung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe im Badischen Kunstverein 24. Mai – 19. Juli 1981; Müller (Karlsruhe); S. 148
Internetseite zum Künstler [walter-becker.com]