W A L T E R   B E C K E R

 

Weitere Werke von Walter Becker
Zur Rezension „Walter Becker 1893-1984 Malerei und Grafik“
Zum Themenflyer ‚Walter Becker: Das junge Spätwerk ‘

 

 

‚Im Zugabteil‘ (1946)

Gouache, Ölfarbe, Deckweiß auf kräftigem Maschinenbütten, verso: Kohle, ungerahmt
unten rechts in Blei monogrammiert „WB“
unten rechts in Blei datiert „[19]46“

€ 1.600,-

Kaufanfrage

 

 

Titel
ohne Titel [recto: ‚Im Zugabteil‘, verso: Portraitstudie einer jungen Frau]

Größe
Größe: 49,7 x 60,8 cm (Blatt) bzw. (etwa) 49,5 x 55 cm (Motiv recto)

Zustand
Recto: im Bereich des früheren Passepartoutausschnitts ist das Papier gleichmäßig leicht gebräunt; in den oberen beiden Ecken kleine Einstichlöchlein; Ecken leicht bestoßen; technikbedingt sehr leicht wellig; partiell leicht staubig
Verso: technikbedingt fleckig; am linken Blattrand Annotationen in Blei (wohl von früherem Rahmenmacher); am oberen Rand Reste früherer Befestigung (Klebestreifen)

Provenienz
Karl-Albiker-Stiftung, Ettlingen [hierzu verso unten rechts Sammlungsstempel, sowie darunter die handschriftliche Inv.Nr. 703];
Der Bildhauer Karl Albiker (1878 Ühlingen – 1961 Ettlingen) war wie ein väterlicher Freund für Walter Becker. In Beckers früher Karlsruher Zeit (1915-18), schufen Becker, das Ehepaar Albiker und andere ein Puppentheater mit Figuren nach Franz von Pocci. Als Albiker an die Dresdner Akademie wechselte, ging Becker ihm anfangs nach und war von 1922-23 sein Meisterschüler. 1947 Gründung der Karl-Albiker-Stiftung.
Albiker besaß eine umfangreiche Kunstsammlung und darunter auch mehrere Werke Walter Beckers. Ein großer Teil der Karl-Albiker-Stiftung bildete den Grundstock für die Kunstsammlung des Museums Ettlingen.

 

 

Walter Becker ist einer der ganz großen expressiven Realisten des 20. Jahrhunderts. Nach seinem Studium an der Karlsruher Akademie (1915-18) war er in der legendären Künstlergruppe „Rih“ aktiv zu der u.a. noch Rudolf Schlichter, Wladimir von Zabotin und Georg Scholz gehörten. Zu dieser Zeit konnte er sich bereits als Illustrator bibliophiler Bände etablieren. Becker ging hierauf kurzzeitig nach Dresden (1922-23) und war dort Meisterschüler bei seinem väterlichen Freund Karl Albiker. 1923 heiratete er Yvonne von König, Adoptivtochter des großen Porträtmalers Leo von König. Das junge Paar lebte anfangs in Berlin, verzog dann aber 1924 nach Südfrankreich und dort blieben sie bis 1935. Nach der Rückkehr nach Deutschland wechselte er anfangs den Wohnsitz, bevor er sich 1938 in Tutzing niederließ. In der Folgezeit zog er sich als Künstler mehr und mehr zurück und arbeitete vornehmlich als Zeichner, Illustrator und Grafiker. Bereits 1937 wurden Werke von ihm aus öffentlichem Museumsbestand als „entartet“ beschlagnahmt und eine angetragene Professur in Karlsruhe konnte er 1942 aufgrund politischen Drucks nicht antreten. Nach dem Weltkrieg setzte eine neue, produktive Werkphase ein. Zu Beginn war Becker noch sehr von Matisse beeinflusst und malte vor allem private Bilder, Interieurs, Porträts [1]. Doch nicht lange dauert es, bis Becker zu einem stärker eigenen, kräftigen Ausdruck findet.

„Dann aber wendet sich Walter Becker wieder expressionistischen Bildmöglichkeiten zu: Grobe, schwarze Umrisse umschließen erneut Figur und Gegenstände, die ohne Rücksicht auf ihre natürlichen Formen und räumlichen Gegebenheiten, vor den Betrachter gerückt sind.“ [2]

Diese Charakterisierung ist in dem vorliegenden, 1946 entstandenen Werk beispielhaft erkennbar.
Becker zeigt hier ein Motiv, das ihn noch jahrelang beschäftigen sollte – Frauen im Zugabteil. Drei anonyme, dunkel gekleidete Frauen sitzen schweigend eng beisammen. Weitere Darstellungen dieses Sujets lassen sich bis in die mittleren 1950er Jahren nachweisen, wobei vorliegendes Werk ein überaus frühes Beispiel dafür ist.

Das Werk war vormals Teil der umfangreichen und wichtigen Karl-Albiker-Stiftung (Ettlingen). Der oben bereits erwähnte Bildhauer Albiker und Becker waren seit etwa 1915 eng befreudent. 1947 gründete Albiker seine Stiftung und ein großer Teil davon ist heute der Grundstock für die Kunstsammlung des Museums Ettlingen.

Bezogen auf Beckers Schaffen im Speziellen ein sehr schönes Werk aus der frühen Nachkriegzeit mit einem für den Künstler ganz typischen Sujet. Und im Allgemeinen darf dieses Zugabteil als ein wunderschönes Zeugnis westdeutscher Kunst der „Stunde Null“ angesehen werden.

————————————————-
[1] Vgl. dazu Ingrid von der Dollen 2018: 46ff.
[2] Ebd.: 50.

 

 

Zu Walter Becker (01.08.1893 Essen – 24.10.1984 Tutzing):
Quelle: http://www.walter-becker.com/Maler, Zeichner, Grafiker; Sohn des Schmieds Eduard Becker und dessen Frau Johanna, geb. Eickmeyer; 1908 Tod des Vaters; 1910-13 Abendklasse an der Kunstgewerbeschule Essen; Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker; 1914-15 Kriegseinsatz, wobei er den Winter 1914 aufgrund von Tuberkulose im Schwarzwald verbrachtete; 1915 wurde er dann als ‚Landsturmmann ohne Waffe‘ zum Wehrdienst eingezogen und als Wachmann am Alten Durlacher Bahnhof eingesetzt; aufgrund seiner labilen Gesundheit wurde er noch 1915 vom Kriegsdienst befreit; prägende Bekanntschaft mit Karl Albiker; 1915-18 Studium an der Kunstakademie Karlsruhe (bei Walter Conz); nach dem Ersten Weltkrieg wird Becker v.a. als Illustrator bekannt (Illustrationen u.a. zu Jean Paul: Jean Paul Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, daß kein Gott sei (Heidelberg, 1918); Nikolai Gogol: Der Mantel (Heidelberg, 1920); E. T. A. Hoffmann: Die Königsbraut (Potsdam, um 1920)); 1919-22 Entwürfe für die Karlsruher Majolika-Manufaktur; 1922-23 Studium an der Kunstakademie Dresden; Meisterschüler bei Karl Albiker; November 1923 Heirat mit Yvonne von König (Tochter der Malerin Mathilde Tardif und Adoptivtochter Leo von Königs); 1924-36 Wohnsitz in Südfrankreich (Cassis-sur-Mer), dort Bekanntschaft mit u.a. Georges Braque, Jules Pascin, Erika und Klaus Mann, Thomas Mann; 1936 Rückkehr nach Deutschland, dort zunächst in München, dann in Utting am Ammersee in dem Haus Bertolt Brechts ansässig, bevor ein Haus in Bühl (Baden) gebaut wird; 1937 werden 19 Arbeiten bei der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt; 1937-38 Reise nach Florenz und Sienna; ab 1938 Wohnsitz in Tutzing, dort Bekanntschaft mit dem Cellisten Ludwig Hoelscher und dessen Frau Marion; 1941 Berufung als Professor an die Kunstakademie Karlsruhe, doch noch vor seinem Antritt wurde sein Atelier versiegelt und er wurde gezwungen von dem Vertrag zurück zu treten; 1951-58 Lehrer an der Kunstakademie Karlsruhe; 1952 Ernennung zum Professor; 1957 Tod der Ehefrau Yvonne; 1958 Pensionierung; 1958 Umzug nach Tutzing; 1968 fortschreitende Einschränkung der Sehkraft; 1974 Umzug in ein Seniorenstift in Dießen am Ammersee; ab 1976 erneuter Höhepunkt der Kreativität

Mitgliedschaften
1919-20 Karlsruhe, Gruppe Rih
(spätestens) 1928-36 und 1957-67 Deutscher Künstlerbund
1954-56 Pfälzische Sezession

Ab 1918 hatte Walter Becker zahlreiche Einzelausstellungen und Beteiligungen an Gruppenausstellungen.

Preise
1931 1. Kunstpreis der Stadt Hannover für das Portrait von Marcel Sauvage
1952 1. Preisträger der Internationalen Graphik Gilde Paris

Werken befinden sich u.a. im Besitz von den folgenden Sammlungen
Museum für aktuelle Kunst – Sammlung Hurrle, Durbach
Kunsthalle in Emden – Sammlung Henri Nannen
Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen
Museum Folkwang, Essen
Städtische Galerie Ettlingen
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Augustinermuseum, Freiburg
Sprengel Museum Hannover
Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall
Universitätsmuseum, Marburg
Kunsthalle Schweinfurt

Literatur (Auswahl)
Dollen, Ingrid von der (2015): Walter Becker 1893-1984 Malerei und Grafik; Edition Joseph Hierling; Tutzing
Jessewitsch, Rolf / Schneider, Gerhard (Hrsg.) (2008): Entdeckte Moderne. Werke aus der Sammlung Gerhard Schneider; Kettler; S. 476
Mülfarth, Leo (1987): Kleines Lexikon Karlsruher Maler; Badenia-Verlag; Karlsruhe; S. 23-24
Portz, Hubert (2008): Walter Becker. Frühe Werke 1914-1933; Edition Strasser
Schneider, Erich (Hrsg.) (2009): Expressiver Realismus. Die Sammlung Joseph Hierling [Schweinfurter Museumsschriften 166/2009]; Schweinfurt; S. 34
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 350
Kunst in Karlsruhe 1900-1950. Ausstellung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe im Badischen Kunstverein 24. Mai – 19. Juli 1981; Müller (Karlsruhe); S. 148
Internetseite zum Künstler [walter-becker.com]