M A P P E   „ K Ü N S T L E R G R U P P E   C H E M N I T Z “

 

 

 

Mappe der „Künstlergruppe Chemnitz“ (1916)

„Künstlergruppe Chemnitz. Original-Steinzeichnungen von R. Friedrich – G. Gelbke – A. Kunze – G. Schaffer -M. Schrag. Urdichtungen von Hans Thoma, Richard Dehmel, K.J. Friedrich, D. Tarren.“

€ 1.500,-

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Titel
„Künstlergruppe Chemnitz. Original-Steinzeichnungen von R. Friedrich – G. Gelbke – A. Kunze – G. Schaffer -M. Schrag. Urdichtungen von Hans Thoma, Richard Dehmel, K.J. Friedrich, D. Tarren.“
Die Titel der Lithografien lauten:
1) Rose Friedrich „Der junge Jesus“,
2) Georg Gelbke „Not und Leid“,
3) Alfred Kunze „Scheidender Winter“,
4) Gustav Schaffer „Pieta“,
5) Martha Schrag „Klage“.
Die Titel der Textblätter lauten:
1) Hans Thoma ‚ohne Titel‘,
2) Richard Dehmel „Die Verhüllten“,
3) Karl Josef Friedrich „Der Mensch“,
4) Dorothee Tarren „Im Kriege“

Technik
Flügelmappe (Halbleinen), darin enthalten: Titelblatt (Gestaltung von Rose Friedrich), 5 Lithografien, 4 Textblätter.
Die Mappe ist komplett.
Die Blätter jeweils auf Büttenpapier.

Jahr
Textblatt, die 5 Lithografien, sowie der Mappendeckel vorne datieren auf 1916.

Signatur
Textblatt und die 5 Lithografien handschriftl. monogr. / sign., sowie zusätzlich im Druck monogr. / sign., die 5 Textblätter im Druck sign.

Auflage
Textblatt und die 5 Lithografien handschriftlich nummeriert „17/25“

Größe
Größe: je 43,9 x 33,7 cm (Blätter) bzw. 45,8 x 35 cm (Mappe)

Zustand
Mappe: etwas fleckig und etwas nachgedunkelt; vorne mittig (bei dem Wort „Fünf“) oberflächliche Kratzspur; Ecken der Mappe bestoßen; verso fleckig
Titelblatt, Lithografien, Textblätter: in den oberen beiden Ecken, sowie vereinzelt auch am rechten Rand mittig, minimale Einstichlöchlein; die Blätter haben durchgehend am linken Rand unten einen sehr schwachen Feuchtigkeitsschaden (Papier schwach nachgedunkelt, sowie leicht wellig)

 

 

Die „Künstlergruppe Chemnitz“ bildete sich 1907 und bestand bis 1933. Gegründet wurde die Gruppe von sechs Künstlern: Alfred Kunze, Martha Schrag, Rose Friedrich, Gustav Schaffer, Georg Gelbke und Margarethe Pfaff, wobei Letztere nach kurzer Zeit schon wieder die Gruppe verließ.
Die Gründung der Gruppe beschreibt Dr. Adolf Thiele, Arzt, Kunstsammler und Mäzen der Chemnitzer Künstler, im Rückblick folgendermaßen:

„Mitten aus einem Meer von Dilettantismus heraus retten sich […] fünf Künstler auf ein tragfähiges Boot, hissen die Segel und beginnen die Fahrt in die große Welt. Welchen Reichtum eindrucksvoller Bilder muß eine in aller Welt als rauch- und rußgeschwärzte Fabrikstadt verschrieene Provinzstadt wie Chemnitz bieten, wenn sich hier aus Handwerk und Abrichtung, aus Lohnarbeit und Nichtachtung heraus eigene Künstler entwickeln können, die, jeder auf seine besondere Art, in dem einen entscheidenden Punkte einig sind, daß Kunst von Können herkommt. Die auch darin einig sind, daß Kunst nicht um der Vielzuvielen willen gemacht wird, die dank ihrer ‚kompakten Majorität‘ das Recht für sich in Anspruch nehmen, zu bestimmen, was gut und böse ist, sondern um der Wenigen willen, die in dieser Welt voll Staub ihrer Seelen Seligkeit suchen. […] Um der Wenigen willen, denen erst die Geschichte Recht geben wird, daß sie auf dem rechten Wege waren.“ [1]

Beachtenswert ist nun noch, dass diese fünf Gruppenmitglieder keinesfalls einen streng gemeinsamen Stil aufwiesen, wenn man nicht als kleinsten gemeinsamen Nenner das Ausgehen vom und das individuelle Weiterentwickeln des Impressionismus sehen will. Auch wird man die Gruppe nicht als avantgardistisch betrachten können, wie dies für andere Gruppen des frühen 20. Jahrhunderts durchaus stimmen kann. Und vielleicht war diese lockere Gemeinschaft, die durch enge Kollegialität verbunden war, dann auch Grund dafür, dass die „Künstlergruppe Chemnitz“ erstaunlich lange bestand.
Dass die Grundausrichtung der Gruppe aber zweifelsohne modern war, belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass 1937 bei den Beschlagnahmungen im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ vier der fünf Künstler betroffen waren. Allein Alfred Kunze blieb wohl verschont, was jedoch nicht ausschließt, dass Werke von ihm in damals beschlagnahmten Konvoluten oder / und Mappen waren.

Ein sehr verständliches Ziel der Gruppe bestand darin, die materielle Basis der Mitglieder besserzustellen, das heißt, es sollten Förderer bzw. außerordentliche Mitglieder, d.h. Nicht-Künstler, angeworben werden, die dann bereit waren einen Jahresbeitrag zu leisten und darüber hinaus vielleicht auch noch Kunstwerke zu erwerben. Ab 1913 wurde in diesem Sinne als Satzungsziel festgelegt, dass jährlich eine gemeinsame Jahresmappe für die außerordentlichen Mitglieder herausgegeben werden sollte [2].
Diese hier vorliegende Mappe „Fünf Steinzeichnungen der Künstlergruppe Chemnitz […]“ erschien 1916 und wird eben eine solche Jahresmappe sein.
Die Mappe erschien, womöglich den Zeit-, und Kriegsumständen geschuldet, in einer sehr geringen Auflage von gerade einmal 25 Exemplaren. Und dennoch bezeugt die Gestaltung – Halbleinenmappe, Bütten -, dass hier die Gruppenmitglieder Wert auf Qualität legten.

Gezeigt werden fünf Lithografien der besagten fünf Künstler, sowie vier Textblätter, die auf dem Titelblatt umschrieben werden mit „Urdichtungen von Hans Thoma, Richard Dehmel, K.J. Friedrich, D. Tarren.“
Die Motive der Lithografien zeigen dabei die oben bereits benannte Bandbreite innerhalb der Künstlergruppe. Während Rose Friedrich („Der junge Jesus“) und Gustav Schaffer („Pieta“) sich religiösen Themen widmen, zeigt Alfred Kunze („Scheidender Winter“) eine großartige Landschaft und Figürliches findet sich dann bei Georg Gelbke („Not und Leid“) wie auch bei Martha Schrag („Klage“). Beachtenswert ist an dieser Stelle noch, dass die Grafik Martha Schrags aus diesem Quintett heraussticht und für dieses frühe Kriegsjahr eine starke Kritik in Form von leidenden Menschen, von Not und Elend darstellt.
Die weiterhin beigefügten Textblätter zeigen Gedichte bzw. Texte von Hans Thoma ‚ohne Titel‘, Richard Dehmel „Die Verhüllten“, Karl Josef Friedrich „Der Mensch“ und Dorothee Tarren „Im Kriege“. Die Texte sind jeweils in der Handschrift der Dichter gedruckt, was dem bibliophilen Anspruch der Zeit sicherlich entsprach.

Insgesamt ein sowohl inhaltlich als auch gestalterisch sehr anspruchsvolles Objekt, welches auf wunderbare Weise bildende Kunst mit Dichtung verbindet. Wenn man bedenkt, dass solche Mappen immer wieder auch aufgeteilt und Einzelblätter entnommen wurden, dann darf dieses Objekt, einer auf gerade mal 25 Exemplare limitierten Mappe, sicherlich als Rarissimum bezeichnet werden.

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[1] Zitiert nach Ralf W. Müller (2003): Künstlergruppe Chemnitz 1907-1933, Chemnitz: Verlag Heimatland Sachsen, S. 20.
[2] Vgl. dazu ebd.: 24.