M A N F R E D   S T E I N H A R D T

 

Weitere Werke von Manfred Steinhardt

 

Manfred Steinhardt: Schiff vor der Küste bei Ramsey (Camp Mooragh)

 

Schiff vor der Küste bei Ramsey (Camp Mooragh)

Bleistift, teilweise gewischt, auf Zeichenpapier, am oberen Rand durch Klebestreifen unter Passepartout gesetzt
u.r. in Blei lokalisiert und datiert „Ramsey / [19]40“

u.r. in Blei monogrammiert „M. St.“, sowie verso von fremder Hand in Blei mit Künstlernamen bez.
nicht betitelt

€ 620,-

 

 

                

 

Passepartoutgrösse: 39,6x34cm
Blattgrösse: 25,5×17,7cm
Grösse des Passepartoutausschnitts: 24,9x17cm

Zustand
Blatt am oberen Rand durch Klebestreifen unter Passepartout gesetzt; leichte Druckstellen im Blatt; insgesamt schwach nachgedunkelt; im Bereich o.r. leicht stockfleckig; im Bereich o.r. schwache diagonal verlaufende Stauchung; verso leichte Lagerspuren, sowie von fremder Hand in Blei bez. „Dokument!“ und in Blei nummer. „192“, sowie darunter in Blei bez. „Steinhardt war auf der Insel / Ramsey interniert“

 

 

Im Mai 1940 veranlasste die englische Regierung die Einrichtung des Internierungslagers Mooragh in Ramsey (Isle of Man) für ‚feindliche Ausländer‘ (enemy aliens). Hierzu wurden bestehende Gebäude und Häuser geräumt, bevor am 27. Mai schließlich die ersten 823 Männer in das Lager gebracht wurden. Bis zur Schließung des Lagers am 2. August 1945 durchlief die Einrichtung einige Veränderungen – Internierte, die sich als ungefährlich für die Alliierten erwiesen, wurden entlassen und mit dem Kriegseintritt weiterer Nationen, wandelte sich auch die Lagerbelegung und setzte sich dementsprechend aus mehreren Nationen zusammen. In der Anfangszeit lassen sich dabei mehrere Fälle finden, in denen jüdische Emigranten aus Deutschland nach England flohen und nach ihrer Ankunft oder auch nach einem (kurzen) Aufenthalt in England im Camp Mooragh interniert wurden. Hierzu zählen beispielsweise Hugo Dachinger (1908-1997), Bruno Heilig (1888-1968), Ludwig Meidner (1884-1966), Joseph Plaut (1879-1966) und auch Manfred Steinhardt wird dieses Schicksal getroffen haben.
Die vorliegende skizzenhafte Zeichnung ist auf 1940 datiert und verweist demnach darauf, dass Steinhardt im ersten Jahr des Bestehens des Lagers interniert wurde. Obgleich das Datum der Ankunft in England nicht übermittelt ist und sich diese nur grob auf die Zeit um 1939-40 datieren lässt, kann angenommen werden, dass Steinhardt wenn überhaupt nur wenige Monate in England verbrachte, bevor er ins Camp Mooragh kam.
Vor dem Betrachter zeigt sich ein trüber, grauer Tag. Das Meer liegt ruhig, beinahe unbeweglich vor uns. Die Küste ist nur in wenigen flüchtigen Andeutungen am unteren Rand zu erkennen. Im mittleren und hinteren Bildbereich liegen insgesamt drei Schiffe im Wasser, bevor sich im Horizont und am Himmel schwere, tiefhängende Wolken anschließen. Die gesamte Komposition durchzieht eine melancholische Schwere, Traurigkeit und Tristesse, welche durch die signifikante biografische Kontextualisierung nochmals unterstrichen wird.

 

 

Zu Manfred Steinhardt (20.11.1893 Korneuburg (bei Wien) – 1952 London?):
Maler, Graphiker, Werbegraphiker; Schulbesuch in Berlin-Charlottenburg; Besuch der Kunstgewerbeschule Charlottenburg (dort belegte er die Klassen für Zeichnen, Aquarellieren und Modellieren); ursprüngliche Absicht Bildhauer zu werden; hierzu Volontariate bei den Bildhauern Franz Pritel, Hans Schimmelpfennig und Paul Hubrich; 1910 Volontariat beim Werbekünstler und Bühnenbildner Paul Leni; 1912 Anstellung bei Hans Rudi Erdt, sowie später bei dem Werbegraphiker R.L. Leonard; 1915 Anstellung bei verschiedenen Filmtheater-Unternehmen; entwarf zahlreiche Plakate; 1916-18 Kriegsdienst; 1920-23 Besuch der Kunstakademie Berlin (u.a. bei Erich Wolfsfeld), dort belegte er die Klassen für Zeichnen und Lithographie; 1923 Tod des Vaters, wodurch er gezwungen wird sein Studium abzubrechen und die väterliche Buchhandlung zu übernehmen; in dieser Zeit Entwurf von Kunsteinbänden; 1924 übernahm der Bruder die Buchhandlung; ab 1924 als selbstständiger Werbegraphiker tätig; Tätigkeit u.a. für die Verlage Alterthum, Schmoller & Gordon, das Jüdische Nachrichtenblatt, das Israelitische Familienblatt, die Ortsgruppe Berlin des Deutschen Reklameverbandes, die Reichsheimstätten; wohnhaft in Berlin-Charlottenburg (Königin-Luise-Str. 3); (wohl) in den 1920er Jahren Heirat mit Therese, geb. Alsberg; 21.03.1926 Geburt der Tochter Helga; Mitglied im Jüdischen Kulturbund Deutschland; Ausstellungen im Jüdischen Museum Berlin; April 1939 Emigrationsversuch nach England; 1998 wurden Werke Steinhardts in der Ausstellung „Kunst im Exil“ gezeigt (Galerie Kompromißlos, Dinslaken)

Quellen / Literatur
Briefe, Dokumente von M.S. in „Dora Segall Material“ (Leo Baeck Institute, New York)
Central-Verein-Zeitung [Allgemeine Zeitung des Judentums]; Nr. 10 (v. 10. März 1938); S. 14
Neuer Nachrichtenbrief der Gesellschaft für Exilforschung e. V.; Nr. 11 (Juni 1998); S. 10