K A T E R I N A    W I L C Z Y N S K I    (17.01.1894 Posen – 12.11.1978 London)

 

Weitere Berliner Künstler

 

 

‚Straßenecke in Paris‘ (1928)

Pastellkreiden auf Velinpapier, verso am oberen Rand säurefrei durch zwei Klebestreifen in Passepartout gesetzt, ungerahmt

unten rechts datiert „[19]28“
unten rechts mit Kürzel signiert „WILC“, sowie verso von fremder Hand zweifach mit Künstlernamen bezeichnet

€ 1.700,-

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Titel
ohne Titel [Straßenecke in Paris, hierzu unten rechts lokalisiert „Paris“]

Größe
Größe: 44,9 x 30,4 cm (Blatt) bzw. 42,9 x 28,9 cm (Passepartoutausschnitt) bzw. 70 x 50 cm (Passepartout)

Zustand
Blatt verso am oberen Rand säurefrei durch zwei Klebestreifen in Passepartout gesetzt; am Blattrand umlaufend in einem Abstand von etwa 2,5cm Einstichlöchlein (diese stammen von der Künstlerin, die vormals eine Schutzfolie über das Blatt legte und diese Folie dann mittels Heftfaden an diese Zeichnung nähte / befestigte, unter Passepartout sind die Löchlein nicht sichtbar) [1]; leichte Druckstellen im Blatt; Ecken etwas bestoßen; Eckbereich unten links mit leichter Stauchung; in den Randbereichen mitunter etwas knittrig; partiell leicht fleckig
verso etwas fleckig; verso oben links in Blei mit früherer Preisangabe versehen „180,-“, sowie mit Namen bezeichnet „Greti Ruben“[?]

 

 

Katerina (Käte) Wilczynski hatte schon früh ein ausgesprochen zeichnerisches Talent. Die Eltern erkannten dies zwar durchaus, waren aber gegen den unsicheren Beruf einer Künstlerin und so kam es zu der „Notlösung“, dass die Tochter zum Berliner Antiquariat Paul Gottschalk (Unter den Linden) in die Lehre ging. Dies hielt dann zwar immerhin eineinhalb Jahre, doch war dann Schluss. Gezeichnet hat Wilczynski weiterhin, und konnte dies an selbst bezahlten Abendkursen in der Reimann-Schule sogar noch verfeinern. In der Folge nahm sie Privatunterricht bei einem Plakatzeichner, was aber nur drei Monate anhielt. Es folgten ein paar eigene Reklameaufträge, sowie eine Aushilfsstelle als Sekretärin, bevor 1914 der Weltkrieg ausbrach.

„Es war alles sehr unbefriedigend, aber nicht verzweifelnd, da ich ja zu Hause lebte und ernährt wurde. Was ich rückblickend nicht verstehen kann, ist, daß es mich nicht von meiner fixen Idee abbrachte, mir aber eine plötzliche Einsicht gab, als ‚praktisches‘ Ziel Illustrator zu werden und die verschiedenen graphischen Techniken zu erlernen.“ [2]

So bewarb sie sich an der Akademie für Graphische Künste in Leipzig und wurde angenommen. Bereits 1917 erhielt sie von Martin Radt den Auftrag seinen Band „Frühlingsmärchen“ zu illustrieren. Und in Laufe desselben Jahres besuchte sie an der Berliner Kunstgewerbeschule die Fachklasse von Emil Orlik. Kurz darauf wurde sie Meisterschülerin bei ihrem früheren Leipziger Lehrer Hugo Steiner-Prag. Einen ersten Durchbruch erreichte sie mit ihren 12 Radierungen, die sie für Waldemar Bonsels „Indienfahrt“ schuf und welche dann 1920 bei „Rütten & Loening“ erschien.

Zu dieser Zeit etablierte sich Wilczynski vor allem als Illustratorin und als Porträtzeichnerin. Auf Wunsch des Buch- und Kunsthandels Landsberg, die eine Ausstellung mit Wilczynski plante [3], fuhr die Künstlerin – samt Empfehlungsschreiben für Rudolf Levy – nach Paris. Und „dieser erste Kontakt mit der lateinischen Welt [bedeutete] mir soviel, wie Goethes erster Kontakt mit Italien.“ [4] In den Jahren zwischen 1924 und 1929 reiste sie immer wieder nach Paris und ihre dort geschaffenen Zeichnungen fand man u.a. als Illustrationen in „Westermanns Monatsheften“, aber auch in dem Band „Das Buch von Paris“ (München: Piper), welches Harro von Wedderkop 1929 für die Reihe „Was nicht im Baedeker steht“ verfasste.

1930 konnte Käte Wilczynski mithilfe des Romkreises der Berliner Akademie an die Villa Massimo reisen und als dieses Stipendium beendet war, blieb sie weiterhin in Italien. Im März 1939 emigrierte sie schließlich nach England und blieb fortan bis zu ihrem Tod dort ansässig und tätig.

Das hier vorliegende Werk ist noch ganz in die wunderbaren Pariser Jahre (1924-29) einzuordnen und exakt hat es die Künstlerin auf 1928 datiert. Wilczynski war damals frei von finanziellen Nöten, konnte ihren Reisebedürfnissen nach Frankreich und Spanien nachgehen und war in Sammlerkreisen anerkannt und geschätzt. Zu dieser Zeit konnte sie sich voll auf ihre eigene Kunst konzentrieren, ohne sich an möglichen Vorgaben von Auftraggebern orientieren zu müssen.

Als Betrachter blicken wir auf eine von Bäumen bestandene, menschenleere Straßenecke, ganz im Vordergrund steht eine Laterne und im Hintergrund zeigen sich Häuserfassaden.
Das Sonnenlicht fällt von der rechten Seite auf die Ansicht, strahlt die ersten Bäume hell an, während die Bäume an der linken Straßenseite noch im Schatten liegen.

Es ist an sich ein unspektakuläres Motiv, welches aber durch die lockere, helle Farbgebung eine wunderbare gelöste Stimmung vermittelt, welche die Künstlerin damals wohl selbst in Paris empfand.

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[1] Folie und Heftfaden wurden behutsam von der Papierrestauratorin Luise Raab, M.A. (Raab-Restaurierung, Hartenstein) entfernt. Der Dokumentation und Zugehörigkeit wegen sind diese Teile verso am Passepartout angebracht. Ein Bericht zur restauratorischen Arbeit liegt vor.
[2] Katerina Wilczynski (1975): ohne Titel [autobiographischer Text], in: Wagner, Gretel (Bearb.): Katerina Wilczynski [Sammlungskataloge der Kunstbibliothek Berlin Bd. 9], Düsseldorf: Photo Copie GmbH, unpag. [6-12, hier: 7].
[3] Diese Ausstellung war 1924 zu sehen und war dann auch die erste, welche die Galerie Landsberg überhaupt zeigte.
[4] Ebd: 9.

 

 

Zu Katerina (Käte) Wilczynski (17.01.1894 Posen – 12.11.1978 London):
Malerin, Zeichnerin, (Gebrauchs-)Grafikerin, Illustratorin; wollte bereits als Jugendliche Künstlerin werden; in Berlin aufgewachsen; bis 1910 Schulbesuch, danach Anstellung im Antiquariat Paul Gottschalk, da die Familie sich einen „praktischen Beruf“ für die Tochter wünschte; die Tätigkeit im Antiquariat gab sie aber nach drei Monaten wieder auf, erhielt auf eigene Faust Reklameaufträge und arbeitete bis Kriegsbeginn 1914 als Sekretärin; ab 1916 Studium an der Akademie für Graphische Künste in Leipzig (bei Hugo Steiner-Prag), an der Kunstgewerbeschule Berlin (bei Emil Orlik), sowie nochmals als Meisterschülerin Hugo Steiner-Prags in Leipzig; nach einer kurzen Pause besuchte sie als Meisterschülerin Hans Meids die Hochschule für bildende Künste in Berlin; in den 1920er Jahren war sie in Berlin ansässig und vor allem als Illustratorin (u.a. für „Der Querschnitt“, „Berliner Börsen-Courier“) und Pressezeichnerin tätig; in dieser Zeit längere Studienreisen nach Paris und Spanien; von der damaligen Kritik wurde Wilczynski als großes Zeichentalent gefeiert und in einem Atemzug genannt mit u.a. Kollwitz und Sintenis („Käte Wilczynski ist im Begriff eine unserer ersten Zeichnerinnen zu werden, ja, eigentlich ist sie es schon“ („Börsenkurier“, Mai 1927)); zwischen 1924 und 1929 enger Kontakt zu Heinrich Stinnes (Köln); 1930 erhielt sie den Rom-Preis und konnte damit an die Villa Massimo nach Rom; im Anschluss daran blieb sie in Rom und hatte ihr Atelier in der Via Margutta 48; März 1939 Emigration nach London und fortan dort ansässig; während des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie für die britische Regierung als „unofficial war artist“ und zeichnete u.a. zerstörte Gebäude; nach dem Zweiten Weltkrieg erneut längere Studienreisen nach Italien, Spanien, Frankreich, sowie ab 1952 auch nach Griechenland

Neben Stadt- und Landschaftsansichten, sowie Illustrationen, ist Wilczynski vor allem für ihre Porträts bekannt. So porträtierte sie u.a. Giorgio di Chirico, Werner Laves, Ludwig Curtius, Tilla Durieux, Fritz Kortner, Rudolf Forster, Werner Krauss, Hans Brausewetter.

Illustrationen
1919 Martin Radt: „Die Frühlingsmärchen“, Leipzig: Rudolf Schick (Deckelbild & Illustrationen)
1920 Waldemar Bonsels: „Indienfahrt“, Frankfurt a. M.: Literarische Anstalt Rütten & Loening [12 Radierungen];
1922 Waldemar Bonsels: „Kyrie eleison“, Berlin [6 Radierungen];
1929 Harro von Wedderkop: Das Buch von Paris [Was nicht im Baedeker steht, Bd. 7], München: Piper [Illustrationen];
1931 Harro von Wedderkop: Das Buch von Rom [Was nicht im Baedeker steht, Bd. 12], München: Piper [Illustrationen];
1957 Rebecca West: „The Fountain Overflows“, London: Macmillan & Co. Ltd.
1964 Katerina Wilczynski: „Homage to Greece“, London: Macmillan & Co. Ltd.

Preise
1930 Rompreis der Akademie der Künste

Werke von Katerina Wilczynski befinden sich u.a. im Besitz folgender Sammlungen
Imperial War Museum (London)
Victoria & Albert Museum (London)
Ben Uri Collection (London)
National Portrait Gallery (London)
Kunstbibliothek Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Museum Folkwang (Essen)
Ashmolean Museum (Oxford)

Einzel-, Kollektivausstellungen
1924 Buch- und Kunsthandel Landsberg, Berlin
1942 Somerville College, Oxford
1942, 1946 Berkeley Gallery, London
1949 Roland, Browse and Delbanco, London
1955 Hanover Gallery, London
1964 British Council, Athen
1970 Ansdell Gallery, London
1975 Kunstbibliothek, Berlin
1980 New Art Centre, London (Retrospektive)
1998 John Denham Gallery, London

Literatur
Brenner, Hedwig (2004): Jüdische Frauen in der bildenden Kunst. Ein biographisches Verzeichnis [hrsg. von Erhard Roy Wiehn, Bd. 2], Konstanz: Hartung-Gorre, S. 350
Dollen, Ingrid von der (2000): Malerinnen im 20. Jahrhundert. Bildkunst der ‚verschollenen Generation‘, München: Hirmer, S. 372-373
Krug, Hartmut / Nungesser, Michael (Red.) (1986): Kunst im Exil in Großbritannien 1933-1945, Berlin: Frölich & Kaufmann, S. 161
Schlenker, Ines: Katerina Wilczysnki, in: „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion
Wagner, Gretel (Bearb.) (1975): Katerina Wilczynski [Sammlungskataloge der Kunstbibliothek Berlin Bd. 9], Düsseldorf: Photo Copie GmbH