K A R L S I R O V Y (27.03.1896 Wiener Neustadt – 27.05.1948 (Selbstmord) Zagreb, Kroatien)
Zum Themenflyer ‚Trügerische Idyllen‘
zwei elegante Frauen auf einem Balkon (1924)
Aquarell und Bleistift auf leichtem Karton, verso am oberen Rand befestigt auf schwarzen Karton, unter Passepartout, gerahmt
€ 2.700,-
Titel
ohne Titel [zwei elegante Frauen auf einem Balkon, unten rechts (sowie verso unten rechts) mit der Werknummer „14/1924“]
Technik
Aquarell und Bleistift auf leichtem Karton, verso am oberen Rand befestigt auf schwarzen Karton, unter Passepartout, gerahmt
Signatur
signiert unten rechts „K. Sirowy“
Jahr
datiert und lokalisiert unten rechts, sowie datiert und lokalisiert verso unten rechts „ZGB [i.e. Zagreb]. 17.II.[19]24“
Größe
Größe: 19,8 x 15,5 cm (Blatt) bzw. 34,3 x 27,2 cm
Zustand
Blatt verso am oberen Rand befestigt auf schwarzen Karton; Ecken leicht bestoßen; schwach fleckig; im oberen Bereich (aufgrund der Montierung) sehr leicht wellig
Werkbeschreibung
Karl Sirovy war ausgebildeter Jurist und arbeitete zum Großteil für die Holzindustrie in Zagreb. Bereits seit seiner Jugend malte und zeichnete er, war als Künstler jedoch Autodidakt.
Zwischen 1920 und 1935 hatte er seine wichtigeste künstlerische Schaffensphase und es entstanden während dieser Zeit Hunderte mythischer und stark symbolisch aufgeladener Zeichnungen und Aquarelle. Sirovys künstlerischer Ausdruck wurde sicherlich beeinflusst von der Romantik, sowie vor allen von Künstlern der Wiener Sezession und dabei faszinierten ihn insbesondere Egon Schiele und Gustav Klimt.
Vor diesem Hintergrund ist Sirovys Schaffen nicht vergleichbar mit anderer „naiver“ Kunst, „art brut“ aus dem damaligen Kroatien, denn während andere autodidaktische Künstler sich besonders auf Darstellungen von ländlichen Szenen mit Höfen, Tieren, Landschaften, usw. konzentrierten, zeigen sich in Karl Sirovys Schaffen einsame Personen, bizarre Szenen, phantastische Kreaturen und anderes mehr [1].
Nada Vrkljan-Križić schreibt zu Sitrovys Schaffen im Allgemeinen und dabei besonders seine Ehe mit Zdenka Bijelic-Weiss hervorhebend:
“The art of Sirovy continously speaks of an eternal infinity. In its entirety his art is an impossible virginal leap over the ultimate valley, the loving smile and support of his Zdenka nearby. Culminating in the ultimate physical jump, the end, the conclusive communion of the fantasy and the reality, is their death together.” [2]
Da Karl Sirovy sein Schaffen zu Lebzeiten nie in der Öffentlichkeit zeigte, gerieten Kunst und Künstler nach seinem Tod in Vergessenheit. Ebenso wurde diese Tendenz durch die Repressionen seitens der OZNA (i. e. Geheimpolizei des damaligen Jugoslawien) verstärkt und möglicherweise ging auch ein Teil des Schaffens bei Beschlagnahmungen verloren.
1988 wurden Arbeiten Karl Sirovys bei der Ausstellung “Naïve Art ´87” in Zagreb das erste Mal wieder gezeigt. Etwa fünf Jahre später erhielt der Künstler seine erste Einzelausstellung im Museum für zeitgenössische Kunst in Zagreb, welche begeleitet wurde von einem grundlegenden Katalog, in dem Leben und Werk des Künstlers auf Basis der detaillierten Recherchen von Nada Vrkljan-Križić dargestellt wird [3].
Arbeiten des Künstlers sind von großer Seltenheit und besonders die farbstarken, vibrierenden Aquarelle sind überaus rar.
Das hier gezeigte Aquarell vom 17. Februar 1924 ist ein vorzügliches Beispiel für Sirovys Schaffen.
Zwei elegant gekleidete, hagere und recht blasiert wirkende Damen mit hochgesteckten Haaren stehen mit herabhängenden Schultern an dem schwarzen, schmiedeeisernen Geländer eines Balkons. Beide halten sich dezent, kraftlos mit ihren, mit weißen Handschuhen bedeckten, Händen dort fest und man könnte sich dieses Duo gedanklich gut als Mitbewohner Hans Castorps im Thomas Mann´schen „Internationalen Sanatorium Berghof“ denken.
Einen merkwürdigen Bruch innerhalb der Betrachtung setzt Sirovy in Form des helleren Balkonbodens, da dieser, so jedenfalls die Schattensetzung, schräg nach oben zu verlaufen scheint. Stimmig wäre dies, wenn der Betrachter von einer etwas erhöhten Position auf die Damen blickt, was aber dann wiederum mit der deutlich von unten geführten Ansicht auf die restliche Szenerie nicht vereinbar ist.
Im wahrsten Sinne des Wortes hat der Künstler hier den tragenden Boden als ungewiss oder gar irreal dargestellt, was sich in letzter interpretativer Instanz unweigerlich auf die darauf stehenden beiden Damen überträgt, die damit mehr wie zwei Traumgestalten, wie zwei alte Fräulein in einem Märchen, erscheinen.
Eine besondere Beachtung hat Sirovy den beiden gepunkteten Kleidern der Damen gewidmet. Das eine zeigt sich in Violett, das andere in Orange. Mit diesem Thema der sehr ähnlich gekleideten Damen ist Sirovy ebenso en vogue wie mit der Wahl der gepunkteten Kleider, wie sich anhand damaliger Modemagazine und Damenzeitschriften sehen lässt.
Bezogen auf den Entstehungskontext ist dieses Aquarell zu einer besondere Zeit entstanden. Wenige Wochen später heiratete er Zdenka, die Liebe seines Lebens.
„In March of 1924 he married Zdenka Bijelic-Weiss. Before and after that date he made many interesting pictures that speak of his ‚ominous presentiments‘ or ‚imprisonment‘.“
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[1] Vgl. Vrkljan-Križić 1996: 7-8.
[2] Ebd.: 29.
[3] “Particularly significant was the exhibition of Karl Sirovy, first introduced to the public at a major solo exhibition and in the monographic catalogue KARL SIROVY – Life and Work 1896-1948 at the Museum of Contemporary Art in Zagreb in the spring of 1993. His extensive and captivating body of work, which stands out in the Collection of Outsider Art, was discovered by Nada Vrkljan Križić” (Bilopavlovic 2024: 1).
[4] Vrkljan-Križić 1996: 23.
Zu Karl Sirovy (27.03.1896 Wiener Neustadt – 27.05.1948 (Selbstmord) Zagreb, Kroatien):
Als Künstler und Fotograf war Srovy Autodidakt. Als ausgebildeter Juruist in der (Holz-)Wirtschaft tätig.
Sohn des k.u.k.-Offiziers Karlo Sirovy (1861 (Tschechien) – 1942 Bjelovar (Kroatien) und dessen Frau Julijana (1863-1956).
Besuch der Schule in Ljubljana. Während seiner Jugendzeit begann er zu malen und zu zeichnen und so entstand um 1910 eine Illustrationsfolge zur “Ilias” und zur “Odyssee”.
Um 1915 Umzug der Familie nach Bjelovar.
Zwischen 1915 und 1919 Jura-Studium in Bjelovar. Er ist nebenher weiterhin künstlerisch tätig.
1919 begann er seine Arbeiten mit Werknummern zu versehen. Zugleich war dieses Jahr “an important turning point in his opus” (Nada Vrkljan-Križić).
Während dieser Zeit traf er seine spätere Frau Zdenka Bijelic-Weiss (1899 Ivanec – 1948 Zagreb).
Ab 1922 lebte er, mit kurzer Unterbrechung in den 1930er Jahren, in Zagreb und arbeitet vornehmlich für die Holzindustrie.
Im März 1924 Heirat.
In seiner freien Zeit beschäftigt sich Sirovy mit Geschichte, Philosophie, Religion und Kunst. Er war viel in der Natur, machte Wanderungen und ging Bergsteigen. Zusammen mit seiner Frau war er zudem als Fotograf aktiv. Künstlerisch war er begeistert von der Wiener Secession, von Gustav Klimt und Egon Schiele.
Karl Sirovy hatte ein introvertiertes und zurückgezogenes Wesen. Er malte und zeichnete nur im Privaten und zeigte sein Schaffen zu Lebzeiten nie öffentlich.
Sirovy schuf zumeist kleinere Formate. Neben mythischen, symbolistischen Arbeiten entstanden auch Illustrationen zu Werken von Shakespeare und Edgar Allan Poe.
Zwischen den 1920ern und 1935 hatte er seine “intensive artistic period” (Nada Vrkljan-Križić). Nach 1935 war er vornehmlich als Fotograf tätig und ließ die bildende Kunst beinahe ganz beiseite.
Zwischen 1932 und 1936 lebte er aufgrund seines Berufs in Slavonski Brod.
Am 27. Mai 1948 beging Karl Sirovy Selbstmord durch Einnahme von Gift. Die OZNA (i.e. die Geheimpolizei im kommunistischen Jugoslawien) wollte ihn als “Staatsfeind” inhaftieren. Am folgenden Tag verübte auch seine Frau Selbstmord.
Im Anschluss beschlagnahmt die OZNA zahlreiche Dokumente, Unterlagen, Gegenstände und die gesamte Bibliothek.
Ausstellungen:
— 1988 “Naive Art´87”, Muzej suvremene umjetnosti (MSU) / Museum für zeitgenössische Kunst, Zagreb
— 1993 “Karl Sirovy. Life and Work. 1896-1948”, Muzej suvremene umjetnosti (MSU) / Museum für zeitgenössische Kunst, Zagreb
Sammlungen
Muzej suvremene umjetnosti (MSU) / Museum für zeitgenössische Kunst, Zagreb
Sammlung Zander
Literatur
— Bilopavlovic, Daniela (2024): Outsider art in Croatia, in: Epidemiology and Psychiatric Sciences, Jg. 33, S. 1–2 [hier: 1]
— Vrkljan-Križić, Nada (1993): Karl Sirovy. Life and Work. 1896-1948 [Ausstellungskatalog], Zagreb
— Vrkljan-Križić, Nada (1996): Karl Sirovy. Life and Work. 1896-1948, Zagreb: Horetzky
— “Artists of the World (AOW)”, Online, De-Gruyter