H I L D E    R U B I N S T E I N    (07.04.1904 Augsburg – 05.08.1997 Göteborg)

 

 

 

Hinterhof in Schweden (1940)

Aquarell, Tempera, Deckfarben auf leicht strukturiertem Aquarellkarton, ungerahmt
oben links datiert „1940“
oben links signiert „Hilde B. Rubinstein“
Größe: 45,8 x 38,1 cm
nicht betitelt; Hinterhof in Schweden, verso – verworfenes Porträt eines Mannes

€ 860,-

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Zustand
in den Randbereichen sehr schwach gebräunt; Ecke u.r. minimal bestoßen; technikbedingt leicht wellig; partiell sehr kleine Fleckchen
Porträt verso durch Künstlerin verworfen, d.h. mit Schwarz übermalt; verso in den Ecken Reste früherer Befestigung (Klebereste und Reste von braunem Klebeband); verso etwas fleckig

 

 

Hilde Rubinstein trat um 1930 der KPD in Berlin bei. Zu dieser Zeit verlagerte sich ihr Schaffen vom malerischen und zeichnerischen mehr hin zum schriftstellerischen Wirken. Es entstanden erste Bühnenstücke, die auf eine erfolgreiche Zukunft hindeuteten.

„Die mit Pseudonym zeichnende Autorin erhält glänzende Kritiken aus dem bürgerlichen Lager, den kommunistischen Kritikern ist das Stück [d.h. „Eigner Herd ist Goldes wert ?!“] zu romantisch-unglaubwürdig“ (Hilzinger 2005: 71).

Doch wie auch bei anderen Kunstschaffenden bildete das Jahr 1933 eine arge Zäsur. Als Jüdin und Kommunistin war Hilde Rubinstein doppelt gefährdet, wurde am 19. November 1933 von der Gestapo in Berlin verhaftet und schließlich am 1. September 1934 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt. Am 15. Mai 1935 entließ man sie aus der Haft und anfangs kehrte sie zu ihrer Mutter und Tochter nach Köln zurück. Doch aufgrund der weiter bestehenden Gefahren, emigrierte sie schließlich im September 1935 zusammen mit ihrer Tochter Anna-Barbara über Belgien und die Niederlande nach Stockholm. Dort hielt sie sich anfangs mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser, bevor die nächste Zäsur einbrach und sie während einer Russlandreise beschuldigt wurde „trotzkistischer Kurier“ zu sein und man sie für zehn Monate inhaftierte. Nach der Haft sollte sie nach Deutschland abgeschoben werden, schaffte es aber in Warschau den Gefangenentransport zu verlassen, um sich über Riga nach Schweden durchzuschlagen. In der Folgezeit lernte sie Schwedisch und begann zu schreiben und zu übersetzen. 1947 erhielt sie die schwedische Staatsbürgerschaft.

Das vorliegende Werk datiert auf 1940 und entstand damit in den frühen schwedischen Exiljahren nach der Haft in Russland.
Die gesamte Szenerie macht eine eher gedrückte, kühle Stimmung. – Das kleine Gebäude an dem bereits die Fassade etwas beschädigt ist, ebenso wie der in Teilen grau bewölkte Himmel. Und dennoch liegt dem Ganzen eine gewisse Ruhe und Zeitlosigkeit inne. Der kleine schwarze Vogel am unteren rechten Rand ist dabei ein schönes, feines Detail und jener bildet zugleich das einzige Lebewesen innerhalb dieses Motivs.

 

 

Zu Hilde Rubinstein (07.04.1904 Augsburg – 05.08.1997 Göteborg):
Malerin, Zeichnerin, Schriftstellerin; Tochter des russischen Ingenieurs Jacques Rubinstein (1875 – 1924) und der aus München stammenden Paula Silberstein; der Vater emigrierte aus dem zaristischen Russland nach Deutschland; die Familie gehört dem Großbürgertum an und lebt ein nichtorthodoxes Judentum; Hilde R. wächst in Hannover auf, bis die Familie 1918 nach Köln umzieht; 1918 schließt sie sich dem zionistischen Jugendbund „Blau-weiß“ an; 1921-26 Besuch der Kölner Werkkunstschule (zuletzt Meisterschülerin von Richard Seewald); 1923-24 einige Monate Besuch des Bauhauses in Weimar; 1924 stirbt der Vater und lässt die Familie fast mittellos zurück; 1925 Besuch der Kunstakademie Düsseldorf; 1927-28 durch ein Stipendium wird ihr ein Studienaufenthalt in Paris ermöglicht; 1929 kurze Ehe mit dem Physiker Otto Weinreich in Köln, der Ehe entstammt die Tochter Anna-Barbara (*28.10.1930 Berlin, Malerin, Zeichnerin, Bühnenbildnerin); 1930 Mitglied der KPD; Werke von Rubinstein erscheinen als Illustrationen u.a. in „Querschnitt“, „Jugend“ und „Die literarische Welt“; etwa ab Mitte der 1920er Jahre legt sie den Fokus auf das schriftstellerische Schaffen; es entstehen u.a. die Stücke „Winterkrieg“, „Eigner Herd ist Goldes wert?! (Es war einmal ein treuer Husar)“; am 19.11.1933 wird sie als Mitglied der KPD in Berlin verhaftet und am 1. September 1934 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt; im Mai 1935 wird sie entlassen und kehrt anfangs zu ihrer Mutter und Tochter nach Köln zurück; im September 1935 emigriert sie zusammen mit ihrer Tochter über Belgien und die Niederlande nach Schweden; mit Gelegenheitsarbeiten in Restaurants, als Haushaltshilfe und Porträtmalerin hält sie sich über Wasser; Im Dezember 1936 Reise nach Russland, um ihren Bruder zu besuchen, der mit einer Russin verheiratet war; in Russland wird sie beschuldigt „trotzkistischer Kurier“ zu sein und wird zehn Monate inhaftiert; nach der Haft soll sie nach Deutschland abgeschoben werden, schafft es aber in Warschau den Gefangenentransport zu verlassen, um sich über Riga nach Schweden durchzuschlagen; in der Folgezeit lernt sie Schwedisch und beginnt zu schreiben und zu übersetzen; 1947 erhielt sie die schwedische Staatsbürgerschaft; 1952 erhielt sie den ersten Preis des Verlages „Folket i Bild“ für ihren Roman „Atomskymning“ (dt. „Atomdämmerung“); Jan.-Febr. 1956 Ausstellung im Kölnischen Kunstverein; 1982 Umzug nach Westberlin, bevor sie erneut nach Schweden verzog

Ein Teilnachlass befindet sich in der Akademie der Künste (Berlin) und ein weiterer in der Deutschen Nationalbibliothek.

Literatur
Czoik, Peter: Hilde Rubinstein, auf: Literaturportal Bayern [literaturportal-bayern.de] Dünzelmann, Anne E. (2017):Stockholmer Spaziergänge: Auf den Spuren deutscher Exilierter 1933-1945; Norderstedt: BoD; S. 128-129
Hilzinger, Sonja (2005): Hilde Rubinstein (1904-1997): Eine Spurensuche, in: Karl-Walter Beise (Hrsg.): ÜberLebensKünstlerinnen; Münster: Lit-Verlag; S. 69-74
Müssener, Helmut (1998): Nelly Sachs und … Deutschsprachige Exil(?)-Lyrik in Schweden, in: Jürg Thuneke (Hrsg.): Deutschsprachige Exillyrik von 1933 bis zur Nachkriegszeit; Amsterdam-Atlanta: Rodopi; S. 101-117 [hier: 116-117] Stürzer, Anne (1993): Dramatikerinnen und Zeitstücke – ein vergessenes Kapitel der Theatergeschichte von der Weimarer Republik bis zur Nachkriegszeit; Weimar: Metzler; S. 150-157
Vierhaus, Rudolf (Hrsg.): Deutsche biographische Enzyklopädie [Bd. 8]; München: Saur; S. 588
„Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion, Künstler-ID: 00309119