H A N S    S T A D E L M A N N    (06.07.1876 Nürnberg – 27./28.[?].09.1950 Lenggries)

 

Weitere fränkische Künstler

 

 

Konvolut aus acht Werken von Hans Stadelmann mit Bezug zur „Gesellschaft der Niederländter“

Nach freundlicher Auskunft von Dr. Elmar A.M. Schieder dürfte es sich auch bei den nicht signierten Werken um Arbeiten von Hans Stadelmann [alias „van Scheltema“] handeln.

€ 950,-

Kaufanfrage

 

 

Titel
1) „v. Scheltema erwartet den geeignet Augenblick um in die Schlacht einzegreiffen, wahrhafft dargestellet.“ [so am oberen Rand bez.], sowie u.r. in einem Kasten von anderer Hand bez. „Anschaulich Beispiel, wie sich Requarck, der Nichtkämpfer, eine Kampfeshandlung vorstellt.“
2) „Chronika des vulgär 8333 zugleich Aufgablösung: Recht.“ / „Am Täg der Heiligen Johanna de Deo“
3) ohne Titel [Mädchen/junge Frau geht mit Nachttopf einen Gang entlang];
4) ohne Titel [älterer Mann singt ‚Aida‘];
5) ohne Titel [sitzender Mann betrachtet einen Fahrplan, eine Flasche „Rakotzy“ steht am Boden];
6) ohne Titel [ein älterer Mann mit Spitzbart spielt die Orgel, was die Umstehenden samt Hund zum Weinen bringt];
7) ohne Titel [älterer Mann mit Spitzbart hat einen kleinen Mann mit Amtskette (Bürgermeister?) an der Hand];
8) ohne Titel [Duett eines Sängers und eines Pianisten]

Technik
1) Tusche und Aquarell auf leichtem, sandfarbenem Karton; Rückseite geschwärzt
2) Tusche und Aquarell auf leichtem, sandfarbenem Karton; Rückseite geschwärzt
3) Tusche und Aquarell auf leichtem Karton, befestigt/geklebt auf Karton, Rückseite geschwärzt
4) Aquarell und Blei auf leichtem, sandfarbenem Karton, Rückseite geschwärzt
5) Tusche und Aquarell auf leichtem, sandfarbenem Karton, Rückseite geschwärzt
6) Tusche und Aquarell auf leichtem, sandfarbenem Karton, Rückseite geschwärzt
7) Tusche, Aquarell, Farbkreiden, auf leichtem, sandfarbenem Karton, Rückseite geschwärzt
8) Tusche und Aquarell auf leichtem, sandfarbenem Karton, Rückseite geschwärzt

Jahr
1) auf dem Türrahmen mit der Jahreszahl „19 CMB 32“
2) (wohl) 1933
3)-8) undatiert

Größe
1) 20,9 x 25,9cm
2) 19,4 x 25,5cm
3) 12,2 x 10,7cm,
4) 6 x 14,8cm
5) 9,5 x 15,4cm
6) 15,2 x 20,3cm
7) 16,4 x 8,1cm
8) 13,7 x 18,7cm

Signatur
1) u.r. im schwarzen Kasten mit dem Pseudonym signiert „v. Scheltema“
Weiterhin darunter Annotation in Schwarz „O Scheltema! Das ist nit niederländtisch!“ v. Finkenzoon“ [„van Finkenzoon“ ist das Niederlandt-Pseudonym von Dr. Wolfram Fink, Präsident des Bayerischen Oberbergamts [Freundlicher Hinweis von Dr. Elmar A.M. Schieder, Münsing.];
2)-8) unsigniert
Nach freundlicher Auskunft von Dr. Elmar A.M. Schieder dürfte es sich auch bei den nicht signierten Werken um Arbeiten von Hans Stadelmann [alias „van Scheltema“] handeln.

Zustand
1) Rückseite geschwärzt; Ecken minimal bestoßen; Ränder minimal nachgedunkelt
2) Rückseite geschwärzt, Ecken minimal bestoßen
3) befestigt/geklebt auf Karton; Rückseite geschwärzt
4) Rückseite geschwärzt
5) minimal fleckig; Rückseite geschwärzt
6) Rückseite geschwärzt
7) minimal fleckig; Rückseite geschwärzt
8) minimal fleckig; Rückseite geschwärzt

 

 

Die Herrengesellschaft „Niederlandt“ wurde am 7. Februar 1870 von Ludwig von Nagel (1836 Weilheim – 1899 Krailling) in Bayreuth gegründet. Vorbild waren ihm die Künstlergilden der Niederlande und seine Intention bestand anfänglich darin all den künstlerisch Begabten in seinen Garnisonen eine Möglichkeit zum Austausch und zur Betätigung zu geben. Nach dem Tod von Nagels entstanden mehrere Sozietäten in bayrischen und pfälzischen Städten.

Ludwig von Nagel wollte möglichst wenig Bürokratie und möglichst wenig Hierarchie innerhalb der Gesellschaft. Es zeigen sich hierbei gewisse Parallelen zu anderen Gesellschaften der damaligen Zeit wie bspw. Künstlergesellschaften, Studentenverbindungen, zur Schlaraffia. Eigenarten der „Niederländter“ bestanden u.a. darin, dass jedes Mitglied („Mynheer“) einen „niederländtischen“ Namen erhielt, zudem gab es ein spezielles „Losungswort“, welches in der Abkürzung „VAN“ (i.e. „Vivat Amicitia Nostra“) besteht. Weiterhin gibt es eine Verpflichtung sich nur mit den tatsächlich essenziellen Dingen des Lebens zu befassen, die eben in Kunst, Humor und Freundschaft bestehen. – Dagegen sind Bereiche aus Politik, Religion und Wirtschaft für die Niederländter tabu.

Vor diesem kurz skizzierten, keinesfalls umfassend dargestellten Hintergrund, lässt sich das vorliegende Konvolut einordnen als eine sehr interessante Werkgruppe aus dem Kontext der „Gesellschaft der Niederländter“. Nach freundlichem Hinweis von Dr. Elmar A.M. Schieder, alias Erasmus Jong van Schuyt, handelt sich sehr wahrscheinlich bei dem ganzen Konvolut um Arbeiten von Hans Stadelmann (06.07.1876 Nürnberg – 27./28.[?].09.1950 Lenggries), alias „van Scheltema“. Dieser lebte damals in München und war Mynheer in der dortigen Sozietät, dem „Krug“.

Zeitlich lassen sich die Werke wohl auf die Jahre 1932-33 datieren.

Hervorzuheben sind vor allem die beiden etwas größeren querformatigen Arbeiten (die Nummern 1) und 2)). Erstaunlich ist, dass in beiden Werken „van Scheltema“ explizit politische Themen aufgreift, was den Statuten der „Niederländter“ doch deutlich entgegensteht. Dieser Umstand wird auf dem Werk „v. Scheltema erwartet den geeignet Augenblick um in die Schlacht einzegreiffen, wahrhafft dargestellet“ (Nummer 1)) auch dezidiert benannt und kritisiert, wenn der Mynheer „van Finkenzoon“, vulgär: Dr. Wolfram Fink, unten rechts den deutlichen Vermerk anfügt: „O Scheltema! Das ist nit niederländtisch!“ Nach Dr. Schieder hat hier „v. Finkenzoon“ diese Zeichnung als „nit niederländtisch“ bezeichnet, „weil sie sich mit ‚Politik‘ befasste, was im Niederlandt verpönt ist.“

Bedenkt man nun nochmal den Texteinschub „van Scheltemas“ im Kasten unten rechts, so unterstreicht die Titulierung „Requarck, der Nichtkämpfer“ abermals diese politische Ausrichtung der Zeichnung. Es ist demnach anzunehmen, dass dies ein Verweis auf Erich Maria Remarque bzw. besser: ein Verweis auf die 1929 erschienene Satire „Vor Troja nichts Neues“ von Max Joseph Wolff (1868-1941) ist, welche unter dem Pseudonym Emil Marius Requark erschien.

Das Werk “Chronika des vulgär 8333 zugleich Aufgablösung: Recht“ ist aus zwei Punkten heraus von besonderem Interesse. Zum einen ist es ein Beleg für die sogenannten „Auffgäblösung“, das heißt es ist das Ergebnis einer in einer Sozietät gestellten, künstlerisch zu bearbeitenden Aufgabe („Auffgäb“). Und zum anderen ist auch dieses Blatt dezidiert politisch in seinem Inhalt. Neben den blau-gelben „VAN!“-Fahnen der „Niederländter“ sieht man auch eine schwarz-weiß-rote Fahne, sowie gar eine Fahne mit dem Hoheitszeichen. – Es scheint ein gemeinsamer Umzug zu sein, doch ist eine abschließende Interpretation dieser „Recht“-Darstellung schwierig zu treffen.

 

 

Hans Stadelmann (06.07.1876 Nürnberg – 27./28.[?].09.1950 Lenggries)
Maler, Zeichner, Grafiker; anfangs Lithographenlehre; 1895-96 Besuch der Kunstgewerbeschule Nürnberg; 1896-99 Besuch der Kunstakademie München; war später in München ansässig und tätig (um 1913 in der Schellingstraße 103, um 1930 in der Arcisstraße 60)

Stadelmann schuf vor allem Landschaftsansichten. Daneben schuf er ein Wandbild im Treppenhaus der Orthopädischen Klinik in München.

Er war Mitglied im „Bund Fränkischer Künstler“, sowie bei der „Gesellschaft der Niederländter“, wo er den Namen „van Scheltema“ besaß.

Literatur
Grieb, Manfred (Hrsg.) (2007): Das Nürnberger Künstlerlexikon [Bd. 3]; München; K.G.Saur; S. 1465
„Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion, Künstler-ID: 00184559