E R N S T   W E I E R S   (17.09.1909 Oespel – 03.06.1978 Bernried)

 

Weitere Werke von Ernst Weiers

 

 

„Nächtlicher Wald“ (1954)

Hinterglasbild, gerahmt [Originalrahmen]

unten mittig in Blau monogrammiert „EW“, sowie verso in Schwarz nochmals monogrammiert, sowie weiterhin verso oben rechts auf Etikett der Galerie Günther Franke maschinenschriftlich mit Künstlernamen bezeichnet

€ 1.600,-

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Titel
verso auf der Platte vom Künstler in Schwarz betitelt „Nächtlicher Wald“ , sowie weiterhin verso oben rechts auf Etikett der Galerie Günther Franke ebenso maschinenschriftlich betitelt

Entstehungsjahr
unten mittig in Blau datiert „[19]54“, sowie verso in Schwarz datiert „1954“

Größe
Größe: 40 x 44,8 cm (mit Rahmen) bzw. 37 x 42 cm (ohne Rahmen)

Zustand
Partiell leicht fleckig; Plattenränder etwas berieben und bestoßen (unter Rahmung nicht sichtbar); im Randbereich oben links kleines durchgehendes Löchlein in der Platte
Platte verso etwas berieben, sowie fleckig; verso oben mittig mit Richtungspfeil und Hinweis „oben“; verso oben rechts kleines Etikett mit handschriftlicher Nummerierung „1380“[?]; verso oben rechts in Rot nummeriert „67“[?]

Ausstellung
November 1954, „Ernst Weiers / Hans Breustedt“, Galerie Günther Franke, Stuckvilla, München [im Katalog gelistet als Nr. 7 der Hinterglasbilder]

Provenienz
Galerie Günther Franke, München

 

 

Ernst Weiers ist als Maler, Zeichner, Grafiker, aber vor allem auch als Glaskünstler bekannt. Anfangs wurde er stark von Chrstian Rohlfs und Jan Thorn Prikker geprägt, wobei er bei Letzterem auch kurzzeitig in die Lehre ging. In der Folge besuchte er die Kunstakademie Düsseldorf (1929-33) und war dort zuletzt Meisterschüler Paul Klees. Ebenso wie sein Lehrer emigrierte er 1933 in die Schweiz, wurde von dort aber 1935, obgleich Eduard von der Heydt für Weiers eine Bürgschaft abgab, nach Deutschland ausgewiesen. Er heiratete 1936 die Schauspielerin Grete Lange-Kosak und 1937 kam der Sohn Michael zur Welt. Spätestens durch die Geburt wurden mögliche Emigrationspläne gänzlich aufgegeben. In demselben Jahr (1937) wurde der Holzschnitt „Betender“ von Weiers aus dem Bestand der städtischen Kunstsammlungen Duisburg als „entartet“ beschlagnahmt und in der Folge als „unverwertbar“ wohl vernichtet [1]. Weiers zog sich vermehrt zurück und wurde schließlich zum Kriegsdienst eingezogen. 1945 geriet er in russische Gefangenschaft (Kischinew, Moldawien) und kehrte erst zum Jahreswechsel 1948/49 wieder nach Hause zurück.

Nach seiner Rückkehr musste er nicht nur Krieg und Gefangenschaft, sondern auch den Verlust eines Großteils seines bisherigen Schaffens verarbeiten. Ein Brief von Karl Schmidt-Rottluff aus dieser Zeit thematisiert diese Situation treffend:

„Es wird eine Weile dauern, bis Sie sich in dieser veränderten Welt wieder etwas zurechtgefunden haben – wenigstens wird wohl in Ihrem Ort äußerlich nicht allzu viel anders geworden sein. Wenn Sie sich auch körperlich wieder etwas erholt haben, wird sich auch die Produktionslust wieder melden. Der Verlust Ihrer Arbeiten ist sehr schmerzlich und ich glaube, Sie tun recht, wenn Sie sich um die Wiedererlangung keine großen Illusionen machen und den Verlust als Preis für Ihre Heimkehr betrachten.
Die Hauptsache, Sie sind erst mal wieder da. Sie sind noch jung und werden noch viele schöne Dinge machen. Gekauft wird augenblicklich freilich nichts – aber auch das wird wieder anders werden.“ [2]

Das vorliegende Hinterglasbild ist in diese Phase des Neuanfangs einzuordnen. Weiers hatte damals Kontakt zu dem Münchner Galeristen Günther Franke bekommen, der ihn ab 1951 in seinen Räumen ausstellte und fortan maßgeblich förderte. Ganz in diesem Sinne war auch dieser „Nächtliche Wald“ 1954 Teil einer Ausstellung in dieser Galerie.

Motivisch ist es vor allem die ihn umgebende Natur mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt, die ihn fasziniert. – „Es ist, als ob die Natur nach und nach seine Seele geheilt habe.“ [3]

Zu dem damaligen Schaffen schreibt Hans Konrad Röthel, langjähriger Leiter der Städtischen Galerie München:

„Die an Radierung und Federzeichnung geschulte Linie, gesättigt mit Beobachtung und Erfahrung, wird – losgelöst von abbildhafter Gegenständlichkeit – zur eigenwertigen Chiffre naturhafter Schwingungen. Die formale Arabeske des Tieres, die elliptoide Gestalt der Eule oder das Gerank der Flamingohälse bestimmen die zeichnerische Invention. In der Formentfaltung wird das zoomorphe oder vegetabile Grundelement zum Ausgangspunkt des Formgefüges gemacht. Es ist keine illusionistische Malerei mit abstrakten Vokabeln. Die Natur bleibt unangetastet; sie ist nicht unverbindlicher Vorwand lyrischer Meditationen. Ihr Wachstums- und Ordnungsgesetz behält auf der Ebene einer neuen künstlerischen Wirklichkeit seine Gültigkeit.“ [4]

Und nochmals eine Beschreibung von H.K. Röthel:

„Der Maler Ernst Weiers spürt das Unholde der Natur. Ihr Dunkles ist ihm gefährlich lockendes Geheimnis. Gleich einem Waldläufer denkt man ihn sich im Dickicht, mit jägerhafter Lust ihrem unendlichen Weben lauschend. […] Seine Bedeutung scheint mir darin zu liegen, daß er, fußend auf einer instinkthaften Naturverbundenheit Marcscher Prägung, mit den Mitteln der Abstraktion eine Bildform erarbeitet, in der das Gegenständliche – nicht als Objektgebundenheit, wohl aber durch die ihm innewohnende dichterische und formale Gebildhaftigkeit – sein Recht behauptet.“ [5]

Bei dem „Nächtlichen Wald“ ist es gerade dieses ‚Unholde der Natur‘, die Dunkelheit, das Ungewisse, was den Menschen vordergründig abschreckt und doch zugleich auch anzieht. In der ganz eigenen, immer noch gegenständlich bleibenden Formensprache zeigt Weiers dem Betrachter sein Erspüren und sein Empfinden in einem Wald bei Nacht. Es ist nicht nur ein Beobachten, sondern vielleicht sogar eher ein einfühlendes Erleben und Eingehen auf die ihn umgebenden Ereignisse. Das nächtliche Leben im Wald, die Bäume, die Sträucher, die Tiere umgeben den Künstler auf eine difusse, uneindeutige Weise. Das Erahnen wird wichtiger als das tatsächliche Sehen.

Neben der wunderschönen Formensprache, die in Zügen an Spätwerke Ernst Ludwig Kirchners erinnert, ist es auch das Kolorit, welches den meisterhaften Umgang des Künstlers mit dieser sehr speziellen Technik der Hinterglasmalerei belegt.

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[1] EK-Nr. 15111.
[2] Zitiert nach Gemeinde Bernried (Hrsg.) [2009]: Ernst Weiers zum 100. Geburtstag, München, unpag. [S. 18].
[3] Ebd.: 19.
[4] Hans Konrad Röthel: Ernst Weiers, in: Die Kunst und das schöne Heim, 51. Jg. (1953), S. 441-442 [hier: 442].
[5] Hans Konrad Röthel: Ernst Weiers, in: Galerie Günther Franke (1954): Ernst Weiers / Hans Breustedt [Katalog zur Ausstellung im Nov. 1954], München, unpag.

 

 

Zu Ernst Weiers (17.09.1909 Oespel – 03.06.1978 Bernried):
Maler, Zeichner, Grafiker; 1926 Bekanntschaft mit Christian Rohlfs (1849 Groß Niendorf – 1938 Hagen); Weiers arbeitete als Glasmaler für Jan Thorn Prikker; Freundschaft mit Karl Schmidt-Rottluff; 1929-33 Besuch der Kunstakademie Düsseldorf (bei Heinrich Campendonk), zuletzt Meisterschüler von Paul Klee; 1933 emigrierte er in die Schweiz und lebte anfangs in Bern, später in Ascona; 1935 wurde er nach Deutschland ausgewiesen, obgleich Eduard von der Heydt (1882 Elberfeld – 1964 Ascona) für Weiers eine Bürgschaft abgab; bis 1939 lebte er in Berlin, Schapdetten und verzog schließlich nach Bernried; er schränkte seine künstlerischen Aktivitäten ein; 1936 Heirat mit der Schauspielerin Grete Lange-Kosak; das Paar lebte fortan in Bernried; 26.12.1937 Geburt des Sohnes Michael; 1937 wurde bei der Aktion „Entartete Kunst“ ein Holzschnitt Weiers aus dem Bestand der städtischen Kunstsammlungen Duisburg beschlagnahmt; 1940-45 Kriegsdienst; 1945-49 russische Kriegsgefangenschaft; nach 1949 lebte und arbeitete er in Bernried; nach seiner Rückkehr wurde er vor allem von den Galeristen Günther Franke (München) und Alex Vömel (Düsseldorf) unterstützt und gefördert; trotz seiner zahlreichen Ausstellungen und der damit verbundenen Aufmerksamkeit lebte Weiers zurückgezogen; 1959 Reise nach Elba; in den späten 1950er Jahren erhielt er von der Familie Faber-Castell einen Auftrag die Familienkapelle mit Glasfenstern auszustatten; in den hierauf folgenden Jahren erhielt er vermehrt Aufträge für die Gestaltung von Kirchen und öffentlichen Gebäuden; in den 1960er/70er Jahren malte er vor allem Landschaften

Preise
1954 Kunstpreis „Böttcherstraße“, Bremen; 1958 Preis bei der „Internationalen Triennale für farbige Originalgrafik“, Grenchen, Schweiz

Ausstellungen (Auswahl)
1929 ‚Erste Kunstausstellung‘, Castrop-Rauxel; 1949, Central Collecting Point (CCP), Munich; 1950-51, 1954, 1959 Galerie Günther Franke, Munich; 1952, 1956, 1958 „Haus der Kunst“, Munich; 1953, 1955 Kestner-Gesellschaft, Hannover; 1954, „German Graphic Arts of the 20th Century“, Dublin; 1954, Biennale, Sao Paulo; 1954, „Künstler unserer Zeit“, Kunstverein München; 1955, Carnegie Institue, Pittsburgh; 1956, Biennale, Cincinnatti; 1958, Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath, Frankfurt am Main; 1958-59, 1961-62, 1994, Galerie Vömel, Düsseldorf; 1963, Gutenberg-Museum, Mainz; 1967, Galerie Hatfiel, Los Angeles; 2004, 2009, Galerie Marschall, Bernried

Werke von Ernst Weiers befinden sich u.a. im Besitz folgender Sammlungen: Museum Folkwang, Essen; Museum Abteiberg, Mönchengladbach; Bayerische Staatsgemäldesammlung, München; Artothek Oldenburg; Märkisches Museum, Witten; Sammlung Faber-Castell

Literatur
Ernst Weiers zum 100. Geburtstag; München
Galerie Vömel (1994): Ernst Weiers 1909-1978. Landschaften; Düsseldorf
„Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Künstler-ID: 00001964