E R N S T   G E I T L I N G E R

 

Weitere Werke von Ernst Geitlinger
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Komposition Grün-Rot

Acryl über leichten Bleistiftvorzeichnungen; auf Aquarellkarton; am oberen Rand durch zwei Klebestreifen unter Passepartout gesetzt
verso o.m. in Blei datiert „No.[vember?] [19]70“

Passepartoutgrösse: 100×70,1cm
Blattgrösse: 73×49,7cm

verso o.m. in Blei signiert „Ernst Geitlinger“
nicht im WVZ von Roswitha Nees (1991), vgl. hierzu u.a. die Werke P 1054ff., sowie v.a. NP 231 (als Vergleichsabb. weiter unten)

€ 1.400,-

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Zustand
Blatt am oberen Rand durch zwei Klebestreifen unter Passepartout gesetzt; partiell leichte Druckstellen; am unteren Rand rechts minimaler Einriss (Länge etwa 2mm); im Bereich o.r. leichte Quetschung; Blatt verso etwas farbfleckig; verso auf Passepartout aufgeklebte Kopie der auf der Blattrückseite befindlichen Signatur und Datierung

 

 

1965 wurde Ernst Geitlinger pensioniert, nachdem er ab 1951 den Lehrstuhl für Malerei und Grafik an der Kunstakademie München begleitete. In den folgenden Jahren befasste er sich vermehrt mit künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten einer nonfigurativen Abstraktion. Fläche, Bildgrund und eingesetzte Zeichen treten in ein interagierendes System.
Zu diesem künstlerischen Spätwerk schreibt Lida v. Mengden: „Neben dem Ungewöhnlichen mancher Farbformkonstellation scheint die Ursache für diesen Eindruck von Bildautonomie in dem absoluten Primat des Zeichencharakters im Bild zu liegen. Somit hat die Form, das Zeichen, nicht allein ein Übergewicht über die Farbe – die Farbe färbt die Form -, sondern auch über den konnotativen Bezugsrahmen des Werks, der, sofern er noch vorhanden ist, in den Hintergrund tritt. Das Bild hat seine mimetische Funktion endgültig abgeschüttelt“ (Lida v. Mengden (1991): Anmerkungen zu Ernst Geitlingers Spätwerk, in: Ernst Geitlinger Gesellschaft, München (Hrsg.) (1991): Ernst Geitlinger. Werkverzeichnis 1924-1972; Verlag St. Johann; Saarbrücken; S. 35-38 [hier: 37).
Im vorliegenden Werk scheinen Farben (Rot und Grün), Formen (zwei gespiegelte Röhrenformen) und Bildgrund (die signifikant große Freifläche im oberen Blattbereich) den Betrachter anfangs vor Fragen der Einordnung zu stellen und lösen damit unweigerlich Irritationen aus. Geitlinger gibt keine Vorgaben, wie dieses Bild eingeordnet, kategorisiert, geschweige denn interpretiert werden kann – so können die beiden Farben miteinander in eine Relation treten, oder/und die gespiegelten Formen können dies tun; und nicht zuletzt bleibt es eine ganz eigene individuelle Entscheidung, ob man die Komposition als eine schlichte zweidimensionale Fläche oder als einen, vielleicht durch den freien oberen Bildgrund erweiterten, Raum begreifen möchte. So dezent und minimalistisch diese konkrete Komposition auch auf den Betrachter wirken mag, so schwierig aber auch lehrreich ist zugleich der Prozess des Sehens, vor den man sich durch den Künstler rein als Individuum gestellt sieht.

 

 

Zu Ernst Geitlinger (13.02.1895 Frankfurt a.M. – 28.03.1972 Seeshaupt)
Maler, Zeichner, Bühnenbildner; nach der Volksschule Besuch eines Internats in Waldkirch (bei Freiburg); 1912 Oberrealabschluss; 1913 Umzug der Familie nach New York; Beschluss Theatermaler zu werden, wozu sich Geitlinger an der National Academy of Design einschreibt; 1914 Bekanntschaft mit Ernst „Putzi“ Hanfstaengl, der in New York eine Malschule betreibt; bis 1918 arbeitet Geitlinger dort als Zeichenlehrer; Bekanntschaft mit Winold Reiss, bei dem er seine Kunststudien fortsetzt und in dessen Atelier er mitarbeitet; 1920 Heirat in New York mit Martha Kartenkamp; 1922 Rückkehr nach Deutschland (München); 1922-31 Studium an der Kunstakademie München (bei Karl Caspar); bis 1929 verbringt Geitlinger die Sommermonate in New York und arbeitet dort als Bühnenbildner; New York; ab 1929 in München ansässig; ab 1930 Atelier in München; 1931 erste Einzelausstellung in der Galerie Weber (Berlin); 1932 Mitglied der Juryfreien; Einrichtung eines Ateliers übder dem „Schwabingerbräu“ in der Feilitzschstraße 28; in den 1930er Jahren Zusammenarbeit mit dem Maler Georg Hans Müller; 1933 politisch bedingte Auswanderungspläne; 1935 zweite Heirat mit Marianne Isler, die Familie wohnt in der Kurfürstenstraße 39; 1935 werden bei einer Ausstellung auch Werke Geitlingers im Vorfeld der Eröffnung wieder abgehängt; 1936 Mitglied im Deutschen Künstlerbund; 1937 wird eine Arbeit Geitlingers („Schneelandschaft“, Aquarell) im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ aus den Städtischen Museen Rostock beschlagnahmt; bis 1938 verschiedene Emigrationsversuche in die USA, UdSSR, nach Kolumbien; Geitlinger erhält keine Aufträge mehr, bereits ausgeführte Auftragsarbeiten für Verlage werden abgelehnt; Geitlinger zieht sich in die „innere Emigration“ zurück; er ist tätig als Anstreicher und Posthilfsarbeiter; weiterhin malt er heimlich weiter; um dem Kriegsdienst zu entgehen legt er am 12.03.1942 die Dolmetscherprüfung ab und wird in ein Gefangenenlager für Briten nach Hohenfels (Oberpfalz) verlegt; weiterhin ist er malerisch tätig; 1942 mietet Marianne Geitlinger ein Zimmer in Seeshaupt (Hauptstr. 4) und führt einen Teil der Bilder ihres Mannes dorthin über; am 10.03.1943 wird das Münchener Atelier bei einem Bombenangriff zerstört; 1945 kurzzeitig in amerikanischer Kriegsgefangenschaft; Anfang Juli 1945 Heimkehr und fortan ansässig in Seeshaupt; durch den Kunsthistoriker Dr. Hans Helmut Klihm und dessen Ehefrau Erika konnte Geitlinger neue Kontakte zu Sammlern und Museen knüpfen; Dezember 1945 erste Ausstellungsbeteiligung nach dem Krieg im Schaezler-Palais (Augsburg); im Weiteren zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen; 1946 Mitbegründer der Künstlervereinigung „Neue Gruppe“; 1948 Teilnahme an der Biennale in Venedig; 1949 Auftrag für das Bühnenbild und Kostümentwürfe für Igor Strawinskys „Orpheus“ an der Bayerischen Staatsoper; ab 1950 regelmäßig beteiligt an den Großen Münchner Kunstausstellungen; 1951 Beitritt zu den Darmstädter und Frankfurter Sezessionen; 1951-65 Professor an der Kunstakademie München; 1957 Italienreise; 1961 zwei Wandgestaltungen an der kaufmännischen Berufsschule Fulda; 1965 Gründung der privaten Malschule „Atelier Geitlinger“ in München; am 23.07.1983 gründen ehemalige Schüler Geitlingers die „Ernst Geitlinger Gesellschaft“; 1991 kam durch Schenkung ein Großteil des künstlerischen Nachlasses Geitlingers in den Besitz der Stadt Neu-Ulm; Werke Geitlingers befinden sich u.a. im Städel-Museum (Frankfurt a.M.), Sprengel-Museum (Hannover), in der Pfalzgalerie Kaiserslautern, dem Museum Ludwig (Köln), den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (München), dem Lenbachhaus (München), dem Edwin-Scharff-Museum (Neu-Ulm), Saarland-Museum (Saarbrücken)

Literatur
NEES, Roswitha: Biographie, in: Ernst Geitlinger Gesellschaft, München (Hrsg.) (1991): Ernst Geitlinger. Werkverzeichnis 1924-1972; Verlag St. Johann; Saarbrücken; S. 13-24
NEES, Roswitha: Geitlinger, Ernst, in: „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion, Künstler-ID: 00055491
PAPENBROCK, Martin (1996): „Entartete Kunst“, Exilkunst, Widerstandskunst in westdeutschen Ausstellungen nach 1945. Eine kommentierte Bibliographie; Weimar: VDG; S. 454
SEIDENFADEN, Ingrid (1974): Einführung, in: Ernst Geitlinger 1895-1972 [Städtische Galerie im Lenbachhaus München, 10. Juli bis 1. September 1974]; Christoph Dürr Verlag; München; unpag.
Internetseite der Ernst Geitlinger Gesellschaft (ernst-geitlinger.de)