E R N S T    G E I T L I N G E R    (13.02.1895 Frankfurt a.M. – 28.03.1972 Seeshaupt)

 

Weitere Werke von Ernst Geitlinger
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„Graue Form“ (1969)

Dispersion über Bleistift auf festem Velinpapier (Trockenstempel „Déposé-Sihl-Superbus 260/I“), verso am oberen Rand durch kleine Klebestreifen frei in Passepartout gesetzt

verso oben mittig in Blei signiert „Ernst Geitlinger“, sowie darunter Namensstempel
verso oben mittig in Blei datiert „Dez. [19]69“

€ 1.400,-

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Titel
verso unten mittig in Blei betitelt „Graue Form“, WVZ (Roswitha Nees 1991): P 1051, diese Nummer auch verso in Blei angegeben
Eine Abbildung der relevanten Seite aus dem WVZ ist unten angefügt.

Größe
Größe: 73,1 x 51 cm (Blatt) bzw. 89,8 x 70 cm (Passepartout)

Zustand
Blatt verso am oberen Rand durch kleine Klebestreifen in Passepartout gesetzt; in den Randbereichen minimal nachgedunkelt; Ecken minimal bestoßen; partiell leichte Druckstellen im Blatt; im mittleren Blattbereich schwach wellig; im unteren Bereich links kleiner, wohl aus dem Vorzeichnungsprozess stammender, Bleistiftstrich (Länge etwa 2,6cm)
verso am oberen Rand vom Künstler stammender Pfeil in Blei zur Ausrichtung des Blattes; verso leicht (farb-)fleckig; verso im unteren Bereich mit Bezeichnungen in Blei (wohl) aus dem Nachlass („73 x 51“, „P 1051“, „15.4/7“)

Abbildung
Ernst Geitlinger Gesellschaft, München (Hrsg.) (1991): Ernst Geitlinger. Werkverzeichnis 1924-1972; Saarbrücken: St. Johann; S. 365 (kleine s/w-Abb.)

Ausstellung
28. Mai – 2. Juli 1989, „Ernst Geitlinger. 1895-1972. Retrospektive. Von der Natur zur Abstraktion“, Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen, Katalogseite 119 (ohne Abb.)
Eine Abbildung der relevanten Katalogseite ist unten angefügt.

 

 

„Nach der Emeritierung von der Münchner Akademie entwickelte Geitlinger konsequent seinen auf geometrische Formen und minimalistische Zeichen reduzierten Spätstil. Dabei wurde die gegenständliche Figuration vorerst nicht aufgegeben. Die noch am Abbild orientierten Motive durchliefen einen geometrischen Abstraktionsprozess und wurden in konstruktive, meist monochrome, Farbflächen übertragen. Mit der Verdrängung organischer Formen erhielt der Raum als Motiv der Darstellung zunehmende Bedeutung.“ [1]

Diese hier vorliegende „Graue Form“ ist exemplarisch für dieses beschriebene Spätwerk; und konkreter lässt sich diese späte Phase ab 1969 noch dadurch beschreiben, dass hier, ganz entsprechend der „Grauen Form“, „minimalistische Bilder mit nur einem oder zwei schwarzen Zeichen auf weißem Grund“ [2] entstanden. Der Abstraktionsgrad wurde hier von Geitlinger noch weiter erhöht, organische Formen sind nicht mehr erkennbar. Farbe, Form und Fläche bestimmen das Werk – wobei es mehr die Form als die Farbe ist, auf das Geitlinger besondere Aufmerksamkeit verwandte. In diesem Sinne ist Lida von Mengden zu verstehen, wenn sie schreibt:

„Geitlingers Suche nach der überzeugendsten Aussage fand im Medium der Zeichnung, also auf weißem Papier statt. Im Prozess der Bildfindung wird schließlich die weiße Papierfläche zum Bildraum erhoben, und auch bei der Übertragung der Komposition in den Bereich der Malerei behielt Geitlinger den weißen Bildgrund als Äquivalent für Raum bei.“ [3]

Bei der „Grauen Form“ ist dies vor allem auch dadurch zu erkennen, dass die mit Bleistift ausgeführte Vorzeichnungen der Form noch deutlich erkennbar sind. Und es waren auch schließlich die Studien zu Formen, die Geitlinger in den sehr durchdachten Vorarbeiten besonders beschäftigten, während die Frage der Farbwahl sich erst hieran anschloss [4].

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[1] Roswitha Nees (2006): Ernst Geitlinger 1895-1972. Leben und Werk, Saarbrücken: St. Johann, S. 155.
[2] Nees 2006: 173.
[3] Lida von Mengden: Zur besonderen Bedeutung der ‚Weißräume‘ im Œuvre von Ernst Geitlinger, in: Helmut Friedel (Hrsg.): Ernst Geitlinger. 1895-1972, München, S. 33-36 [hier: S. 35].
[4] Vgl. hierzu Nees 2006: 162.

 

 

Zu Ernst Geitlinger (13.02.1895 Frankfurt a.M. – 28.03.1972 Seeshaupt)
Maler, Zeichner, Bühnenbildner; nach der Volksschule Besuch eines Internats in Waldkirch (bei Freiburg); 1912 Oberrealabschluss; 1913 Umzug der Familie nach New York; Beschluss Theatermaler zu werden, wozu sich Geitlinger an der National Academy of Design einschreibt; 1914 Bekanntschaft mit Ernst „Putzi“ Hanfstaengl, der in New York eine Malschule betreibt; bis 1918 arbeitet Geitlinger dort als Zeichenlehrer; Bekanntschaft mit Winold Reiss, bei dem er seine Kunststudien fortsetzt und in dessen Atelier er mitarbeitet; 1920 Heirat in New York mit Martha Kartenkamp; 1922 Rückkehr nach Deutschland (München); 1922-31 Studium an der Kunstakademie München (bei Karl Caspar); bis 1929 verbringt Geitlinger die Sommermonate in New York und arbeitet dort als Bühnenbildner; New York; ab 1929 in München ansässig; ab 1930 Atelier in München; 1931 erste Einzelausstellung in der Galerie Weber (Berlin); 1932 Mitglied der Juryfreien; Einrichtung eines Ateliers übder dem „Schwabingerbräu“ in der Feilitzschstraße 28; in den 1930er Jahren Zusammenarbeit mit dem Maler Georg Hans Müller; 1933 politisch bedingte Auswanderungspläne; 1935 zweite Heirat mit Marianne Isler, die Familie wohnt in der Kurfürstenstraße 39; 1935 werden bei einer Ausstellung auch Werke Geitlingers im Vorfeld der Eröffnung wieder abgehängt; 1936 Mitglied im Deutschen Künstlerbund; 1937 wird eine Arbeit Geitlingers („Schneelandschaft“, Aquarell) im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ aus den Städtischen Museen Rostock beschlagnahmt; bis 1938 verschiedene Emigrationsversuche in die USA, UdSSR, nach Kolumbien; Geitlinger erhält keine Aufträge mehr, bereits ausgeführte Auftragsarbeiten für Verlage werden abgelehnt; Geitlinger zieht sich in die „innere Emigration“ zurück; er ist tätig als Anstreicher und Posthilfsarbeiter; weiterhin malt er heimlich weiter; um dem Kriegsdienst zu entgehen legt er am 12.03.1942 die Dolmetscherprüfung ab und wird in ein Gefangenenlager für Briten nach Hohenfels (Oberpfalz) verlegt; weiterhin ist er malerisch tätig; 1942 mietet Marianne Geitlinger ein Zimmer in Seeshaupt (Hauptstr. 4) und führt einen Teil der Bilder ihres Mannes dorthin über; am 10.03.1943 wird das Münchener Atelier bei einem Bombenangriff zerstört; 1945 kurzzeitig in amerikanischer Kriegsgefangenschaft; Anfang Juli 1945 Heimkehr und fortan ansässig in Seeshaupt; durch den Kunsthistoriker Dr. Hans Helmut Klihm und dessen Ehefrau Erika konnte Geitlinger neue Kontakte zu Sammlern und Museen knüpfen; Dezember 1945 erste Ausstellungsbeteiligung nach dem Krieg im Schaezler-Palais (Augsburg); im Weiteren zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen; 1946 Mitbegründer der Künstlervereinigung „Neue Gruppe“; 1948 Teilnahme an der Biennale in Venedig; 1949 Auftrag für das Bühnenbild und Kostümentwürfe für Igor Strawinskys „Orpheus“ an der Bayerischen Staatsoper; ab 1950 regelmäßig beteiligt an den Großen Münchner Kunstausstellungen; 1951 Beitritt zu den Darmstädter und Frankfurter Sezessionen; 1951-65 Professor an der Kunstakademie München; 1957 Italienreise; 1961 zwei Wandgestaltungen an der kaufmännischen Berufsschule Fulda; 1965 Gründung der privaten Malschule „Atelier Geitlinger“ in München; am 23.07.1983 gründen ehemalige Schüler Geitlingers die „Ernst Geitlinger Gesellschaft“; 1991 kam durch Schenkung ein Großteil des künstlerischen Nachlasses Geitlingers in den Besitz der Stadt Neu-Ulm; Werke Geitlingers befinden sich u.a. im Städel-Museum (Frankfurt a.M.), Sprengel-Museum (Hannover), in der Pfalzgalerie Kaiserslautern, dem Museum Ludwig (Köln), den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (München), dem Lenbachhaus (München), dem Edwin-Scharff-Museum (Neu-Ulm), Saarland-Museum (Saarbrücken)

Literatur
NEES, Roswitha: Biographie, in: Ernst Geitlinger Gesellschaft, München (Hrsg.) (1991): Ernst Geitlinger. Werkverzeichnis 1924-1972; Verlag St. Johann; Saarbrücken; S. 13-24
NEES, Roswitha: Geitlinger, Ernst, in: „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), Onlineversion, Künstler-ID: 00055491
PAPENBROCK, Martin (1996): „Entartete Kunst“, Exilkunst, Widerstandskunst in westdeutschen Ausstellungen nach 1945. Eine kommentierte Bibliographie; Weimar: VDG; S. 454
SEIDENFADEN, Ingrid (1974): Einführung, in: Ernst Geitlinger 1895-1972 [Städtische Galerie im Lenbachhaus München, 10. Juli bis 1. September 1974]; Christoph Dürr Verlag; München; unpag.
Internetseite der Ernst Geitlinger Gesellschaft (ernst-geitlinger.de)

 

 

 

Aus: Ernst Geitlinger
Gesellschaft, München (Hrsg.) (1991): Ernst Geitlinger. Werkverzeichnis
1924-1972; Verlag St. Johann; Saarbrücken; S. 365.


Aus: „Ernst Geitlinger. 1895-1972. Retrospektive. Von der Natur zur
Abstraktion“ [Katalog zur Auusstellung], Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen, S. 119.