Kleines    Konvolut    zu    Emil    Noldes    Ausschluss    aus    der    „Reichskammer    der    bildenden    Künste“

 

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kleines Konvolut an Schriftstücken mit Bezug zu Emil Noldes Ausschluss aus der „Reichskammer der bildenden Künste“ (1941 u. 1957)

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Konvolut
Das Konvolut besteht aus:
1) 2 Exemplare des Rundschreibens an Freunde bezüglich seines Ausschlusses aus der „Reichskammer der bildenden Künste“
Hierzu oben typographisch beschrieben:
„Abschrift
Der Maler Emil Nolde, Doktor honoris causa der Universität Kiel, sendet seinen Freunden folgendes Rundschreiben:
‚Der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste schrieb mir Folgendes: […]“
2) Schreiben v. 15. Mai 1957 des Kunstvereins Hamburg an Walter Hamberg [siehe dazu Näheres bei der Provenienz]

Technik
1) Maschinenschriftlich auf kariertem Papier, horizontal und vertikal gefaltet, sowie Maschinenschriftlich auf bräunlichem Papier, horizontal und vertikal gefaltet
2) Maschinenschriftlich auf Papier, vertikal gefaltet

Datierung
1) jeweils ohne Datum [kurz nach dem 23. August 1941 [1]] 2) 15. Mai 1957

Signatur
1) jeweils am Ende seines Kommentars maschinenschriftlich beschrieben „gez. Emil Nolde / Seebüll bei Neukirchen, Schleswig“
2) am Ende des Schreibens handschriftlich signiert „Maser“[?]

Größe
1) 29,7 x 20,8 cm bzw. 29,7 x 21 cm
2) 14,8 x 21 cm

Zustand
1) Papier vertikal und horizontal gefaltet; bei den Faltungen am Rand kleine Einrisse; in der Blattmitte beim Faltkreuz sehr kleines Löchlein; leichte Druckstellen; am Anfang und am Ende des wiedergegebenen Schreibens der „Reichskammer der bildenden Künste“ jeweils roter Strich; leicht (stock-)fleckig; verso stockfleckig; verso mittig Reste früherer Befestigung (wohl in Album)
Papier vertikal und horizontal gefaltet; am linken Rand zweimal gelocht; an den Ecken oben links und unten links leichte Reste früherer Befestigung; etwas gebräunt
2) Papier vertikal gefaltet; leichte Druckstellen; am oberen Rand schwach fleckig; verso unten rechts leichte Reste früherer Befestigung

Provenienz
1) Paul Wassily (16.03.1868 Husum – 07.05.1951 Kiel), Arzt, Künstler, Kunstsammler, Mäzen.
[Die Schreiben dürften direkt an Paul Wassily gerichtet gewesen sein. Wassily war mit Nolde persönlich bekannt, sammelte seine Werke und unterstützte ihn.]

2) nach dem Tod von 1) an Walter Hamberg (Lebensdaten unbekannt, Eutin), Freund und Nachlassverwalter der Familie Wassily.
[Hierzu auch das Schreiben (vom 15. Mai 1957) des Kunstvereins Hamburg an Walter Hamberg. Hamberg hatte hier „Schriftstücke“ eingereicht und angefragt, ob diese bei der „Gedächtnisausstellung Emil Nolde“ (27. April – 16. Juni 1957) gezeigt werden können. Dies wurde abgelehnt und stattdessen verwies man Hamberg an die Nolde-Stiftung in Seebüll. Es ist anzunehmen, aber nicht gänzlich sicher, dass es sich bei den hier nicht näher genannten „Schriftstücken“ um die beiden hier vorliegenden ‚Rundschreiben an Freunde‘ handelt.]

 

 

Text von Emil Noldes Rundschreiben an Freunde bezüglich seines Ausschlusses aus der „Reichskammer der bildenden Künste“:

„Abschrift.

Der Maler Emil Nolde, Doktor honoris causa der Universität Kiel, sendet seinen Freunden folgendes Rundschreiben:

‚Der Präsident der Reichskammer der bildenden Künste schrieb mir Folgendes:“

[Hierauf folgt der besagte Text.] [2]

„Liebe Freunde!

So weit ist es nun gekommen! Alles Große und Schöne, das ich angestrebt habe, soll nichts sein. – Und soll dies den Abschluß des künstlerischen Lebens bedeuten? – Uns ist sehr leid, denn meine Kunst vermag offenen Augen und Herzen viel Glück zu geben, welches auch unser Glück war und unsere Lebensfreude. – Besonders wehmütig berührt diese Massnahme uns auch jetzt in der schweren Kriegszeit, wo wir mit allen Sinnen dem Ringen unserer kämpfenden, tapferen Soldaten folgen in der großen Zuversicht, daß bald ein siegreiches Ende für unser geliebtes Deutschland kommen möge.

Gez. Emil Nolde

Seebüll bei Neukirchen, Schleswig.“

 

 

Emil Noldes Einstellung und Verhalten während der Zeit des Dritten Reichs sind bekanntermaßen ambivalent gewesen. Einerseits wird er oftmals als wichtiger Vertreter der Moderne angeführt, der zudem 1937 die quantitativ betrachtet meisten Beschlagnahmungen im Zuge der „Entartete Kunst“-Aktion hinnehmen musste. Andererseits stand er zweifelsohne der herrschenden Ideologie nahe und versuchte gerade in der Anfangszeit darzustellen welche Schnittmengen es zwischen dieser und seiner Kunst gäbe. Aber auch in späteren Jahren wandte er sich nicht von dem Gedankengut ab.

Das Jahr 1937 kann als exemplarisch für diese Ambivalenz gelten. Neben erfolgreichen Ausstellungen [3] und sehr guten Verkäufen [4], war es gerade Emil Nolde der einen prominenten Platz bei den im damaligen Sommer startenden Ausstellungen zur „Entarteten Kunst“ einnahm.

In den folgenden Jahren versuchten Ada und Emil Nolde immer wieder zu intervenieren, um Noldes Werke aus diesem Kontext herauszubekommen. Dass ihnen dies, aufgrund bedeutsamer Verbindungen, in Teilen auch gelang, ist ein hoch interessanter Fakt [5].

„So kam es, dass Nolde in den Jahren 1939 und 1940 vergleichsweise optimistisch gestimmt war, weiter malte und verkaufte und im Herbst 1940 sogar einen Brief an Hitler konzipierte, den ein Bekannter aus dem Propagandaministerium der Reichskanzlei übergab und durch den eine Rehabilitierung auf höchster Ebene erreicht werden sollte. […] Die Wahrnehmung seiner Position änderte sich erst, als er am 23. August 1941 von der Reichskammer die Mitteilung über seinen Ausschluss erhielt. Abschriften des Briefes ließ er seinen Bekannten zukommen, die bei der Auslegung des Schreibens behilflich waren.“ [6]

Die beiden vorliegenden Texte sind Beispiele dieser hier von Aya Soika genannten Abschriften an Bekannte. Konkret wird es sich dabei in diesem Fall um den Sammler und Mäzen Paul Wassily gehandelt haben.

Inhaltlich ist dieses Rundschreiben vor allem wegen der persönlichen Anmerkungen Noldes von Bedeutung und Interesse.
Immer noch sieht er sich und seine Kunst, mit der er stets das „Große und Schöne“ anstrebte, als missverstanden an, da „meine Kunst offenen Augen und Herzen viel Glück zu geben [vermag]“. Seine ungebrochene Nähe zur damaligen politischen Grundströmung, unterstreicht der zweite Teil seines Zusatzes, wenn er die „[schwere] Kriegszeit“ anspricht. Zuletzt spricht er noch die ‚große Zuversicht‘ aus, „daß bald ein siegreiches Ende für unser geliebtes Deutschland kommen möge.“

In der Literatur zu Nolde wird dieses Rundschreiben an Freunde und Bekannte so gut als nie erwähnt. Bis vor wenigen Jahren war vielmehr noch jene Darstellung prägend, die Nolde dieser Situation selbst aufdrückte. So heißt es in der jüngsten, 2008 erschienenen Ausgabe von „Mein Leben“:

„Als dieses Mal- und Verkaufsverbot ankam, stand ich mitten im schönsten, produktiven Malen. Die Pinsel glitten mir aus den Händen. Die Nerven eines Künstlermenschen sind empfindlich, sein Wesen scheu und sensibel. Ich litt seelisch, weil ich glaubte, meine vollreifsten Werke noch malen zu müssen. Mit einem Schwert über dem Kopf hängend, waren mir Bewegung und Freiheit genommen.“ [7]

Sicherlich wird dieser Ausschluss aus der Reichskammer auch schwere Folgen für Nolde gehabt haben, doch ist offensichtlich, da er sich in dieser Darstellung nur hierauf fokussiert. Durch die vorliegenden Rundschreiben wird dieser vielseitigen, aber eben auch widersprüchlichen Künstlerbiografie ein weiteres, durchaus bedeutsames, Detail zugefügt.

 

 

Quellen

[1] Das hier von Nolde thematisierte und wiedergegebene Schreiben der Reichskammer der bildenden Künste datiert auf den 23. August 1941.
[2] Mit einem kleinen Unterschied ist die Abschrift identisch mit dem Original. Während es zu Beginn des zweiten Satzes im Originalschreiben heißt: „Eine Anzahl dieser Ihrer Werke […]“, verkürzt dies Nolde, ohne den Sinn damit zu verändern, auf: „Eine Anzahl dieser Werke […]“.
[3] Unter anderem in der Galerie Günther Franke (Januar 1937), Galerie Ferdinand Möller (April-Mai 1937), Galerie Rudolf Probst (Juni 1937).
[4] „Die Gesamteinnahmen Noldes im Jahr 1937 betrugen über 77 000 Reichsmark. Es wurde das zweiterfolgreichste Verkaufsjahr seiner Künstlerkarriere […]“ (Aya Soika (2019): Emil Nolde und die Ausstellung „Entartete Kunst“, in: Christian Ring (Hrsg.): Emil Nolde in seiner Zeit im Nationalsozialismus; München et al.: Prestel; S. 30-53 [hier: 33]).
[5] Vgl. dazu v.a. ebd.: 42-45.
[6] Ebd.: 45.
[7] Emil Nolde ([2008]): Mein Leben; Köln: Dumont; S. 429.