H A J O    H O L B O R N    (18.05.1902 Berlin – 20.06.1969 Bonn)

 

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Brief von Hajo Holborn (1933)

Brief vom 31. Mai 1933 (wohl) an Dietrich Schäfer (1881-1966), Sohn des gleichnamigen einflussreichen Neuzeit-Historikers Dietrich Schäfer (1845-1929)

oben rechts lokalisiert und datiert „Berlin W 56 Schinkelplatz 6 [1] 31. Mai 1933.“
am Ende des Schreibens in dunkler Tinte signiert „Holborn“

Größe: 23 x 17,8 cm (Seitengröße)

€ 300,-

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Technik
Maschinenschriftlicher Brief auf Briefpapier („Colambo“), zweifach gefaltet, 1 ¾ Seiten beschrieben

Zustand
Papier vertikal und horizontal gefaltet; Ecken etwas bestoßen und mit kleinen Knickspuren; leichte Druckstellen im Blatt; verso oben rechts in Blei bezeichnet „Hajo Holborn / Historiker“

 

 

Inhaltlich geht es in dem vorliegenden Brief Hajo Holborns darum, dass der zwischenzeitlich verstorbene Vater des Briefempfängers einen Text über die Bülow-Kontroverse verfasste. Diesen Text wollte Holborn anfangs bei der von Friedrich Meinecke, Holborns Lehrer, herausgegebenen „Historischen Zeitschrift“ unterbringen, was aber nicht gelang. Nun stellte er in Aussicht, dass er einen anderen Druckort (bspw. die „Preußischen Jahrbücher“) suchen will und fügt an, dass „durch die Holstein-Publikation [2] die Diskussion wieder lebhafter geworden ist.“
Abschließend drückt Holborn sein Bedauern darüber aus, dass es ihm nicht gelang den Text noch zu Lebzeiten des Verfassers zur Veröffentlichung zu bringen. Denn das ‚reine und gütige Wesen‘ des Vaters des Empfängers rechnet Holborn „zu den schönsten Erscheinungen liberalen Menschentums“.

Bei dem Empfänger des Briefes könnte es sich um Dietrich Schäfer (1881-1966) handeln. Dieser war Sohn des gleichnamigen einflussreichen Neuzeit-Historikers Dietrich Schäfer (1845-1929) [3].

Vorliegender Brief ist insbesondere aufgrund der Datierung von besonderer Bedeutung. Holborn machte bis 1933 die „steilste Karriere unter den emigrierten Meinecke-Schülern“ [4]. Ab 1933 sah er sich dann zweier Gefahren ausgesetzt. Seine Frau Annemarie, geb. Bettmann, war jüdischer Herkunft und daneben hatte er die neue, vornehmlich nationalsozialistische Dozentenschaft mit dem Eintreten für einen abgesetzten Kollegen gegen sich aufgebracht. Das Ehepaar Holborn hielt sich deswegen ab September 1933 in London auf und emigrierte schließlich 1934 in die USA, wo Hajo Holborn als Professor in Yale wirkte.

Dieses Schreiben entstand nur wenige Monate vor der Ausreise aus Deutschland und wie der Briefkopf belegt war Holborn damals noch an der „Deutschen Hochschule für Politik“ tätig.

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[1] Adresse der „Deutschen Hochschule für Politik“ an welcher Holborn seit 1931 als Professor tätig war.
[2] Damit ist wohl „Die graue Eminenz. Der Lebensroman des Geheimrats Fritz v. Holstein“ (1932) von J. von Kürenberg gemeint.
[3] Freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Mario Keßler.
[4] Ritter 2006: 47.

 
 

Zu Hajo Holborn (18.05.1902 Berlin – 20.06.1969 Bonn):
Neuzeithistoriker; Sohn des Physikers Ludwig Holborn (1860-1926); Besuch des Kaiserin Augusta Gymnasiums in Berlin-Charlottenburg; 1920 Abitur; Studium der Geschichte an der Universität Berlin (bei Friedrich Meinecke); 1924 Promotion; 1926 Habilitation; im Anschluss daran Privatdozent an der Universität Heidelberg; 1929 wurde er von der Historischen Reichskommission mit einer Darstellung der Entstehung der Weimarer Reichsverfassung beauftragt (die Fertigstellung wurde durch die Emigration verhindert); ab 1931 übernahm er einen zeitlich befristeten Lehrstuhl für Geschichte an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin; daneben war er ab 1932 Privatdozent an der Berliner Universität; „Politisch und in der Geschichtswissenschaft vertrat Holborn linke, antiautoritäre und betont prorepublikanische Positionen“ (Ritter 2006: 49); 25.10.1930 Geburt der Tochter Hanna, die ebenfalls Historikerin wurde; 1933 wurde er aufgrund seiner jüdischen Ehefrau, Dr. Annemarie Bettmann (1902-: 1989), aus dem Amt entlassen; im Herbst 1933 Ausreise nach Großbritannien, wobei er dies anfangs nur als kurzzeitig ansah und es als „Bildungs- und Studienreise“ (Ritter 2006: 50) verstand; 1934 Emigration in die USA und dort wirkte er mit ein paar Unterbrechungen bis 1969 als Professor an der Yale University; 1943 wurde er vom „Office of Strategic Studies“ (OSS) für die Abteilung „Research and Analysis“ rekrutiert; mit seinem Lehrer Meinecke blieb er auch nach 1945 in engem Kontakt und Austausch; in den USA ist Holborn v.a. wegen seiner grundlegenden, dreibändigen „Deutsche Geschichte in der Neuzeit“ bedeutsam; daneben wurden zahlreiche seine Schüler zu ebenso bedeutsamen Historikern, was Gerhard A. Ritter dazu führt Holborn als „Doyen der amerikanischen Deutschlandhistoriker“ (2006: 56) zu bezeichnen; 1955 Honorarprofessor an der Universität Wien

Literatur
Ritter, Gerhard A. (2006): Friedrich Meinecke. Akademischer Lehrer und emigrierte Schüler. Briefe und Aufzeichnungen 1910-1977; München: Oldenbourg