A R M I N S A N D I G (10.03.1929 Hof/Saale – 07.08.2015 Hamburg)
Weitere Werke von Armin Sandig
Zur Motivseite ‚Abstraktion‘
„Steinbruch in Pygmalien“ (1976)
Bleistift und Buntstifte auf Malkarton
€ 790,-
Titel
„Steinbruch in Pygmalien“ [so unten links in Blei betitelt]
Technik
Bleistift und Buntstifte auf Malkarton
Signatur
unten rechts in Blei signiert
Jahr
unten rechts in Blei datiert „[19]76“
Größe
40,1 x 50,3 cm
Zustand
Ecken schwach bestoßen; unterer Blattrand sehr leicht bestoßen; verso in den oberen beiden Ecken Reste von hellen Klebestreifen; verso unten links klein in Blei nummeriert „11677“
Freundliche Hinweise zum Werk kamen von Annette Bätjer (Stiftung-Armin-Sandig, Hamburg), der digitale Fotografien vorliegen!
Als die vorliegende Zeichnung 1976 entstand war Armin Sandig als Künstler bereits etabliert und anerkannt. Wenige Jahre zuvor hatte er den Edwin-Scharff-Preis (1972) erhalten, seit dem vorhergehenden Jahr (1975) war er Vizepräsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg und bis dahin konnte er bereits auf zahlreiche Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen zurückblicken.
Künstlerisch ist es eine Zeit in der er sich von einem eigenständigen, oftmals ‚verspielten‘ informellen Ausdruck hin zu einer mehr figurativen Gegenständlichkeit wendet. Dieser „Steinbruch in Pygmalien“ ist hier einzuordnen, zeigt noch deutlich den hohen Abstraktionsgrad und die Dichte an wilden Strukturen und Formen, mag aber in seiner Gänze vielleicht auch schon eine Landschaftskonzeption vermitteln. In den Grundzügen liegt demnach die wilde, unruhige Landschaft im unteren Bildteil, während dann der darüber liegende Himmel nur in wenigen langen Strichen angedeutet ist.
Aber was sehen wir nun? Und was hat dieser merkwürdig poetische Titel damit zu tun? Dies wird dem Betrachter durch den Kopf gehen und ähnliche Fragen hatte Sandig wohl erahnt, als er zur Eröffnung einer Ausstellung im Dezember 1975 die Frage diskutierte „Was haben Sie sich dabei gedacht?“ [1].
So führt Sandig hier u. a. aus:
„Was haben Sie sich dabei gedacht? Diese Frage ist die häufigste, die mir in Bezug auf meine Bilder gestellt wurde. Doch nicht allein deshalb habe ich sie zum Thema meiner Einführung gewählt. In ihr wird neben dem erfreulichen Interesse (was kann ein Maler sich Besseres wünschen!), tiefer in Bilder einzudringen, auch gleich das Missverständnis deutlich, das den Zugang von vornherein zu verlegen droht. Das Missverständnis: was die Augen nicht begreifen, könne mit dem Kopf verstanden werden. Schon im Hinblick auf die Entstehung eines Bildwerkes zielt die Frage, was der Künstler sich gedacht hat, zu kurz. An der Hervorbringung sind natürlich nicht nur Gedanken als auf die Herstellung gerichtete und beschränkte Handwerksüberlegungen oder das Tun umspielende und beeinflussende Assoziationen beteiligt. Nein, der ganze Mensch wird da gefordert. In seiner Leiblichkeit sowohl wie in dem, was an Geist und Empfindung aus ihr hervorgeht: mit allem also, was er an körper- und sinnhaften wie intelligiblen Fähigkeiten hat. Aber auch für Rezeption und Interpretation gilt: Eigenart und Eigengesetzlichkeit jeder Bildenden Kunst werden verkannt, solange man sie vorrangig im Rationalen und Inhaltlichen sucht.“ [2]
Demnach sollte auch dieser verspielte, lockere, zeichnerisch überaus reizvolle „Steinbruch“ nicht mit einem kühl rationalen Blick betrachtet, kategorisiert und interpretiert werden, da dies an dem Eigentlichen des Blattes, der Kunst vorbeigeht. Die Wirkung des Motivs auf den Betrachter, der sich (möglichst) unvoreingenommen langsam nähern mag, ist zentral. Und bei einem solchen ruhigen Betrachten wird die Mannigfaltigkeit, die Dichte und die Komplexität dieser Zeichnung deutlich. Was anfangs wie eine informelle Komposition erscheint, wird mit der Dauer der Betrachtung zu einer erstaunlichen Zeichenkunst voller Bildtiefe, Witz, Spannung und reizvollen Fragezeichen.
Innerhalb der detailliert abgestuften, grau-schwarzen Fläche, zeigen sich immer wieder einzelne farbige Partien – mal sind es Kreise, mal eher Dreiecke, mal Striche. Diese lockern die Ansicht auf und verleihen dem Ganzen zudem eine weitere Ebene, welche das Blatt beinahe ins Malerisch-Bildhafte überführt.
Eine ganz wunderbare Zeichenkunst von wohl einem der eigenständigsten und interessantesten deutschen Künstler der jüngeren Vergangenheit.
————————————————————————
[1] Hanjo Kesting (Hrsg.) (2010): Armin Sandig zu Ehren, Hamburg: Hoffmann und Campe, S. 70-73.
[2] Ebd.: 70.
Zu Armin Sandig (10.03.1929 Hof/Saale – 07.08.2015 Hamburg):
Maler, Zeichner, Grafiker.
Als Künstler war Sandig Autodidakt.
Bereits als Jugendlicher künstlerisch tätig und mit 17 Jahren konnte er das erste Mal seine Arbeiten bei einer Ausstellung in Hof zeigen.
Noch während seiner Jugendzeit kam er in Kontakt mit Werner Gilles und Gottfried Brockmann, der damals in Hof treuhänderisch eine Buchdruckerei und eine lithografische Anstalt leitete.
Durch die beiden älteren Künstler kam Sandig endgültig zur Malerei.
Anfangs beeinflusst von Max Beckmann, Kandinsky, paul Klee.
Sandig versucht an der Kunstakademie München bei Xaver Fuhr zu studieren, der von Sandigs Arbeiten auch begeistert war („Begabt sind Sie auf jeden Fall!“), was aber wohl aufgrund politischer Entscheidungen im bayerischen Kultusministerium nicht möglich wurde (vgl. Nümann 2016: 18-19).
1949 erste Einzelausstellung im „Deutschen Theater“ in Konstanz. Fortan zahlreiche Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen.
Seit 1951 In Hamburg ansässig.
Ab 1958 schuf er zahlreiche Grafiken für die „Griffelkunst-Vereinigung“.
1960 erster großer Bauauftrag für die keramische Wandgestaltung eines Kindertagesheims in Hamburg-Wilhelmsburg. Reise nach Paris.
Bis etwa 1970 schuf Sandig vor allem tachistische, informelle Arbeiten, wandte sich dann einer figurativen Gegenständlichkeit zu.
Preise / Auszeichnungen
1960 Lichtwark-Stipendium
1972 Edwin-Scharff-Preis
1980 Preis beim Internationalen Zeichenwettbewerb, Nürnberg
1992 Friedrich-Bauer-Preis für Bildende Kunst, München
1989 Ernennung zum Ehren-Professor
2002 Bundesverdienstkreuz am Bande
Mitgliedschaften
ab 1972 Freie Akademie der Künste, Hamburg (1975-80 Vizepräsident, 1980-2011 Präsident)
Sammlungen
Stedelijk Museum Amsterdam; Schlossmuseum Aschaffenburg; Kunstmuseum Bochum; Kunsthalle Bremen; Städel Museum (Frankfurt a. M.); Kunsthalle Hamburg; Kunstsammlung der Stadt Hof; Museum Pfalzgalerie (Kaiserslautern); Museum Ludwig (Köln); Kunsthalle Mannheim; Germanisches Nationalmuseum (Nürnberg); Staatsgalerie Stuttgart.
Literatur (Auswahl)
— Kesting, Hanjo (2010): Armin Sandig zu Ehren. Festschrift im dreißigsten Jahr seiner Präsidentschaft der Freien Akademie der Künste in Hamburg, Hamburg: Hoffmann und Campe
— Nümann, Ekkehard (Hrsg.) (2016): Armin Sandig. Die frühen Jahre, Göttingen: Wallstein
— Schneider, Ulrich: Armin Sandig, in: „Artists of the World“ (AOW) / „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), De Gruyter-Verlag, Onlineversion
— Kunsthalle Bremen: Armin Sandig. Gemälde, Handzeichnungen und Aquarelle aus den Jahren 1959-1969, Bremen
— Pfalzgalerie Kaiserslautern (1967): Armin Sandig. Gemälde, Aquarelle, Graphik, o. V.
— Internetseite der „Armin Sandig Stiftung e. V.“
























