W O L F G A N G V O N W E B S K Y
Weitere Werke von Wolfgang von Websky
Baum
Kreidelithographie auf Ingrespapier
nicht datiert, wohl um 1972
Blattgrösse: 33,5×46,4cm
Auflage: o.A.
u.r. in Blei signiert „W vWebsky“
nicht betitelt
€ 260,-
Zustand
durchgehend leichte Druckstellen im Blatt; in den Randbereichen mitunter Quetschungen und etwas fingerspurig; Ecken etwas bestoßen; im unteren rechten Bereich (etwas rechts vom Baumstamm) Papier in vertikal verlaufender Linie etwas aufgeraut
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Wolfgang von Websky erst 1950 aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen und ließ sich mit seiner Familie anfangs im oberbayrischen Steingaden nieder. 1952 verzog die Familie weiter nach Wangen im Allgäu, wo der Künstler bis zu seinem Tod ansässig blieb.
Erlebnisse, verarbeitete Erinnerungen aus Krieg und Gefangenschaft malte Wolfgang von Websky in den ersten Jahren nach seiner Heimkehr „danach verschwinden diese Gespenster aus der Vergangenheit, er blüht auf, es entstehen die lebhaften und farbstarken Gemälde der 50-er und der 60-er Jahre“ (Michael von Websky (2009): Erinnerungen, in: Muzeum Miejskie Wroclawia (Hrsg.): Wolfgang von Websky (1895-1992) Realnosc i impresja. Realität und Impression; Drukarnia Panda; Wroclaw; S. 8-13 [hier: 10]). Es sind dabei insbesondere Porträts, Reiseimpressionen und Landschaften, die das folgende Schaffen kennzeichnen.
Zu den grafischen und zeichnerischen Arbeiten des damals bereits über 60jährigen Künstlers schreibt Ernst Schremmer: „In späteren Jahren herrschen […] in Begleitung der Malerei Landschaftsstudien, gezeichnete Bilder aus der Allgäuer Landschaft bei Wangen, von Murnau, am Rhein vor. Sie vertreten die Motivbereiche des Schaffens, in denen Blüten, Pflanzen und Bäume, vor allem aber Bäume in herber Symbolik sich neben die Bildnisse stellen, wie Porträts brüderlicher Kreaturen, mit denen der Künstler Umgang pflegt. Aus solchen Bildern und Blättern kommt nicht nur die Faszination der Natur mit ihren unerschöpflichen Formen, sondern auch eine Melancholie, die sich mit Andeutungen von Leben und Vergänglichkeit begnügt“ (Ernst Schremmer (1985): Ein phrasenloser Humanismus, in: Stiftung Schlesien (Hrsg. ): Wolfgang von Websky. Zeichnungen [Schriftenreihe der Stiftung Schlesien/Hannover Bd II]; Schertgens; Köln; S. IX-X [hier: IX]).
Obgleich undatiert, so ist die vorliegende Lithographie doch exemplarisch in die von Schremmer dargestellte Schaffensphase einzuordnen und lässt sich zudem in der motivischen Verwandtschaft zu der, auf die Zeit um 1972 datierten, Lithographie „Baum“ (Abb. in: Stiftung Schlesien (Hrsg. ) (1985): Wolfgang von Websky. Zeichnungen [Schriftenreihe der Stiftung Schlesien/Hannover Bd II]; Schertgens; Köln ; S. 37) noch genauer chronologisch fassen.
Ein mächtiger, starker Stamm wächst aus der unteren Bildmitte empor und ragt weit über den oberen Blattrand hinaus. Der Künstler gibt uns damit keinen geschlossenen Blick auf diesen Baum, sondern vielmehr gewährt er uns nur einen Ausschnitt – ohne Anfang und ohne Ende, so dass wir nicht sagen können woher dieser Stamm kommt und wohin er sich reckt. Seitlich gehen immer wieder kleinere und größere Verästelungen ab. Mal sind diese größer und reichen über den seitlichen Blattrand hinaus, mal erscheinen sie verkümmert, oder auch abgebrochen. Keinesfalls ist dies ein gemeinhin als ‚schön‘ zu charakterisierender Baum. Vielmehr erscheint er vieles von dem zu haben, was Ernst Schremmer mit seinem Vergleich zwischen Bäumen und Bildnissen wohl meinte: ein ungemein individuelles Wachstum, das neben starken, fruchtbaren Ästen auch Unglücke, Abbrüche, Neuanfänge kennt; eine starke, herbe Note, in welcher aber ebenso auch auf eine melancholische Weise das sanfte Wissen um die eigene Vergänglichkeit mitschwingt.
Herausragende grafische Komposition!
Zu Wolfgang von Websky (29.09.1895 Berlin – 12.03.1992 Wangen im Allgäu):
Maler, Zeichner, Grafiker; 1900 Umzug der Familie auf das Familiengut Schwengfeld bei Schweidnitz in Niederschlesien; 1911 Besuche im Atelier von Wilhelm Herberholz in Düsseldorf, der von Webskys Vater porträtierte; 1914 Abitur in Schweidnitz; bei Kriegsbeginn Offiziersanwärter; 1915 Fronteinsatz, schwere Verwundung und zweijähriger Lazarettaufenthalt; Beschäftigung mit Malerei; 1917 Besuch der Kunstakademie Breslau (Porträtklasse von Eduard Kaempffer); 1920 Verabschiedung aus dem Militär wegen dauernder Frontuntauglichkeit; auf Empfehlung von Kaempffer Studium an der privaten Kunstschule von Arthur Wasner in Breslau; 1921 Studium bei Moritz Heymann in München; Freundschaft mit Konrad Kardorff; 1922 erste Einzelausstellung in der Galerie Lichtenberg in Breslau; 1922-23 Besuch der Hochschule für Bildende Künste in Berlin (bei Adolf Strübe, Peter Fischer); 1924 neunmonatige Italienreise; 1925 dreimonatiger Aufenthalt in Paris bei Wilhelm Uhde; 1925-30 Atelier in Berlin und während dieser Zeit auch immer wieder in Schlesien; 1928 erneuter Studienaufenthalt in Paris; 1930 Aufgabe des Berliner Ateliers und vollständiger Umzug auf Gut Schwengfeld; Heirat mit Wita von Nimptsch; Mitglied im „Künstlerbund Schlesien“; 1934-39 Vorsitzender des Künstlerbundes Schlesien; 1936 wird er zu militärischen Übungen abberufen und muss in der Folge dann das Amt als Vorsitzender aufgeben; 1938 Studienreise nach Ägypten und in den Vorderen Orient; 1939 Einberufung als Reserve-Offizier; 1939-45 Kriegsdienst im Westen und Osten; 1945-50 sowjetische Kriegsgefangenschaft; 1950 Neubeginn in Steingaden/Oberbayern; 1952 Umzug der Familie nach Wangen im Allgäu in die dort neu erbaute Siedlung („Am Atzenberg“) für schlesische Künstler; 1955 Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland; 1957 Begegnung und Freundschaft mit Anne von Molo (Ehefrau Walter von Molos); 1961-68 zahlreiche Studienreisen nach Italien, Frankreich; 1969 Schlesischer Kulturpreis; 1972-72 Studienaufenthalte in Portugal an der Algarve; 1978-79 Studien auf Kreta; 1981 Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen; 1982 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg; 1985 Ehrenprofessur des Landes Baden-Württemberg; 1985 Pro-Arte-Medaille der Künstlergilde Esslingen
Literatur
Muzeum Miejskie Wroclawia (Hrsg.) (2009): Wolfgang von Websky (1895-1992) Realnosc i impresja. Realität und Impression; Drukarnia Panda, Wroclaw
Stiftung Schlesien (Hrsg. ) (1985): Wolfgang von Websky. Zeichnungen [Schriftenreihe der Stiftung Schlesien/Hannover Bd II]; Schertgens; Köln
Freundeskreis Bildende Kunst e.V., Kißlegg (Hrsg.) (1995): Wolfgang von Websky. Ein Maler des Expressiven Realismus; Robert Gessler; Friedrichshafen
JESSEWITSCH, Rolf / SCHNEIDER, Gerhard (Hrsg.) (2008): Entdeckte Moderne; Kettler; Bönen; S. 524
SCHNEIDER, Erich (Hrsg.) (2009): Expressiver Realismus. Die Sammlung Joseph Hierling [Schweinfurter Museumsschriften 166/2009]; Schweinfurt; S. 343
ZIMMERMANN, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 459