M A R C E L C H I R N O A G A
Zum Themenflyer ‚Bilder des Schmerzes‘
Zwei Männer stehen zu ihrer Hinrichtung gefesselt an einer Wand
Kaltnadelradierung und Aquatinta auf strukturiertem, leichtem Karton
nicht datiert
Blattgrösse: 34,7×50,4cm
Bildgrösse: 21,5×32,5cm
Auflage: Künstlerexemplar [hierzu u.l. in Blei bez. „Exemplar de artist“]
u.r. in Blei signiert „MChirnoaga“, sowie recto u.m. von fremder Hand in Blei mit Künstlernamen bez.
nicht betitelt
€ 450,-
Zustand
partiell leichte Druckstellen; im Bereich des früheren Passepartoutausschnitts leicht nachgedunkelt; im oberen und unteren Randbereich sehr leicht fleckig; verso leicht fleckig (o.l. etwas stärker fleckig)
Eine hohe Wand zieht sich im Hintergrund unüberbrückbar und bedrohlich in die Lüfte. Der Blattrand wird weit überschritten und nur am linken oberen Bereich ist ein kleines Stück des dunklen Himmels zu erkennen. In dieser gespenstischen Szenerie lässt Marcek Chirnoaga die Hinrichtung zweier Männer stattfinden. Die Augen sind verbunden, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Insbesondere durch die satten, eng beieinander liegenden Kaltnadelzüge der Hosen heben sich die beiden von ihrer Umgebung ab und bilden damit gleichsam das tragische Zentrum des Werks. Ein fahles Licht fällt auf die Männer und wirft auf die Wand unheilvolle Schatten. Vielleicht findet die Hinrichtung nachts statt und sie werden mit Scheinwerfern angestrahlt? Ebenso wie sich die satt schwarzen Hosen der Männer vom Rest der Darstellung abheben, so sind auch die weißen, nur minimal schwarz gepunkteten Hemden ein herausstechendes Merkmal. So grausam irreal die Szenerie auch wirkt, so menschlich, so real wirken die beiden Menschen.
Die tatsächliche, wohl durch Erschießen zu erfolgende, Hinrichtung wird dem Anschein nach in Kürze ausgeführt und Chirnoaga hält hier den unmittelbar vorhergehenden, kurzen, aber doch so erschütternd entscheidenden Moment fest. Was mag diesen beiden Menschen durch den Kopf gehen, was fühlen, was empfinden sie? Vielleicht ist es so, wie Fürst Myschkin in Dostojewskis „Idiot“ sagt, wenn er über eine Hinrichtung spricht, die er in Lyon miterlebte: „Es ist merkwürdig, daß nur selten ein Verurteilter in diesen letzten Sekunden in Ohnmacht fällt! Im Gegenteil, der Kopf ist sehr lebendig und arbeitet wahrscheinlich mit aller Kraft, mit aller Kraft, wie eine im Gange befindliche Maschine […]“ (Aufbau-Verlag, Berlin, 1958, S. 92).
Brillant herausgearbeitete, menschlich zutiefst anrührende Komposition.
Zu Marcel Chirnoaga (17.08.1930 Busteni, Kreis Prahova (Rumänien) – 23.04.2008 Bukarest):
Rumänischer Maler, Zeichner, Grafiker (v.a. Radierung), Bildhauer; 1948 veröffentlicht er erste Zeichnungen in der Presse; Studium der Mathematik und Physik an der Universität in Bukarest (Abschluss 1952); als Künstler Autodidakt; 1953 Mitglied im Verband der bildenden Künstler Rumäniens (Uniunii Artistilor Plastici (UAP)), hierbei zeitweise Leiter der AbteiIung „Gebrauchsgraphik“; 1955 erste Einzelausstellung, von da an zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland; 1967 Käthe Kollwitz-Preis (Berlin); 1967 Graphik-Preis des „Verbandes Bildender Künstler Deutschland“; 1970 2. Preis (ex aequo) bei der Internationale Graphik-Biennale in Krakau; 1975 „Ion-Andreescu-Preis“ der Rumänischen Akademie; 1999 Goldmedaille „Dante“ (Ravenna); Chirnoaga schuf v.a. Werke mit mythologischem, surrealen, literarischen und daneben auch zeitgeschichtlich-politischen Thematiken; es entstanden mehrere Graphik-Zyklen (u.a. „Don Quijote“, Dantes „Inferno“, Rilkes „Weise von Liebe und Tod des Cornets Christof Rilke“)