L U D W I G ( L U I S ) N E U
Weitere Werke von Ludwig (Luis) Neu
Schwarm von Wanderheuschrecken über einem Kornfeld in Südamerika
Aquarell und Tusche über leichten Bleistiftvorzeichnungen, partiell leicht mit Deckfarben gehöht, auf Velinpapier [Trockenstempel „ARS“], verso umlaufend durch braunes Klebeband unter Passepartout gesetzt
nicht datiert
u.r. signiert „L. Neu“
nicht betitelt
€ 600,-
Passepartoutgrösse: 61×46,9cm
Blattgrösse: 49,5×35,3cm
Grösse des Passepartoutausschnitts: 48,4x33cm
Zustand
Blatt verso umlaufend durch braunes Klebeband unter Passepartout gesetzt; in den oberen und unteren Randbereichen leichte Druckstellen; verso o.r. (wohl) vom Künstler in blauem Kugelschreiber beschrieben; verso sehr leicht fleckig; Passepartout an den Rändern etwas aufgeraut
Ludwig Neu emigrierte am 15. Mai 1938 nach Buenos Aires. Seine Frau und die gemeinsame Tochter folgten ein halbes Jahr später. „Die ersten zwei Jahre in Buenos Aires fielen der Familie sehr schwer, weil Luis Neu keine Sprachkenntnisse besaß und seine norddeutschen Motive in Südamerika weder Interessenten noch Abnehmer fanden. Trotzdem bauten alle drei eine neue Existenz auf. Neu betätigte sich als Fotograf für das Argentinische Tageblatt und wechselte mehrfach den Brotberuf, bevor er sich in den fünfziger Jahren als Maler wieder durchsetzen konnte“ (Maike Bruhns (2007): Geflohen aus Deutschland. Hamburger Künstler im Exil 1933-1945; Edition Temmen; Bremen; S.20). Neben Landschafts- und Stadtansichten aus Südamerika entstanden auch figürliche Kompositionen und im Gegensatz zu den früheren, vom Impressionismus beeinflussten Werken zeigen diese Arbeiten eine expressiv-realistische, farbeprächtige Wiedergabe.
Das vorliegende Aquarell ist in diese spätere Schaffensphase einzuordnen. Neu, der als Siebzigjähriger zwei Jahre bei den Indios lebte (vgl. ebd.; S. 21), drückt in diesem Werk eine Verbundenheit mit den dort lebenden Menschen aus, die in diesem Fall einer existenziellen Katastrophe gegenüberstehen.
Im vorderen Bildbereich blicken wir auf eine Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern, sowie zwei jüngeren Männern, die vielleicht als Arbeiter zu sehen sind. Bis auf die beiden Kinder schauen alle wie gebannt auf den rechten oberen Bildbereich, in dem sich, einer düsteren Wolke gleich, ein Schwarm Wanderheuschrecken über dem reifen Feld versammelt. Vereinzelt fliegen einzelne Heuschrecken auch in den Vordergrund, so dass wir als Betrachter die Tiere dezidiert sehen können. Jeden Moment droht der Schwarm auf das Feld herab zu stürzen, um die Ernte in kürzester Zeit zu vernichten. Diesen ungemein emotionalen Moment, der die unmittelbar bevorstehende Zerstörung ankündigt, aber doch eine wie auch immer geartete Hoffnung nicht ganz ausschließt, hält Neu hier ergreifend fest. Als Blickfang innerhalb des Werks mag der kleine Junge gelten, der mit seiner nach links gerichteten Körperhaltung, den Blickrichtungen der Übrigen entgegengestellt ist und doch am bitterlichsten weint.
Ungemein lebendige Umsetzung eines sicherlich ungewöhnlichen Motivs!
Zu Ludwig (Luis) Neu (14.10.1897 Wasserlos – 14.05.1980 Buenos Aires):
1911-13 Besuch der Zeichenakademie in Hanau (bei Professoren Schimke, Koch, Schulz); darauf Studium an der Kunstgewerbeschule Offenbach (bei Prof. Richard Troll, Rudolf Koch); im Weiteren Studium an der Kunstakademie München (bei Max Slevogt); im 1. Weltkrieg Einsatz in Russland; bis 1920 in Frankfurt am Main (Atelier im Städelschen Institut); ab 1922 freischaffender Künstler in Hamburg; Heirat mit Ida Boch (trotz Widerstand der jüdischen Eltern, die gegen die Verbindung mit der evangelischen Postbeamtin waren); 1923 Geburt der Tochter Ida; in den 1920-30er Jahren zahlreiche Studienreisen (Orient, Ägypten, Italien, Holland, Norwegen, Island); Förderungen durch Gustav Pauli und Gustav Schiefler; 1921 Eintritt in die Hamburgische Künstlerschaft (1933 ausgeschlossen); 1927 Beteiligung an einer Ausstellung der Hamburgischen Sezession; nach der Machtübernahme der NSDAP verschlechterten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse Neus, so dass er zum Wohlfahrtsempfänger wurde; 1935 Verleihung des Ehrenkreuzes für Frontkämpfer; 02.06.1936 Ablehnung des Antrags auf Aufnahme in den Reichsverband Bildender Künstler (mit gleichzeitiger Untersagung der weiteren Ausübung des Künstlerberufes); es folgte ein Verkaufsverbot; im Geheimen malte und verkaufte Neu weiterhin; Mai 1938 Flucht nach Buenos Aires; Neu wurde ausgebügert; in Buenos Aires zunächst tätig als Fotograf, dann wieder als Maler; 1954 wohnhaft in El Palomar; 04.09.1954 Wiedereinbürgerung in Hamburg; 1958 erneute große Europareise; 1978 Bundesverdienstkreuz
Literatur
BRUHNS, Maike (2001): Kunst in der Krise (Band 2); Dölling und Galitz; Hamburg; S.304-307
BRUHNS, Maike (2007): Geflohen aus Deutschland. Hamburger Künstler im Exil 1933-1945; Edition Temmen; Bremen; S.20-21