A R M I N   S A N D I G   (10.03.1929 Hof/Saale – 07.08.2015 Hamburg)

 

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„Babylonische Versuche (XIII)“ (1963)

Abklatschtechnik in Kunstharzdispersionsfarbe auf Malkarton (“Schoellers Parole”)

€ 1.300,-

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Titel
„Babylonische Versuche (XIII)“ [so verso unten links in Blei betitelt]

Technik
Abklatschtechnik in Kunstharzdispersionsfarbe auf Malkarton (“Schoellers Parole”)

Signatur
unten rechts in Blei signiert, sowie verso unten rechts nochmals signiert

Jahr
unten rechts in Blei datiert „[19]63“, sowie verso unten rechts nochmals datiert, sowie verso zusätzlich noch taggenau bezeichnet „21. (bzw. 23.! – Mittwoch!) August in Ried“

Größe
Größe: 101 x 72 cm

Zustand
technikbedingt sehr leicht wellig; Ecken schwach bestoßen; in den vier Ecken sehr kleine Einstichlöchlein
verso an den Rändern technikbedingt farbfleckig; verso fleckig und leichte Druckstellen

 

 

Freundliche Hinweise zum Werk kamen von Annette Bätjer (Stiftung-Armin-Sandig, Hamburg), der digitale Fotografien vorliegen!

 

 

„Sandigs Kunst gehört in den Bereich der hier angedeuteten Bestrebungen einer freien entformelten Darstellung, der es um das ‚Träumerische‘ – wie van Gogh es nannte – geht. […] Besonders am Anfang trifft man Arbeiten, die versuchen, Kräfte des Materials beim Arbeitsprozeß freizulegen und als Darstellung sichtbar zu machen, also z. B.: Wie verhält sich getropfte Farbe zum Lösungsmittel, was können – in bestimmtem Zusammenhang – ein Tropfen, ein Fleck und deren Massierung sein? Welche Anstöße zum Weiterarbeiten gibt der Ätzprozeß einer Radierplatte, welche Fragen kann der gerissene Lackgrund auf derselben Platte aufgeben? Welche Möglichkeiten entfaltet eine Linie, die zunächst einmal als hingeworfenes Element gerade durch eine prinziplose Gestalt auf dem Papier Fragen stellte, die durch weitere lineare, schraffierte, gewischte Elemente umgeben und aufgefangen werden und dabei dann – im sogenannten Prinzip der Formlosigkeit – Formprinzipien aufzeigen?
Mit solchem Paradox schlägt sich diese Kunst herum.“
[1]

Dieses obige Zitat von Jürgen Schultze bezieht sich gerade auf die frühen Werke der späten 1950er bis frühen 1960er Jahre und dieses hier vorliegende Werk ist darin einzuordnen.
Auch bei diesen „Babylonischen Versuchen (XIII)“ ging Sandig suchend, experimentierfreudig vor und die römische Nummerierung deutet explizit darauf hin, dass man das Werk als Teil einer so betitelten Werkreihe sehen kann [2].

Die gesamte, großflächige Komposition wirkt in ihrer technischen Ausführung, beim Motiv und auch dem vergebenen Titel überaus rätselhaft und erschließt sich dem Betrachter nicht ohne Weiteres.
Markant sind die mehrfachen horizontal verlaufenden Druckstellen bzw. Faltungen, welche anfangs an die Verwendung mehrerer Druckstöcke denken lassen. Der Grund hierfür liegt jedoch darin, dass Sandig den Sommer 1963 im Franz-Marc-Haus in Ried bei Kochel am See verbrachte und von dem dortigen Dielenboden scheinbar so fasziniert war, dass er ihn durch Druck mit in das Werk integrierte. Als motivgebendes Farbmittel wählte er Kunstharzdispersionsfarbe, die er zur damaligen Zeit häufiger benutzte. Diese trug er jedoch nicht direkt auf das Blatt auf, sondern gebrauchte dafür vielmehr eine Abklatschtechnik, was sich auch teilweise in den Farbverläufen und -strukturen erkennen lässt.

Zur Malerei in diesem frühen Schaffen Armin Sandigs schreibt Helmut Heissenbüttel:

„sandig kam, etwa in der nachfolge von klee und kandinsky, zu freien und sehr einfachen, mehr an geometrischen als an gegenständlichen formen orientierten flächenfigurationen, in denen von anfang an die farbe, die methode des farbauftrags, der pinsel- und strichführung eine gewisse konstruktive bedeutung hatten. lies[sic!] dann in sehr konsequenter und aus dem eigenen arbeitsprozeß entwickelter weise die letzten geometrisch-figurativen bezüge fallen […] und reduzierte die komposition seiner bilder allein auf die charakteristik des farbauftrags, des pinsel- oder spachtelstrichs, der farbverlaufungen, des federstrichs usw.“ [3]

Auch dieses vorliegende Werk zeichnet sich durch eine signifikante Reduktion der Formensprache aus, wogegen der Farbe und deren Anwendung besondere Bedeutung zukommt.
Armin Sandig gelingt auf diese Weise ein überzeugender, eigenständiger Zugang zur Abstraktion, der sich als überaus zartfühlend, sensibel und lyrisch erweist. – Feinste Farbübergänge werden relevant und bewusst gesetzte innerbildliche Redundanzen (wie bspw. die Druckspuren des Dielenbodens) vermitteln eine dahinterliegende Struktur und wirken zugleich in ihrer Aneinanderreihung meditativ.

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[1] Jürgen Schultze (1970): Zur Ausstellung, in: Kunsthalle Bremen: Armin Sandig. Gemälde, Handzeichnungen und Aquarelle aus den Jahren 1959-1969, Bremen, unpag. [S. 4-6, hier: 5].
[2] Weitere so betitelte Werke wurden 1967 in der Pfalzgalerie Kaiserslautern (Pfalzgalerie Kaiserslautern (1967): Armin Sandig. Gemälde, Aquarelle, Graphik, o. V., Kat.Nr. 3, 19), sowie 1970 in der Kunsthalle Bremen gezeigt (Kunsthalle Bremen (1970): Armin Sandig. Gemälde, Handzeichnungen und Aquarelle aus den Jahren 1959-1969, Bremen, Kat.Nr. 22).
[3] Helmut Heissenbüttel (1970): Über den Maler Sandig, in: ebd., unpag. [S. 7-9, hier: 8].

 

 

Zu Armin Sandig (10.03.1929 Hof/Saale – 07.08.2015 Hamburg):
Maler, Zeichner, Grafiker.
Als Künstler war Sandig Autodidakt.
Bereits als Jugendlicher künstlerisch tätig und mit 17 Jahren konnte er das erste Mal seine Arbeiten bei einer Ausstellung in Hof zeigen.
Noch während seiner Jugendzeit kam er in Kontakt mit Werner Gilles und Gottfried Brockmann, der damals in Hof treuhänderisch eine Buchdruckerei und eine lithografische Anstalt leitete.
Durch die beiden älteren Künstler kam Sandig endgültig zur Malerei.
Anfangs beeinflusst von Max Beckmann, Kandinsky, paul Klee.
Sandig versucht an der Kunstakademie München bei Xaver Fuhr zu studieren, der von Sandigs Arbeiten auch begeistert war („Begabt sind Sie auf jeden Fall!“), was aber wohl aufgrund politischer Entscheidungen im bayerischen Kultusministerium nicht möglich wurde (vgl. Nümann 2016: 18-19).
1949 erste Einzelausstellung im „Deutschen Theater“ in Konstanz. Fortan zahlreiche Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen.
Seit 1951 In Hamburg ansässig.
Ab 1958 schuf er zahlreiche Grafiken für die „Griffelkunst-Vereinigung“.
1960 erster großer Bauauftrag für die keramische Wandgestaltung eines Kindertagesheims in Hamburg-Wilhelmsburg. Reise nach Paris.
Bis etwa 1970 schuf Sandig vor allem tachistische, informelle Arbeiten, wandte sich dann einer figurativen Gegenständlichkeit zu.

Preise / Auszeichnungen
1960 Lichtwark-Stipendium
1972 Edwin-Scharff-Preis
1980 Preis beim Internationalen Zeichenwettbewerb, Nürnberg
1992 Friedrich-Bauer-Preis für Bildende Kunst, München
1989 Ernennung zum Ehren-Professor
2002 Bundesverdienstkreuz am Bande

Mitgliedschaften
ab 1972 Freie Akademie der Künste, Hamburg (1975-80 Vizepräsident, 1980-2011 Präsident)

Sammlungen
Stedelijk Museum Amsterdam; Schlossmuseum Aschaffenburg; Kunstmuseum Bochum; Kunsthalle Bremen; Städel Museum (Frankfurt a. M.); Kunsthalle Hamburg; Kunstsammlung der Stadt Hof; Museum Pfalzgalerie (Kaiserslautern); Museum Ludwig (Köln); Kunsthalle Mannheim; Germanisches Nationalmuseum (Nürnberg); Staatsgalerie Stuttgart.

Literatur (Auswahl)
— Kesting, Hanjo (2010): Armin Sandig zu Ehren. Festschrift im dreißigsten Jahr seiner Präsidentschaft der Freien Akademie der Künste in Hamburg, Hamburg: Hoffmann und Campe
— Nümann, Ekkehard (Hrsg.) (2016): Armin Sandig. Die frühen Jahre, Göttingen: Wallstein
— Schneider, Ulrich: Armin Sandig, in: „Artists of the World“ (AOW) / „Allgemeines Künstlerlexikon“ (AKL), De Gruyter-Verlag, Onlineversion
— Kunsthalle Bremen: Armin Sandig. Gemälde, Handzeichnungen und Aquarelle aus den Jahren 1959-1969, Bremen
— Pfalzgalerie Kaiserslautern (1967): Armin Sandig. Gemälde, Aquarelle, Graphik, o. V.
— Internetseite der „Armin Sandig Stiftung e. V.“