R U D O L F H E N G S T E N B E R G
Weitere Werke von Rudolf Hengstenberg
Darstellung eines greifenden Kleinkinds
Kreidelithographie in Rotbraun auf sandfarbenem Ingrespapier
u.l. in Blei datiert „1923“
Blattgrösse: 37,3x51cm
Auflage: o.A.
u.l. in Blei monogrammiert „RH“
nicht betitelt
€ 230,-
Zustand
am linken Blattrand im oberen Bereich diagonal verlaufende Knickspur; am rechten Blattrand leicht diagonal verlaufende Knickspur, sowie leichte Quetschungen und kleine Einrisse (bis zu einer Länge von etwa 0,5cm); leichte Druckstellen im Blatt; insgesamt etwas nachgedunkelt/gebräunt; verso am unteren, rechten & oberen Rand umlaufend braunes Klebenband, sowie an den oberen beiden Ecken reste früherer Befestigung (weißes Klebeband); verso u.r. in Blei bez. „L36/1×50“
„1920 begann er [d.h. Rudolf Hengstenberg] sein Studium bei Christian Landenberger, einem Vertreter eines milden Impressionismus, der ihm zunächst einen tüchtigen Grundlagenunterricht erteilte, doch nach zwei Semestern ihm empfahl, zu Heinrich Altherr zu wechseln. Dort bekam er ein Meisteratelier. Bei Altherr begegnete Hengstenberg dem aktuellen späten Expressionismus in einer gewissen manierierten Übersteigerungsform, die auf eine besondere Spielart der Neuen Sachlichkeit hinführen sollte“ (Jörn Barfod (1994): Der Maler Rudolf Hengstenberg; Husum; S. 7). Bis 1924 bleibt Hengstenberg als Meisterschüler bei Altherr und verlässt dann Stuttgart, um sich als freischaffender Künstler in Potsdam nieder zu lassen.
Die vorliegende Lithographie von 1923 ist in diese Phase bei Altherr einzuordnen. Das Figurenbildnis und das Porträt nehmen „im Schaffen Hengstenbergs einen bedeutsamen Rang ein“ (ebd.; S. 8), wofür auch diese frühe Grafik ein Zeugnis ist. In breit angelegten, flächigen Zügen lässt Hengstenberg vor uns das Bild eines kleinen Jungen entstehen. Das Oberteil bzw. das Hemdchen ist nur in wenigen Zügen durch Faltenwürfe angedeutet, wogegen die beiden Hände und das Gesicht markanter und individueller ausgeführt sind. Zufrieden lächelnd hebt er seine kleinen Hände und bewegt die Finger. Vielleicht streckt er sich einem hingehaltenen Gegenstand entgegen, vielleicht betrachtet er auch schlicht seine Hände.
Sehr schöne Porträtkomposition aus der Studienzeit Rudolf Hengstenbergs!
Zu Rudolf Hengstenberg (16.08.1894 Untermais (bei Meran, Südtirol) – 05.01.1974 Bremen):
Maler, Zeichner, Grafiker; sein Vater, der Ingenieur Rudolf Hengstenberg, stammt aus einer westfälischen Theologenfamilie und besaß das Meraner Gaswerk, die Mutter, Mathilde Hengstenberg, geborene Weißenborn, ist Tochter eines Gothaer Bauunternehmers; 1899 nach dem Verkauf des Gaswerks zieht die Familie nach Berlin, in eine großzügige Villa in Wannseenähe; Besuch der Oberrealschule in Zehlendorf, nach einer Nichtversetzung der Oberrealschule in Potsdam; 1914 Eintritt als Kriegsfreiwilliger ins „Garde du Corps“ in Potsdam (Einsätze in Frankreich, an der Ost- und Südfront, mehrfache schwere Verwundungen); 1919 Beginn eines Architekturstudiums an der Technischen Hochschule in Berlin; 1920 Wechsel an die Hochschule Stuttgart zu Paul Bonatz, dann Beginn eines Studiums an der dortigen Kunstakademie zunächst bei Christian Landenberger, nach zwei Semestern bei Heinrich Altherr; 1924 Hengstenberg verläßt als Meisterschüler Heinrich Altherrs die Stuttgarter Akademie und siedelt sich als freier Künstler in Potsdam an; zunächst Bezug einer Atelierwohnung in der Nähe des Heiligensee, 1932 Übernahme einer Atelierwohnung vom Maler Heinrich Graf Luckner in der Mangerstraße 15; regelmäßige Beteiligung an den Frühjahrs- und Herbstausstellungen der Preußischen Akademie der Künste; Förderung durch den Maler Ludwig Dettmann; 1926 Hengstenberg schließt sich einem kleinen Kreis um den Maler Egon v. Kameke an, zu dem auch die Maler Heinrich Basedow und Schwormstedt sowie der Schriftsteller Rudolf Paulsen gehören; 1931 unter dem Eindruck der Auseinandersetzungen der politischen Extreme am Ende der Weimarer Republik Eintritt in die NSDAP; 1935 das Großgemälde „Bauhütte“ entsteht im Auftrag des Reichsarbeitsministers für das Ministeriumsgebäude in Berlin; 1937 das Gemälde „Bauhütte“ wird in den deutschen Pavillon auf der Pariser Weltaustellung gebracht und erhält einen ersten Preis; das eigentlich für Paris in Auftrag gegebene Bildthema „1. Mai-Feier im Berliner Lustgarten“ wird von den Auftraggebern als zu expressionistisch gewertet, als Folge bleiben weitere öffentliche Aufträge aus; 1937 werden bei der Aktion „Entartete Kunst“ zwei Werke beschlagnahmt; 1938 Auszeichnung mit dem deutsch-amerikanischen Harry-Kreismann-Preis; 1939 auf Befehl des Oberkommandos des Heeres Kriegsmaler (Einsatz an der West- und Ostfront, später bei der „Staffel der bildenden Künstler“); 1942 Heirat mit der aus Wismar stammenden Photographin Lilli Hahn; 1943 nicht zuletzt auf Betreiben des Bremer Bildhauers Ernst Gorsemann Übernahme der Leitung der Bremer Kunsthochschule (damals Nordische Kunsthochschule), Ernennung zum Professor und Übersiedlung nach Bremen; 1945 nach erneutem Kriegseinsatz schwere Verwundung und amerikanische Kriegsgefangenschaft; im September Rückkehr zu seiner Frau nach Bremen; 1946 Ablehnung einer durch Karl Hofer und Heinrich Ehmsen angetragenen Berufung an die Berliner Kunsthochschule; Übersiedlung von Bremen-Oberneuland nach Bremen-St. Magnus; dort später Bau eines Hauses mit Atelier (Am Kapellenberg); 1948 nach der sog. Entnazifizierung Aufhebung des Ausstellungs- und Unterrichtsverbots; ab 1950 Öffentliche Aufträge für Wandmalereien in Schulen und Krankenhäusern in Bremen-Nord sowie für ein großes Wandgemälde im Funkhaus von Radio Bremen; Schriften über Fragen der Kultur, Kunst und Religion; ab 1965 allmähliche Einstellung der künstlerischen Tätigkeiten und Rückzug aus der Öffentlichkeit
Literatur/Quelle
BARFOD, Jörn (1994): Der Maler Rudolf Hengstenberg; Husum
VELTZKE, Veit (2005): Kunst und Propaganda in der Wehrmacht; Kerber; Bielefeld; S. 250-251
Internetseite der Rudolf-Hengstenberg-Gesellschaft e.V.