L U D W I G    V O N    S C H W A N T H A L E R    (26.08.1802 München – 14.11.1848 ebd.)

 

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„Gesundheitsbrief“ (um 1830)

Federzeichnung, aquarelliert, auf Büttenpapier (Wasserzeichen: Wappen mit Weintrauben), am oberen Rand befestigt auf bräunlichen Karton

verso am Ende des Textes imaginär datiert „MCCCLXX“, sowie darunter etwas undeutlich bezeichnet „d.i. „mdccc[…]“ ; anzunehmen ist eine Datierung um 1830

verkauft

 

 

 

Signatur
verso am Ende des Textes mit dem Pseudonym signiert „lebtwol / ewr / Storch(e)naw(e)r“, sowie recto auf dem unterlegten Karton unten rechts von fremder Hand in Blei bez. „v.[on] L. Schwanthaler“

Titel
recto auf dem unterlegten Karton unten mittig von fremder Hand in Blei betitelt „Gesundheitsbrief“

Größe
Größe: 34 x 19,7 cm (Blatt) bzw. 48,3 x 32 cm (unterlegter Karton)

Zustand
Blatt am oberen Rand befestigt auf bräunlichen Karton; Blatt mit horizontalen Faltspuren; recto & verso durchgehend (mitunter stärker) stockfleckig; die Blattränder leicht uneben zugeschnitten; am rechten Blattrand unten sehr kleine Einrisse; Ecken etwas bestoßen; Druckstellen im Blatt
unterlegter Karton an Ecken bestoßen, sowie am rechten Rand unten mit längerem Einriss, sowie am unteren Rand in Blei nummeriert „7“ und rechts unten undeutlich weitere Annotation

Provenienz
Auf dem unterlegten Karton unten links in Blei bezeichnet „Dr. Hornich“[?].

 

 

Text des “Gesundheitsbriefes”:

“Ewr. loebl. Genadn!

Cara, Cara, Cara:

Fiat –

Thue brichtn wie dß mr widr beßr get

in Hals ud Buch, welch gmasheil diattn blindn haidn

in gräciamis κατα ausdruketen [1]. Wi stets umbn

barn [2], dmb … ud Ewr Hus, wi uch umbn er-

slefsgut d.w.i. od warn gestrn di scha[?]ler vorm

Hus, ud schalmeitn misdiglich, ud suff ich widr

zvil, usm willumb ward als widr siech

gibt sich schun:

[verso]

Schikh euch hir so´n gschnizl, soihr s´licht da

vor hall gibts im Schattn Jesu ud Maria

gabs noch vun Damascoges. Ubrigs dnk

ich euch ud dm Xzigr [3] fur ewr psuch

Lebtwol
Ewr
Storchnawr
Archiv.[arius]”

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[1] An dieser Stelle zeigt sich beispielhaft wie die „Humpenauer“ und dabei allen voran Schwanthaler das „Griechische“ kritisierten, verachteten und als Gegenpol zum Deutschen erachteten. „Während nun der Sinn sämmtlicher Genossenschaft auf das vielbelobte Mittelalter gerichtet war, und die Zeit dazu verwendet wurde, den Eindruck desselben stets tiefer zu begründen, vergaß man doch nicht, daß es einen gewaltigen, ewig wachen Gegner gab. Diesem, dem Griechenthum in der Kunst, ward deßhalb bei jeder Gelegenheit übel mitgespielt – voraus begreiflich von Schwanthaler-Storchenauer selbst“ (Franz Trautmann (1858): Ludwig Schwanthalers Reliquien; München: Fleischmann; S. 48-49).
[2] Der Bär war das Wappentier der „Humpenauer“.
[3] Möglicherweise zu lesen als „Kreuzlinger“, was der „Humpenauer“-Name von Joseph Helldobler war.

 

 

“Schon während der frühen Studienzeit wird ein Zug für Schwanthalers Leben charakteristisch: Bei jeder Gelegenheit schildert er in zahlreichen Skizzen und gut ausgeführten Zeichnungen das temperamentvolle und bunte Treiben mit seinen Freunden und Studienkameraden. Hier lernen wir die Humpenauer-Gesellschaft kennen und erfahren von Freud und Leid der als Ritter verkleideten Genossen. […] Die größte Anzahl von Zeichnungen der zwanziger und dreißiger Jahre geben Einblick in Künstlerfeste, bei denen der Humpen, das Bier und ein trunkener Sketsch die wichtigsten Rolle spielen.” [4]

Die hier vorliegende Arbeit ist in diese Schaffensphase rund um die “Humpenauer”-Gesellschaft einzuordnen.

Schwanthaler selbst gab sich, wie auch jedes andere Mitglied, einen eigenen Namen innerhalb dieser Vereinigung – der “Storchenauer” [5]. Im vorliegenden Blatt finden wir diesen Namen direkt oben rechts, so dass deutlich wird, dass Schwanthaler sich darunter selbst in goldener Rüstung und rot-weißem Umhang darstellte. Und weiterhin ist der Text am Ende gezeichnet mit “Ewr Storchnawr”.
Ludwig Schwanthaler berichtet in diesem als “Gesundheitsbrief” titulierten Blatt von seinen eigenen, glücklicherweise überstandenen Leiden an ‘Hals und Bauch’. Ganz konkret möchte er davon berichten, ‘wie dass [es] mir wieder besser geht’. Obgleich der Text, in einem nicht durchgängig les- und verstehbaren Pseudo-Gotisch verfasst wurde, wird doch der Grund für diese Beschwerden deutlich: das Essen und das Trinken. Explizit heißt es einmal auch, dass er schlicht zu viel gesoffen habe (“ud suff ich widr zvil”), worauf er wieder krank wurde (“ward als widr siech”). Und nicht zuletzt die wunderschöne Karikatur mit den Würsten, der Brezel und dem Humpen macht darauf nachdrücklich aufmerksam.
Auf der Rückseite ist der Kranke wiederhergestellt und er bedankt sich zuletzt auch für den freundlichen Besuch des Briefempfängers und eines weiteren Humpenauers (“Xzigr”), bei dem es sich möglicherweise um “Kreuzlinger”, vulgo: Joseph Helldobler, handelt. – “Ubrigs dnk ich euch ud dm Xzigr fur ewr psuch […]”

Bezogen auf den Adressaten dieses ‘Gesundheitsbriefes’ lässt sich nun noch die Annahme formulieren, dass es sich dabei um Franz Graf von Pocci gehandelt haben könnte. Nicht nur war Pocci ein enger Freund Schwanthalers [6], der bei den “Humpenauern” als “Ritter Diepolt” auftrat, sondern vielmehr lässt sich ein Werk bzw. ein Autograph Poccis nachweisen, welches womöglich in direktem Bezug zu vorliegendem Werk Schwanthalers steht. So schrieb Pocci / Diepolt einen (undatierten) Brief an Schwanthaler / Storchenauer, in welchem er dessen Krankheit beklagte und ihm gute Besserung wünschte.

“Lieber Storchenauer.
S’ist’n dumb Ding umb’d Xundheit, Einer ist xundt, der ander ist krank. That mir mäniglich leid thun, sinthemalen dass Ihr krank seid. Will aber bei Vulkanum bitten, dass er auch Fürbitter bei Jupiter ist. Die zum Bären sind all betrübt, dass Archivarius krank ist, wünsch euch ein gut Besserung.
Vulcane ora pro nobis.
Diepolt.
Zitter ‘n bissl, weil ich z’viel trunk’n hab.” [7]

Die Bezüge zwischen beiden Texten sind deutlich und es ist gut vorstellbar, dass das hier vorliegende, köstlich humorvolle Werk von Schwanthaler / Storchenauer als Dank für die so große Fürsorge der übrigen “Humpenauer” gedacht war.

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[4] Frank Otten (1970): Ludwig Michael Schwanthaler 1802-1848; München: Prestel; S. 90.
[5] Siehe hierzu u.a. Franz Trautmann 1858: 45.
[6] Zu der engen Freundschaft zwischen Schwanthaler und Pocci vgl. Günter Goepfert (1999): Franz von Pocci. Vom Zeremonienmeister zum „Kasperlgrafen“; Dachau: Verlagsanstalt Bayernland; S. 16-18.
[7] Dieses Objekt von Pocci wurde am 27. Oktober 1904 bei Hugo Helbing in München versteigert (Los 221). Im zugehörigen „Katalog der sehr reichhaltigen Kunstsammlung des in München verstorbenen kgl. Regierungsrats Herrn Ph. Pfister […]“ verzeichnet auf Seite 12 – nach diesem Katalog wurde hier auch zitiert. Der jetzige Standort ist unbekannt.

 

 

Zu Ludwig von Schwanthaler (26.08.1802 München – 14.11.1848 ebd.):
Bildhauer, Zeichner; er entstammte einer Bildhauerfamilie; sein Vater war der wichtige frühklassizistische Bildhauer Franz Jakob Schwanthaler (1760-1820); 1819 Abitur in München; 1819-22 Studium an der Kunstakademie München (anfangs Malerei, dann wechselte er zur Bildhauerei); 1820 übernahm er nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt; durch Förderung von Ludwig I. ging Schwanthaler mehrmals auf Studienreisen nach Italien (1826-27, 1832-34); 1835 Ernennung zum Professor an der Kunstakademie, sowie Lehrer an der Königlichen Baugewerksschule; 1842 wurde er im Rahmen der Enthüllungsfeier seines Mozartdenkmals in Salzburg zum Ehrenbürger der Stadt ernannt; 1843 Bau der Burg Schwaneck im Isartal; 1844 Verleihung des Ritterkreuzes des Verdienstordens der Bayerischen Krone; 1844 Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Frankfurt a.M.; 1847 Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Wien; 1850 wurde sein Hauptwerk, die Münchner Bavaria, aufgestellt