T O B I A S S C H N E E B A U M (25.03.1922 Manhattan, NY – 20.09.2005 Great Neck, NY)
Junge auf einer Straße sitzend, wohl in Peru (1956)
Tusche und Aquarell auf Papier, ungerahmt
unten links signiert „Schneebaum“
unten links datiert „[19]56“
€ 950,-
Titel
ohne Titel [Junge auf einer Straße sitzend, wohl in Peru]
Größe
Größe: 21 x 33,1 cm
Zustand
insgesamt etwas nachgedunkelt; technikbedingt leicht wellig; Ecken leicht bestoßen; leicht (stock-)fleckig; Ecke oben rechts mit kleinem Knick; die seitlichen Blattränder leicht knittrig; verso an den oberen beiden Ecken Reste von braunem Klebeband
Tobias Schneebaum ist mit seiner Vita sicherlich eine ungemein faszinierende Persönlichkeit und konnte auf verschiedenen Gebieten Bleibendes schaffen.
Nach seinem Abschluss am City College in New York, leistete er Militärdienst und begann dann 1947 ein Kunststudium am Brooklyn Museum, welchem er jedoch nur kurze Zeit folgte. Noch in demselben Jahr zog es ihn nach Mexiko, wo er malen wollte. Er blieb schließlich drei Jahre beim Stamm der Lacandonen. 1955 erhielt er ein Fulbright-Stipendium und mit diesem Geld konnte er nach Peru reisen, was schließlich zu dem in der Öffentlichkeit bekannten, siebenmonatigen Aufenthalt bei den Harakmbut führte. Im September 1956 kehrte Schneebaum nach New York City zurück und 1969 erschien sein Band „Keep the River on Your Right“ in dem er seine Erlebnisse bei den Indigenen im Jahr 1956 beschrieb.
Neben zahlreichen Erzählungen und Schilderungen war es vor allem ein Abschnitt am Ende seines Aufenthaltes, der für Aufsehen und auch durchaus Aufregung unter den Lesern sorgte. So beschrieb Schneebaum hier, wie er einmal mit einer Gruppe auf Nahrungssuche war, jedoch lange nichts finden konnte. Nach einiger Zeit kam die Gruppe zu einer kleinen Siedlung und seine Begleiter überfielen die Menschen. Frauen und Kinder wurden gefangengenommen und die Männer getötet. Teile der Toten wurden abgetrennt, mitgenommen und auf dem Rückweg gegessen. In einem jüngeren Bericht in der „New York Times“ heißt es dazu
„Not long after, his companions stopped and lighted a fire. The mood was triumphant, with plenty of laughter. The group began singing and dancing. At first he refused to join in, but he was pressed. He found himself caught up in the whirl.
A few of the leafy packages were unwrapped, and their contents were placed directly into the flames. After a while, meat was removed from the fire. Portions were passed around, one by one, to each member of the group. Eventually, a piece was placed in Schneebaum’s hands. He put the human flesh in his mouth and ate it.“ [1]
Die hier vorliegende in Tuschpinsel und Aquarellfarben ausgeführte Zeichnung entstand genau in diesem Jahr der Peru-Reise 1956. Ob vor oder nach dem Aufenthalt bei den Harakmbut ist dabei nicht klar.
Tobias Schneebaum zeigt hier in schnellen, mitunter breiten Strichen einen Jungen bzw. Jugendlichen, der auf dem Boden sitzt. Das linke Bein ist angewinkelt und das rechte Bein leicht angezogen. Es ist nun nicht ganz klar was er mit seinen Händen macht, ob er einer Handarbeit nachgeht, oder ob er vielleicht eine Schale hält und um Almosen bittet. Der Hintergrund bleibt diffus in hellbraunen, schwarzen Strichen.
Sehr schöne Zeichnung aus einem der wohl interessantesten und wichtigsten Jahre in Tobias Schneebaums Leben.
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[1] Daniel Zalewski: „Once in the Jungle“, in: New York Times Magazine, 25. März 2001, S. 54.
Zu Tobias Schneebaum (25.03.1922 Manhattan, NY – 20.09.2005 Great Neck, NY):
amerikanischer Maler, Zeichner, Grafiker, Anthropologe, Schriftsteller, AIDS-Aktivist, Sammler; 1939 Abschluss an der Suyvesant High School; 1943 Abschluss am City College of New York (Mathematik und Kunst); während des Zweiten Weltkrieges wurde er als Mechaniker von Radaranlagen eingesetzt; 1947 kurzzeitiges Kunststudium am Brooklyn Museum of Art (bei Rufino Tamayo); noch in demselben Jahr reist Schneebaum nach Mexiko und lebt dort für drei Jahre beim Stamm der Lacandonen; 1955 erhielt er ein Fulbright-Stipendium mit dem er 1955-56 nach Peru reiste und dort lebte er dann für sieben Monate bei den Harakmbut; während dieser Zeit, so sagte es Schneebaum selbst, habe er einmal auch Menschenfleisch gegessen; im September 1956 kehrte er nach New York City zurück; 1969 erscheint der Band „Keep the River on Your Right“, in dem er von seinen Erlebnissen berichtet; bis 1970 war er Designer bei „Tiber Press“; 1973 reist er nach Papua und lebt dort bei den Asmat; in der Folge war Schneebaum maßgeblich am Aufbau des „Asmat Museum of Culture and Progress“ (Agats) beteiligt; 1999 reiste er im Zuge eines Dokumentarfilms nochmals nach Peru und Papua; seine letzten Lebensjahre verbrachte Schneebaum in der „Westbeth Artists Community“ (New York City); seine umfangreiche Asmat-Sammlung hat er dem Metropolitan Museum of Art (New York City) vermacht, während sein schriftlicher Nachlass an die „Jean-Nickolaus Tretter Collection“ (University of Minnesota) ging
Werke von Schneebaum befinden sich u.a. im Smithsonian American Art Museum, Art Institute Chicago, Birmingham Museum of Art, Paris Gibson Square Museum of Art (Great Falls, MT), Kemper Museum of Contemporary Art (Kansas City), Picker Art Gallery – Colgate University (Hamilton, NY), Zimmerli Art Museum (New Brunswick, NJ), High Museum of Art (Atlanta, GA).