L U D W I G   ( L U I S )   N E U

 

Weitere Werke von Ludwig (Luis) Neu

 

 

„Spitzbergen“ (1935)

Pastellkreiden auf leichtem Karton (u.r. Blindstempel „Hamburger Gewerbeschulzeichen Nr. 1001“), verso am oberen Rand durch drei kleine Klebestreifen in Passepartout
u.r. datiert „1935“
u.r. signiert „L. Neu“

verkauft

 

 

Titel
u.r. lokalisiert „Spitzbergen“

Größe
Größe: 45 x 62,2cm (Blatt) bzw. 59 x 75 cm (Passepartout)

Zustand
Blatt verso am oberen Rand durch drei kleine Klebestreifen in Passepartout; Ecken / Kanten etwas bestoßen; partiell leicht fleckig; an den Rändern mitunter leicht berieben; in den vier Ecken je ein kleines Einstichlöchlein; mitunter sehr leicht wellig; verso etwas fleckig, sowie an den Rändern umlaufend Reste von braunem Klebeband, sowie verso links in Blei mit Größenangabe „61×44“

 

 

„Für seine Studienreisen verknüpfte er [d.h. Ludwig Neu] geschickt Kunst und Kommerz, indem er für die Hamburg-Süd ständig Fotoreportagen auf seinen Reisen machte; außerdem malte er und verkaufte die Produktion an Passagiere, stellte anschließend zehn Motive in Druck-Mappen zusammen, die er kolorierte und versandte. Seine Plakatentwürfe, Graphik und Fotos kamen so gut an, daß die Familie vor 1933 ein reichliches Auskommen hatte.“ [Maike Bruhns (2001): Kunst in der Krise (Band 2); Hamburg: Dölling und Galitz; S.306.]

Die vorliegende Pastellzeichnung mit einer Spitzbergen-Ansicht datiert auf 1935 und wird während einer solchen Reise entstanden sein. Als überaus bedeutsam darf die Datierung angesehen werden, da sich die gesamte Lebenssituation – nicht nur bezogen auf die wirtschaftliche Lage – der Familie des Künstlers drastisch verschlechterte. Ab 1933 nahmen seine Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten stark ab, die Hamburger Künstlerschaft schloss ihn aufgrund seiner jüdischen Herkunft im April 1933 aus und die Einnahmen sanken sogar so weit, dass er von der Wohlfahrt unterstützt werden musste. Ein Jahr nach dieser Spitzbergen-Ansicht wurde sein Aufnahmeantrag in die Reichskammer der bildenden Künste abgelehnt, was de facto einem Arbeitsverbot gleichkam.

„Neu hatte nun überhaupt kein berufliches Einkommen mehr. Er setzte die Malerei im Geheimen fort und verkaufte an treu gebliebene Freunde. Ein Hilfsfonds des Bankhauses Warburg unterstützte ihn. Er mußte zwei Zimmer der Wohnung vermieten. Bei mehreren Gestapo-Kontrollen wegen Einhaltung des Arbeitsverbots wurden sieben Gemälde, 43 Zeichnungen, 24 Pastelle, vier Aquarelle, 28 Radierungen und zwölf Platten und eine Bronze (Geschenk eines Künstlers) beschlagnahmt […].“ [Ebd.: 305.]

Neben dieser zeitlichen Verortung, besticht das vorliegende Werk durch seine zeichnerische Ausführung. Neu präsentiert dem Betrachter eine karge Berglandschaft mit Meer und Küstenstreifen. Farblich zeigt sich das Werk vornehmlich in kühlen Tönen aus Blau, Grau und Schwarz, während die helleren Partien leicht cremefarbig erscheinen. Ein dezentes, aber zugleich ins Auge stechendes Detail setzt der Künstler in der Bildmitte. Dort führt auf dem Küstenstreifen eine dünne Farblinie aus Rot, Grün und Gelb entlang, und verweist damit zugleich auf die durchaus lebendige Natur in dieser scheinbar unwirtlichen, kargen Gegend.

 

 

Zu Ludwig (Luis) Neu (14.10.1897 Wasserlos – 14.05.1980 Buenos Aires):
1911-13 Besuch der Zeichenakademie in Hanau (bei Professoren Schimke, Koch, Schulz); darauf Studium an der Kunstgewerbeschule Offenbach (bei Prof. Richard Troll, Rudolf Koch); im Weiteren Studium an der Kunstakademie München (bei Max Slevogt); im 1. Weltkrieg Einsatz in Russland; bis 1920 in Frankfurt am Main (Atelier im Städelschen Institut); ab 1922 freischaffender Künstler in Hamburg; Heirat mit Ida Boch (trotz Widerstand der jüdischen Eltern, die gegen die Verbindung mit der evangelischen Postbeamtin waren); 1923 Geburt der Tochter Ida; in den 1920-30er Jahren zahlreiche Studienreisen (Orient, Ägypten, Italien, Holland, Norwegen, Island); Förderungen durch Gustav Pauli und Gustav Schiefler; 1921 Eintritt in die Hamburgische Künstlerschaft (1933 ausgeschlossen); 1927 Beteiligung an einer Ausstellung der Hamburgischen Sezession; nach der Machtübernahme der NSDAP verschlechterten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse Neus, so dass er zum Wohlfahrtsempfänger wurde; 1935 Verleihung des Ehrenkreuzes für Frontkämpfer; 02.06.1936 Ablehnung des Antrags auf Aufnahme in den Reichsverband Bildender Künstler (mit gleichzeitiger Untersagung der weiteren Ausübung des Künstlerberufes); es folgte ein Verkaufsverbot; im Geheimen malte und verkaufte Neu weiterhin; Mai 1938 Flucht nach Buenos Aires; Neu wurde ausgebügert; in Buenos Aires zunächst tätig als Fotograf, dann wieder als Maler; 1954 wohnhaft in El Palomar; 04.09.1954 Wiedereinbürgerung in Hamburg; 1958 erneute große Europareise; 1978 Bundesverdienstkreuz

Literatur
BRUHNS, Maike (2001): Kunst in der Krise (Band 2); Dölling und Galitz; Hamburg; S.304-307
BRUHNS, Maike (2007): Geflohen aus Deutschland. Hamburger Künstler im Exil 1933-1945; Edition Temmen; Bremen; S.20-21