J U L O L E V I N (05.09.1901 Stettin – (Mai?) 1943 KZ Auschwitz)
„Schlepper ‚Werner‘ vor Giebelspeicher in Stettin“ (undatiert [Nachlassedition, d.h. posthumer Druck])
Linolschnitt (Umdruck) auf festerem Ingrespapier
verkauft
Titel
„Schlepper ‚Werner‘ vor Giebelspeicher in Stettin“ (Werkverzeichnis: Baumeister 460)
Technik
Linolschnitt (Umdruck) auf festerem Ingrespapier
Signatur
unten links drucksigniert, sowie unten rechts vom Neffen des Künstlers (Michael Levin) handsigniert, sowie verso Nachlassstempel
Jahr
undatiert [Nachlassedition, d.h. posthumer Druck]
Auflage
unten links in Blei nummeriert 65/100
Größe
Größe: 30,5 x 37,2 cm (Blatt) bzw. (etwa) 15 x 23 cm (im WV irrigerweise angegeben mit 10,9 x 15,3 cm)
Zustand
recto & verso leicht gebräunt; oberer Rand etwas stärker gebräunt / lichtrandig; Ecken schwach bestoßen
„Er [i.e. Julo Levin] gehört zu den leidenschaftlich Suchenden, und zugleich zu den geborenen Malern, die mit der Farbe beherzt umgehen dürfen, weil sie ihr natürliches Ausdrucksmittel ist. Er ist überdies ein Mann von Phantasie, dem sich jeder Wirklichkeitsausschnitt sofort in eine malerische Vision überträgt. Es ist charakteristisch, daß er, in Stettin geboren und in der tüchtigen dortigen Kunstschule zuerst unterwiesen, sich im Rheinland an Künstler wie Campen-donk und Thorn-Prikker hielt. Aber er bog nicht etwa auf die Sonderwege dieser Lehrer ein, sondern ließ sich vom Besten inspirieren, was sie ihm geben konnten: von ihrem Mut zur Selbständigkeit.“ [1]
So der Auszug aus einer Rezension Max Osborns zu der Ausstellung Julo Levins im Theater des Jüdischen Kulturbundes in Berlin (Dez. 1936 bis Jan. 1937) .
Julius („Julo“) Levin war der Sohn des Versicherungsagenten Leo Levin und dessen Ehefrau Emma, geb. Arnfeld. Beide Elternteile entstammnten angesehenen jüdischen Familien Stettins, jedoch verlief die Ehe nicht glücklich, da der Vater ein Spieler war und seine Frau auch mehrfach betrog. Emma Levin trennte sich früh von ihrem Mann und sorgte nun zusammen mit ihrer Mutter für die Kinder.
Bereits in Kinder- und Jugendjahren zeigte Julo Levin künstlerisches Interesse und Fähigkeiten. Nach dem Besuch des Friedrich-Wilhelm-Realgymnasiums, wollte er Künstler werden, doch wurde durch den „Familienrat“ eine kaufmännische Lehre bei einer Stettiner Firma beschlossen, die er auch bis 1919 absolvierte. In der Folge setzte er sich aber durch und ging an die Kunstgewerbeschule Essen (1919-20, bei Thorn-Prikker). Hierauf wechselte er zusammen mit seinem Lehrer an die Kunstgewerbeschule München (1921), als dieser 1923 an die Düsseldorfer Akademie kam, folgte ihm Levin auch dorthin und besuchte Kurse bei Campendonk und Nauen. Zuletzt war er Meisterschüler und beendete sein Studium 1926.
Seit seiner Ankunft in Düsseldorf verkehrte Levin im Kreis um „Mutter Ey“. Er konnte sich als Künstler etablieren, beteiligte sich an Ausstellungen des „Jungen Rheinlandes“, der „Rheinischen Sezession“, der „Juryfreien“ und schuf 1926 ein großes Wandgemälde für die wichtige „GeSoLei“-Ausstellung.
Von 1928 bis 1933 war er Mitglied des Düsseldorfer „ASSO“-Ablegers.
1931 erfolgte ein wichtiger halbjähriger Aufenthalt in Marseille.
Nach der Machtergreifung durch die NSDAP nahmen die Repressalien auf den Künstler zu. „Seine Karriere als Maler wurde zerschlagen“ (Sigrid Kleinbongartz).
Julo Levin konnte in den ersten Jahren nur noch sehr begrenzt im Rahmen von Ausstellungen des „Jüdischen Kulturbundes“ seine Werke zeigen. In Düsseldorf wurde er zu Straßenreinigungs- und Gärtnerarbeiten herangezogen. Eine kleine Besserung trat ein als er Zeichenlehrer an der jüdischen Volksschule in Düsseldorf (1936-38), sowie hierauf an jüdischen Schulen in Berlin (1938-41) wurde.
Ab 1933 war Levin zudem politisch aktiv, was zur Folge hatte, dass er bereits 1933 bei einer groß angelegten Verhaftungswelle gegen die KPD von der Gestapo verhaftet wurde und erst nach drei argen Wochen wieder frei kam. In dieser Zeit entstand Levins ausdrucksstarkes Gemälde „Hiob“ (WV 105).
Im März 1937 kam es zu einer erneuten Inhaftierung, da er engen Kontakt zu Peter Ludwigs hatte, dem Hochverrat vorgeworfen wurde. Im August desselben Jahres wurden zwei Aquarelle in Düsseldorf als “entartet” beschlagnahmt.
1941 wurde er zur Zwangsarbeit herangezogen. Zu dieser Zeit versteckte Mieke Monjau, Ehefrau des Freundes Franz Monjau, Levins Bilder und auch die gesammelten Schülerzeichnungen.
Die Verhaftung Julo Levins erfolgte am 7. Mai 1943. Zehn Tage später wurde er nach Auschwitz deportiert. Sein genauer Todestag ist nicht bekannt.
Der hier vorliegende Linolschnitt Julo Levins entstammt der Nachlassauflage, welche durch Michael Levin, Sohn der Schwester Else, signiert und bestätigt wurde.
Zu diesem Werk schreibt Jutta Pitzen das Folgende:
„Auch im Detail liebevoll gezeichnet wie die behäbigen Lagerhäuser entlang der Kaimauer, das aus Levins Malerei bekannte Stettiner Bollwerk, erscheint der Schiffer des Schleppers in Stettin: Schlepper ‚Werner‘ vor Giebelspeicher in Stettin (WV 460). Der Linolschnitt setzt die Längs- und Querschraffuren zur Gestaltung unterschiedlicher Flächen wie Hausfront und Dach ein, der Künstler legt hier Wert darauf, die Bauten perspektivisch-dreidimensional ins Bild zu setzen. Der schwere Schlepper im Bildvordergrund hingegen erhält seine geschlossene Erscheinung durch die Kontraste von weißen und schwarzen Flächen, aufgelockert durch nur wenige Linien, das Schwarz des Rumpfes unterbrechen lediglich das Ornament am Bug und der Namenszug am Heck. Die Bewegung des Schiffes deuten die Wellen an, die sich am unteren Bildrand kräuseln.“ [2]
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[1] Die Rezension findet sich im „Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin” (27. Jg., Nr. 2 (10.01.1937), S. 9).
[2] Jutta Pitzen (2001): „Das druckgrafische Schaffen Julo Levins“, in: Annette Baumeister (Hrsg.) (2001): Julo Levin 1901-1943. Monographie und Werkverzeichnis, Köln: Wienand, S. 108-121 [hier: 115].
Zu Julius („Julo“) Levin (05.09.1901 Stettin – (Mai?) 1943 KZ Auschwitz):
Maler, Zeichner, Grafiker, Kunsterzieher.
Sohn des Versicherungsagenten Leo Levin und dessen Ehefrau Emma, geb. Arnfeld. Die Eltern trennten sich früh und Julo wuchs mit seinen Geschwistern bei der Mutter und Großmutter auf.
Bereits in Kinder- und Jugendjahren zeigte Julo Levin künstlerisches Interesse und Fähigkeiten. Besuch des Friedrich-Wilhelm-Realgymnasiums in Stettin.
Entgegen seinem Wunsch Künstler werden zu wollen, fügte er sich dem Familienwunsch und begann (bis 1919) eine kaufmännische Lehre bei einer Stettiner Firma.
Im Anschluss Besuch der Kunstgewerbeschule Essen (1919-20, bei Jan Thorn-Prikker), der Kunstgewerbeschule München (1921) und der Düsseldorfer Akademie (ab 1923, bei Heinrich Campendonk und Heinrich Nauen). Zuletzt war er Meisterschüler und beendete sein Studium 1926.
1923 konnte er bei einer Ausstellung im Ausstattungshaus Brandenstein-Zaudy mit zwei weiteren Schülern der Kunstgewerbeschule Essen das erste Mal seine Werke der Öffentlichkeit zeigen. In der Folge mehrere weitere Ausstellungsbeteiligungen.
Julo Levin hatte Kontakt zum Kreis um „Mutter Ey“ und zu Künstler des „Jungen Rheinlandes“. Er begann sich in Düsseldorf als Künstler zu etablieren.
1926 schuf er ein großes Wandgemälde für die Düsseldorfer „GeSoLei“-Ausstellung.
1931 erfolgte ein wichtiger halbjähriger Aufenthalt in Marseille.
Nach der Machtergreifung durch die NSDAP nahmen die Repressalien auf den Künstler zu.
Julo Levin konnte in den ersten Jahren nur noch sehr begrenzt im Rahmen von Ausstellungen des „Jüdischen Kulturbundes“ seine Werke zeigen. In Düsseldorf wurde er zu Straßenreinigungs- und Gärtnerarbeiten herangezogen. Eine kleine Besserung trat ein als er Zeichenlehrer an der jüdischen Volksschule in Düsseldorf (1936-38), sowie hierauf an jüdischen Schulen in Berlin (1938-41) wurde.
Ab 1933 wurde Levin politisch aktiv, was zur Folge hatte, dass er bereits 1933 bei einer groß angelegten Verhaftungswelle gegen die KPD von der Gestapo verhaftet wurde und erst nach drei argen Wochen wieder frei kam.
Im März 1937 kam es zu einer erneuten Inhaftierung.
Im August 1937 wurden zwei Aquarelle in Düsseldorf als “entartet” beschlagnahmt.
1941 wurde er zur Zwangsarbeit herangezogen. Zu dieser Zeit versteckte Mieke Monjau, Ehefrau des Freundes Franz Monjau, Levins Bilder und auch die gesammelten Schülerzeichnungen.
Die Verhaftung Julo Levins erfolgte am 7. Mai 1943. Zehn Tage später wurde er nach Auschwitz deportiert. Sein genauer Todestag ist nicht bekannt.
2003 wurde eine Straße in Düsseldorf nach ihm benannt.
Mitgliedschaften
„Das Junge Rheinland“
1928-33 Mitglied des Düsseldorfer „ASSO“-Ablegers
Sammlungen
Rheinisches Landesmuseum (Bonn), Gemäldegalerie Neue Meister (Dresden), Museum Kunstpalast (Düsseldorf), Stadtmuseum Düsseldorf, Pommersches Landesmuseum (Greifswald), Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, Museum Kunst der verlorenen Generation (Salzburg), Märkisches Museum (Witten)
Literatur
Heise, Ulla: Julo Levin, in „Allgemeines Künstlerlexikon“, Onlineversion
Baumeister, Annette (Hrsg.) (2001): Julo Levin 1901-1943. Monographie und Werkverzeichnis, Köln: Wienand
Blatter, Jane / Milton, Sybil (Hrsg.) (1982): Art of the Holocaust, London: Pan Books, S. 255
Böhme, Heinz R. (Hrsg.) (2020): Wir haben uns lange nicht gesehen. Kunst der verlorenen Generation – Sammlung Böhme, München: Hirmer, S. 160
Zimmermann, Rainer (1994): Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation; Hirmer; München; S. 409