Die Kunst des Alterns

Themenflyer

 

Versteht man das Alter als eine Phase am Ende des Lebens, so mag man sich der Verlockung hingeben dies immer als etwas Entferntes zu betrachten. Daneben lässt sich das Altern, beginnend mit der Geburt, als einen ganzheitlichen Prozess sehen. Dementsprechend altert jeder Mensch zu jeder Lebenszeit. Die hier vorgestellten Kunstwerke eröffnen uns jeweils einen ganz individuellen Blick darauf.
So malt Erich Rein die Portraitierte in deren heimatlicher Schwarzwaldregion. Kleidung, Landschaft, Haus und nicht zuletzt auch die Gesichtszüge lassen an ein ruheloses, aber wohl auch glücklich erfüllendes Arbeiten denken. Ganz ähnlich lässt auch Karl Schricker seinen in sich ruhenden ‚Joseph den Hausmann‘ in einem signifikanten Umfeld erscheinen. Ein kleiner Hofausschnitt ist es, durch den Schricker das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier wunderschön illustriert.

 

 

Bleibt dagegen das Umfeld vage, so legt sich der Fokus unweigerlich auf Kleidung, Haltung und Ausdruck des/der Dargestellten – wie bei den Bildern von Arnold Hilmer, Reinhard Klesse und Leo Reis. Durch diese Faktoren kategorisieren wir die Dargestellten und kreieren eine Lebensgeschichte. Ob dabei harte körperliche Arbeit das Prägende im Leben war (wie bei Rein) wissen wir nicht. Am Ehesten ließe sich dies für die ältere Frau bei Hilmer annehmen. Doch von einschneidenden Erlebnissen und Erfahrungen scheinen sie alle nicht verschont worden zu sein – weder der so freundlich aussehende Herr (Reis), noch die beinahe entrückt wirkende Nonne (Klesse) oder die an uns vorbei ins Leere schauende Frau (Hilmer).
Eine ganz andere Sichtweise entwirft Anna Babette Conrady-Erkes, die uns ungeschönt mit zwei älteren Personen konfrontiert, die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen, sondern vielmehr sozialen Randgruppen zugeordnet werden können. Ein unsichtbares Band scheint zwischen dem kontemplativ vergeistigt gezeigten Rabbi und dem buckligen Mann zu bestehen, so dass man gar eine positive, nämlich das Alleinsein durchbrechende, Tendenz in diesem Werk erkennen kann.
Otto Ditscher hebt das Altern mit dessen Zeitfaktor auf eine mehr symbolische Ebene und lässt uns als Betrachter dadurch einen größeren Freiraum für Interpretationen und Deutungen.
Waren die bisher gezeigten Werke immer auf eine Person ausgerichtet, so zeigen uns Arnold Hilmer und Johann Baptist Bingger auch ältere Paare. Letzterer legt beim Portraitieren der Eheleute Koros den Fokus auf deren soziale und traditionale Stellung. Anstelle von zwei Einzelbildern entwirft dagegen Hilmer ein einzelnes Motiv aus dem heraus sich die zwei Köpfe entwickeln. Durch die druckgraphische Technik wirken die Übergänge fließend und lassen symbolisch an einen gemeinsamen Lebensweg denken.

 

 

Verstehen wir das Altern als etwas Dynamisches, dann verliert die Angst davor ihre Grundlage. Denken wir uns diesen Prozess als ganzheitlich, dann verlieren wir den ‚Scheuklappenblick‘ auf mögliche Einbußen. Die hier dargestellten Werke weisen auf die wunderbar menschliche Individualität hinter jedem Altern hin. Und können wir nicht vielleicht hinter diesen markanten Gesichtern ein Wissen erahnen, durch dass wir, um es mit Rilke zu sagen, „eine Weile hingerissen das Leben spielen, nicht an Beifall denkend“?

 

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